Wir Menschen haben ein sehr kurzes Gedächtnis und doch wird uns immer erzählt, dass wir aus der Geschichte lernen sollen, was ja auch richtig ist. Das Problem ist eben nur, dass viele Nachrichten und Informationen nur in unser Kurzzeitgedächtnis wandern, dort – wie das Wort schon sagt – nicht auf lange Sicht gespeichert werden und somit auch später nicht mehr abrufbar sind. Und Politiker wie auch Medien tun viel dafür, dass das so bleibt. Wir sollen uns nur ihre simplen Versionen von Geschehnissen merken. Die entscheidenden Details sollen wir nach Möglichkeit erst gar nicht erfahren und ansonsten sollen sie schnell wieder aus unserem Gedächtnis verschwinden.
Ganz anders bei den Herrschenden – die vergessen nichts und wenden ihre Tricks, um die Bevölkerung zu verblöden, mit Hilfe der Medien seit Jahrzehnten an. Und doch gibt es immer wieder diese Momente in denen die Verblödung nicht ganz klappt, wo entweder der gesunde Menschenverstand oder mühsam aus kritischen Websites zusammen gesuchte Informationen einen denken lassen “hier stimmt was nicht“ oder “da war doch was“? Beispiele, wie wir verblödet werden (sollen) bzw. aus denen wir lernen sollten gibt’s genug:
Der Fall Gleiwitz
Der Überfall auf den Sender Gleiwitz am 31. August 1939 gehörte zu mehreren von der SS ausgeführten Aktionen mit dem Tarnnamen Unternehmen Tannenberg. Dieser Vorfall diente als propagandistischer Vorwand für den Überfall auf Polen, also den Beginn des Zweiten Weltkrieges.
Am 10. August 1939 hatte der Chef des SD Reinhard Heydrich dem SS-Sturmbannführer Alfred Naujocks befohlen, einen Anschlag auf die Radiostation bei Gleiwitz in der Nähe der polnischen Grenze vorzutäuschen und es so erscheinen zu lassen, als seien Polen die Angreifer gewesen. Laut Naujocks hatte Heydrich gesagt: “Ein tatsächlicher Beweis für polnische Übergriffe ist für die Auslandspresse und für die deutsche Propaganda nötig.“ Die Inszenierung verlief wie geplant
Daraufhin sagte Hitler vor dem deutschen Reichstag am 1. September 1939 “Seit 5 Uhr 45 wird zurückgeschossen!“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Der_Fall_Gleiwitz)
Mission erfühlt.
Modernes Gleiwitz-2 Türkischer Geheimdienst
Im März 2014 wurde eine Tonaufnahme aus der Sicherheitsversammlung der türkischen Regierung veröffentlicht. Darauf ist Ministerpräsident Davutoğlu zu hören, der die Einnahme von „Süleyman Sah Türbesi“* durch den IS als geeigneten Vorwand für einen türkischen Einmarsch in Syrien bewertet. Daraufhin bot der Geheimdienstchef der Türkei, Hakan Findan, den Teilnehmern an “wenn es sein muss, schicke ich 4 Männer nach Syrien und lasse acht Raketen auf die Türkei feuern, dann habt ihr den Grund in Syrien einzumarschieren“.
http://www.cumhuriyet.com.tr/haber/turkiye/54767/Bomba_ses_kaydi__Secim_icin_savas_plani.html
Nach der Veröffentlichung der Tonbänder wurde der Plan nicht weiter verfolgt. Man kann sich jedoch unschwer ausmalen was geschehen wäre, wenn die Bänder nicht veröffentlicht worden
Modernes Gleiwitz -3 “Westliche Geheimdienste/Israel“
Die englische Zeitung The Guardian berichtete am 7. September 2017 über Angriffe der israelischen Luftwaffe auf die Zentrale der Chemiewaffen-Produktion des Assad-Regimes im Süd-Osten Syriens. Informationen über das Chemiewaffen-Programm, hieß es, seien den Berichten der westlichen Geheimdienste entnommen worden. (Israel reported to have bombed Syrian chemical weapons facility, Guardian, Sep 7)
Angaben, von welchen Geheimdiensten die angeblichen Berichte stammen, gab es nicht, und auch keine Überprüfung.
