Gideon Levy (* 1953 in Tel Aviv) ist ein israelischer Journalist, der seit 1982 für die linksgerichtete Tageszeitung Haaretz schreibt. Er ist ein scharfer Kritiker der israelischen Besatzungspolitik in Palästina und des Zionismus. Am 20. Januar 2017 erschien folgender Artikel von ihm.
“Tötet sie, sie sind Freiwild“
Für die meisten jüdischen Israelis sind Araber keine uns gleichgestellten, menschlichen Wesen. Diese „Entmenschlichung“ macht Soldaten und Polizei schießfreudig – Palästinenser und israelische Araber sind Freiwild. Sie sind Freiwild in den besetzten Gebieten und sie sind Freiwild in Israel. Sie sind Freiwild, weil ihr Blut nichts wert ist. Es ist nichts wert in Umm al-Hiran und es ist nichts wert am Tulkarm Checkpoint. Es ist nichts wert auf Baustellen und es ist nichts wert an den Straßensperren.
Wenn die getöteten Menschen Araber sind, dann ist es allen egal. Wenn jedoch ein Soldat bei einem Unfall stirbt, dann sind das Nachrichten auf der Titelseite. Aber wenn ein Palästinenser getötet wird, während er gerade zu Hause aufwacht, dann ist es allen egal. Nicht einer der getöteten Menschen, wäre in den letzten Tagen erschossen worden, wäre er nicht Palästinenser oder Beduine gewesen. Es ist fraglich, ob jeder von ihnen es verdiente zu sterben.
War dieses Töten im großen Stil beabsichtigt, um von einer anderen Geschichte abzulenken, wie es in Israel schon früher passiert ist und in düsteren Regimen üblich ist? Es ist schwer zu sagen. Aber es ist leicht mit Sicherheit zu sagen: Sie sind Freiwild. Sie waren Freiwild am Mittwoch in der Negev. Siehe da! Zionismus 2017 – Zerstörung eines Flüchtlingscamps von Beduinen, um dafür eine jüdische Siedlung zu errichten.
Das ist die grundlegende zionistische Gewalt; nationalistisch und rassistisch. Vergleicht man diesen Fall mit dem Amona-Außenposten, dann hat man den perfekten Beweis für Apartheid: Verhandlungen und Kompensationen für Juden, Gewalt für Araber. Bei keiner Zwangsräumung von Juden, hätte die Polizei einfach drauflos geschossen. In Umm al-Hiran ist es erlaubt. Es ist auch erlaubt den Fraktionsvorsitzenden der Gemeinsamen Liste (Joint List) Ayman Odeh zu verwunden, denn die Polizei wurde geschult zu denken, dass arabische Knesset-Abgeordnete Verräter sind. Das ist, was sie von ihrem Minister für öffentliche Sicherheit, Gilad Erdan, gehört haben.
Yakub Abu al-Kiyan, ein Lehrer, wurde in seinem Auto erschossen, weil er angeblich absichtlich Polizisten rammte. Sofort verbreiteten die Behörden ihre Lügen über ihn. Sie sagten er wäre mit dem Islamischen Staat verbandelt und hätte vier Ehefrauen. (Das Knesset-Mitglied Ahmad Tipi sagt, dass Abu al-Kiyans einzige Ehefrau einen Doktortitel in Philosophie hat, während sein Bruder Inspektor im Bildungsministerium ist). Wie kann danach irgendwer der Polizei noch glauben, die eilig behauptete, er hätte mit Absicht Polizisten überfahren?…
Aber den Ereignissen in Umm al-Hiran ging während der letzten Woche soviel voraus. Im Fara Flüchtlingscamp töteten Soldaten einen Mann, der gerade erst aufgewacht war; 11 Kugeln aus nächster Nähe, vor seiner Mutter; die Soldaten sagen, er hätte versucht sie anzugreifen. Mohammed al-Salahi war der einzige Sohn, er lebte zusammen mit seiner Mutter in einem Zimmer.
Übersetzt für freiesicht.org von I.Biber/HH
Quelle:
http://www.haaretz.com/opinion/.premium-1.765915