Das Hauptproblem der Imperialisten, der herrschenden türkischen Klassen und der Regierung ist die Neuordnung der Kontra-Guerilla. Keine der Kräfte innerhalb des Staatsapparats hat die Macht die Kontra-Guerilla neu zu ordnen.
General Zekai Aksakallı umarmt einen Dschihadisten…
Das Herzstück des kolonialen Faschismus ist die Kontra-Guerilla*. Wenn die Kontra-Guerilla in eine Krise stürzt, dann stürzt auch das System in eine Krise. Die türkische Kontra-Guerilla befindet sich seit Langem in der Krise. Am 15. Juli 2016 begann der bewaffnete Kampf. Aber die Verhinderung des Putschversuchs konnte die Krise nicht beenden. Der Ursprung der Kontra-Guerilla-Krise ist nicht der Kampf zwischen „ Erdoganisten und Feytullahisten“, vielmehr ist dieser Kampf Ausdruck der Krise der türkischen Kontra-Guerilla.
Die Ursprung der Krise liegt in der Niederlage der Herrschafts-Strategie der USA, die sich mit den „Islamisch Neoliberalen Regierungen” im Nahen Osten verbündet hatte.
Versuchen wir es kurz zu erklären;
Die Kontra-Guerilla in der Türkei ist das organisatorische Zentrum der geheimen Besetzung durch den US-Imperialismus. Die innere Einheit der Kontra-Guerilla ist das imperialistische Zentrum. Die Syrien-Politik des imperialistischen Zentrums ist im Sumpf stecken geblieben. Die, von der Türkei, Saudi Arabien, Katar und Israel unterstützten, Dschihadisten brachten keinen Erfolg und sind außer Kontrolle geraten.
Die USA haben den syrischen Krieg begonnen, aber nun die Chance den Krieg zu gewinnen verloren und dabei die Fähigkeit der Beherrschung der Dschihadisten, die sie in den Krieg geführt hatten, aus der Hand gegeben. Diese strategische Erschütterung der USA hat die türkische Kontra-Guerilla durcheinander gebracht. Der Flickenteppich „ Neoliberale – Islamische – Kontra-Guerilla“ ist zerrissen und in mehrere Machtbereiche zerfallen.
Die Gruppierungen der Kontra-Guerilla – dutzende dschihadistische, rassistische, scharia-istische und bürokratische sowie mafiöse Banden – eröffnen ein neues Jagdgebiet für innere und äußere Manipulationen.
Die Ermordung des Diplomaten Karlov zeigt, wie die Basis der dschihadistisch-faschistischen Struktur der Kontra-Guerilla zum Problem geworden ist.
„Die Massen“, die noch ein paar Tage zuvor von der Palast-Regierung zu den russischen Konsulaten geschickt worden waren, hatten protestiert und gerufen „In Aleppo findet ein Massaker statt“. Am nächsten Tag, dem Tag der Ermordung von Karlov, standen sie wieder vor denselben Konsulaten. Dieses Mal in Anzüge gekleidet, mussten sie in einer Schlange anstehen, um Beileid zu wünschen. (Auch wenn sie das, was sie am Vortag ausgespuckt hatten, nun, einen Tag später ablecken mussten.)
Der pöbelnde „Führer“: „Wir sind in Syrien einmarschiert, um Assad zu stürzen“, unterschrieb schließlich eine Erklärung, in der er die „Konfessionsfreie, laizistische Syrisch-Arabische Republik“ anerkennt. Gemäß den heuchlerischen Aussagen des Palast-Regimes, wurden die Beziehungen zwischen der Türkei und Russland nach der Ermordung von Karlov gestärkt. Aber uns zeigt sich ein anderes Bild: die wegen der Aleppo-Operation angespannte, negative Haltung der Türkei gegenüber Russland, musste aufgegeben werden (aufgrund der Ermordung Karlovs – Anmerk.d.Übersetzers). Nachdem Erdogan sich Russland (und Assad) ergeben hatte, wurde der nun bettelnde Erdogan von Putin „sanft in Gefangenschaft genommen“.
Man kann nicht sagen, dass der Mord, der Erdogan vor die Füße Putins geworfen hat, im Palast geplant worden war.
Dieser Mord ist der nach außen sichtbare Teil der inneren Krise der Kontra-Guerilla, die wir oben kurz beschrieben haben. Es ist nicht wichtig, ob oder von wem (USA, IS, Iran, Israel) der Täter, dessen Verbindung zu El Nusra offensichtlich ist, manipuliert wurde. Wichtig ist, dass die türkische Kontra-Guerilla, aufgrund ihrer Spaltung, nun jederzeit durch Beeinflussung/Manipulation zum Auslöser einer großen, politischen Krise werden kann.
Erdogan will die Schwäche, die sich durch seine „private“ Justiz, den Geheimdienst, die Polizei bis hin zu den türkischen Streitkräften zieht, ausmerzen; selbst angezettelte, innere wie äußere Kriege als Oberbefehlshaber führen; und schließlich seinen Machtapparat disziplinieren und „neu ordnen“.
Es sieht nicht danach aus, dass die herrschenden Klassen ein anderes Programm zur Neuordnung in der Hand haben.
Das Hauptproblem der Imperialisten, der herrschenden türkischen Klassen und der Regierung ist die Neuordnung der Kontra-Guerilla. Keine der Kräfte innerhalb des Staatsapparats hat die Macht, die Kontra-Guerilla neu zu ordnen.
Für die Schaffung der von Erdogan und den ihn umgebenden Kumpanen, beschworenen „Ordnung“, gibt es drei mögliche Szenarien:
Erstens, Der historische Patron der Kontra-Guerilla (USA) ergreift die Initiative und lässt die türkischen Sicherheitskräfte putschen. (Obwohl es momentan keine Militärclique gibt, die so eine Operation erfolgreich durchführen kann, bedeutet das nicht, dass nicht so eine Clique geschaffen werden kann.)
Zweitens, Ein breites Bündnis aller demokratischen Kräfte, mit dem Programm zur Liquidation der Diktatur und der Kontra-Guerilla, welches diesen Machtkampf führt und gewinnt. (Das größte Hindernis ist die CHP sowie ein Großteil der Basis dieser Partei, die damit argumentieren „den Staat, das System schützen und bewahren“ zu wollen.)
Drittens, Diktatur à la Nahost, Bürgerkrieg, aufeinander folgende Militärjuntas, mit Putschen, chronischem Chaos und Zerstörungsprozessen. Das wahre „politische Programm“ von Erdogan und seinen Kumpanen sind die Sicherung und der Erhalt ihrer Macht. Durch dieses politische Programm hält Erdogan sich zwar an der Spitze der Macht, errichtet aber keine „Schutzmauer“.
Die Frage ist, ob wir uns der mehrmals geflickten Kontra-Guerilla-Armee von Erdogan ergeben. Wir stehen einem Chaos gegenüber, das wir nur durch den Widerstand aller demokratischen Kräfte besiegen können.
Übersetzt aus dem Türkischen von Safo Can /HH
*Der Begriff Kontra-Guerilla oder auch „Tiefer Staat“ (türkisch: derin devlet) bedeutet „Staat im Staate“ und bezieht sich auf eine im Verlauf mehrerer Jahrzehnte gewachsene konspirative Verflechtung von Militär, Geheimdiensten, Politik, Justiz, Verwaltung, Rechtsextremismus und organisiertem Verbrechen (insbesondere Killerkommandos).
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