Auch die Financial Times behauptete, dass die bombardierten Einrichtungen mit der Waffenproduktion im Zusammenhang stehen würden. Auch dort war von angeblichen Berichten westlicher Geheimdienste die Rede. Und wiederum gab es keine weiteren Angaben zu den geheimnisvollen Berichten. (Syria accuses Israel of bombing military facility, Sep 7)
Schauen wir doch mal, wo diese Meldungen ihren Ursprung haben…
Am 30. Mai 2010, also 8 Monate vor Beginn des Syrienkrieges, fragte der Autor der israelischen Tageszeitung Avi Scharf, “was versteckt Assad in seinem Hinterhof?” und beantwortete seine Frage gleich selbst: “Assad versteckt in seinem Hinterhof die Chemiewaffen von Saddam, die, bevor die Amerikaner den Irak besetzten, nach Syrien transportiert wurden.“! (What Is Assad Hiding in His Backyard?)
So viel Phantasie…
Der Nahost-Experte der Zeitung Haaretz, Zvi Barel, schreibt über die Bombenanschläge vom September 2017, dass der israelische Staat die Zustimmung der USA bekommen habe, ehe er zuschlug, und stellt fest; „wenn Israel weiß, dass das Assad-Regime Chemiewaffen produziert, ist es nicht möglich, dass Russen und Amerikaner nichts davon wissen.“
Er ist der Meinung, dass diese Angriffe als eine weitere Einmischung Israels in den Syrienkrieg gedeutet werden können und weist daraufhin, dass diese Einmischung nur die Position des Irans stärken werde. ( If Israel Did Strike Syrian Arms Facility, It May Have Shot Itself in the Foot, Haaretz, Sep 8 )
Modernes Gleiwitz-4 “Israel“
Der Haaretz -Autor Noa Shpigel schreibt in einem Artikel über die zunehmenden Auseinandersetzungen in Grenznähe, dass Al Nusra die stärkste Kraft unter den Dschihadisten wäre. Er berichtet offen in israelischen Medien darüber, dass Israel nicht zum ersten Mal die Dschihadisten unterstützt. In einem Artikel im Wall Street Journal vom 19. Juni 2017 gibt er im Rahmen eines Interviews über Dschihadisten an, dass diese militärisch und finanziell von Israel unterstützt werden.
Ähnlich schreibt Zvi Barel am 23. Juni 2017 in Haaretz über die militärische und finanzielle Unterstützung der “Aufständischen“ durch Israel. (Israel’s Slow Creep Into the Syrian Civil War)
Israel nutzt Raketenschläge auf unbewohnte Gebiete als Vorwand, um die Stellungen der syrischen Armee zu bombardieren. Eine bessere Unterstützung der Dschihadisten ist kaum vorstellbar. Immer wenn die Dschihadisten in die Enge gedrängt werden, fallen ein paar Raketen in unbewohnten Gebieten und die israelische Luftwaffe schlägt dann zu.
Ein bekanntes Szenario oder nicht?
Modernes Gleiwitz-5 “Hillary Clinton“
Am 16. Oktober behauptete Clinton in einem Interview mit dem US-amerikanischen Sender ABC:
“Assange ist ganz offensichtlich ein Werkzeug russischer Geheimdienste. Und er hat nach ihrer Pfeife getanzt.“
“Es kommen bei WikiLeaks keine negativen Informationen mit schädlicher Wirkung über den Kreml heraus. Nichts dergleichen wird veröffentlicht.“
Sie lügt ohne rot zu werden vor Millionen von Zuschauern und ihre Interviewpartnerin, die renommierte Journalistin Sarah Ferguson, hakt nicht nach, obwohl sie wissen müsste, dass WikiLeaks 800.000 Dokumente über Russland veröffentlicht hatte. Ein Interview ohne kritische Fragen, kein Nachhaken, Behauptungen und Lügen werden stehen gelassen.
Nach der ABC-Ausstrahlung retweetete Sally Neighbour, Fergusons Produktionsleiterin, in siegermanier: „Assange ist Putins Nutte. Wir alle wissen das!“
(https://www.counterpunch.org/2017/10/20/clinton-assange-and-the-war-on-truth/)
Das kennen wir aber schon! Die Chemiewaffen von Saddam usw. Das hat dazu geführt dass der Nahe Osten im Chaos versank und tausende Menschen sterben mussten.
Modernes Gleiwitz-6 “Raketen von Nord Korea“
Trump schimpft und droht Nord Korea wegen ihren Raketentest während US-Dollars als Hilfe in die Ukraine fließen. Jeden Monat das selbe Schauspiel. Als heraus kam, dass die nordkoreanischen Raketen aus der Ukraine stammen, musste es eine Reaktion von Twitter-Nutzer Trump geben. Oder?
Nichts. Weiter mit der Eskalation. Putin hat es wahrscheinlich gewusst und freut sich auf die nächste Folge des Schauspiels.
Modernes Gleiwitz-7 “Rakete auf Saudi Arabien aus Jemen“
Am 4.11.2017 berichteten Medien, dass die saudi-arabische Luftwaffe eigenen Angaben zufolge eine Rakete nordöstlich der Hauptstadt Riad abgefangen habe. Das Geschoss soll demnach aus dem Nachbarland Jemen abgefeuert worden sein. Die Houthi-Rebellen, die weite Teile im Norden des Jemen kontrollieren, reklamierten den Angriff für sich. Mehrere Agenturen verbreiteen die Nachricht. Auch Trump äußerte sich zu dem Vorfall und stellte sich hinter die Saudis.
Vor wenigen Tagen führte die von Saudi-Arabien angeführte Koalition in der jemenitischen Provinz Saada Angriffe, bei denen 29 Menschen starben. Diese Nachricht sucht man vergeblich in den Medien. Ebenso die Vergeltungsschläge der Koalitionskräfte wegen Raketenbeschusses. Die jemenitische Hauptstadt Saana wurde eine Nacht lang bis zum Mittag des folgenden Tages bombardiert.
Die Doppelmoral zeigt sich auch hier, weil einige Herrschaften behauten, sich bedroht zu fühlen und sich dann das Recht nehmen, eine ganze Stadt zu bombardieren und Menschen töten.
Anscheind hat der Westen Probleme damit, seine “Arabischen Nato“ aufzubauen. Das hält ihn aber nicht davon ab, die Krise noch weiter zu vertiefen. Durch einen neuen Krieg zwischen Saudi-Arabien/Iran und Hisbollah/Israel sollen die nächsten Krisenherde geschaffen werden.
Die letzten Ereignisse in Saudi-Arabien (die Verhaftung der Prinzen sowie Beschlagnahme ihres Vermögens) dienen nicht nur als erste Schritte in diese Richtung, sondern sichern dem Königshaus auch enorme finanzielle Gewinne (die Schätzungen belaufen sich auf ca. 800 Milliarden), was wiederum dem Westen gute Geschäfte zusichert. Kurz vor der Verhaftungswelle war Trumps Schwiegersohn bereits zu Besuch, kurz darauf folgte Macron. Wann deutsche Politiker hinmarschieren werden, hängt vom Ergebnis der Koalitionsverhandlungen ab.
Wenn man die jährlichen Militärausgaben einiger Länder betrachtet, werden die Interessen des Westens deutlich. China 210 Milliarden Dollar, Russland 65 Milliarden Dollar, Saudi Arabien 87 Milliarden Dollar (2015). in den kommenden 10 Jahren gehen Experten insgesamt von 400 Milliarden Dollar für Saudi-Arabien aus.
Wenn das die Kassen nicht klingeln lässt!
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Wie schon Hitler am 22. August 1939 in einer Ansprache vor den Oberbefehlshabern der Wehrmacht äußerte:
„Die Auslösung des Konfliktes wird durch eine geeignete Propaganda erfolgen. Die Glaubwürdigkeit ist dabei gleichgültig, im Sieg liegt das Recht.“
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Wenn man eine Lüge/Behauptung oft genug wiederholt, wird die Wahrheit irgendwann nicht mehr von der Lüge zu unterscheiden sein. Wenn man das Kriegsministerium zum Verteidigungsministerium umbenennt, wird die Armee nicht automatisch eine Verteidigungsarmee. Sie müssen nur genug von den friedlichen Missionen und der Verteidigung reden, dann wird es zur Wahrheit, ganz gleich ob es stimmt oder nicht.
Es gibt unzählige Beispiele des Falls Gleiwitz seit 1939, jede begann mit einer Lüge. Wenn die Lüge nach Jahren entlarvt wird, ist sie bereits aus unserem Kurzzeitgedächtnis gelöscht und die Verantwortlichen erfinden ohne Rechenschaft abgeben zu müssen bereits den nächsten Gleiwitz-Fall. Es hat sich schon immer gelohnt, einen guten Kriegsgrund, eine eigene Geschichte zu erfinden. Wie damals 1939. Das nächste Kapitel könnte ohne Übertreibung Modernes Gleiwitz Libanon /Israel-Krieg 201x heißen.
Verfasst für Freiesicht.org