Es ist keine Überraschung, was im Senat geschah. Niemand, außer denen, die den manipulativen Berichten – wie „einige Paragraphen könnten die erforderlichen 330 Stimmen nicht erhalten“ – der gleichgeschalteten Marionetten Glauben schenken, hatte ein anderes Ergebnis erwartet.
Die Abgeordneten des Regierungsblocks haben für die Präsidial-Verfassung gestimmt und ihre Würde wie auch die des Senats schwer beschädigt. Sie haben nicht nur Verfassungsnormen und Gewohnheitsrecht mit Füßen getreten, sondern auch die Abgeordneten, die das bestehende System beibehalten wollen, verbal und physisch attackiert.
Dieser Vorgang, von dem wir Zeuge geworden sind, wird als eine der bittersten Episoden in die Senatsgeschichte eingehen. Wir werden es nicht vergessen! So wie wir diejenigen, die bei der Abstimmung zur Hinrichtungsentscheidung von Deniz Gezmis und anderen die Hände hoch hielten; diejenigen, die nach dem 12. März 1972 die Verfassung beschnitten haben und auch diejenigen, die die Evren-Verfassung vom 12. September 1980 unterschrieben haben, nicht vergessen haben!
Und so werden wir auch diejenigen nicht vergessen, die, um das Ein-Mann-Regime zu retten, dem Senat den Stoß versetzt haben.
Von nun an liegt die Verantwortung, sich gegen den Systemwechsel zu stellen, bei dem türkischen Volk. Bis zum Referendum müssen wir die Strategie und Taktik des Regierungsblocks genau analysieren, um unsere Vorgehensweise darauf abstimmen zu können:
Ist das Kapital für “Ja“?
Die Medien des Kapitals sind der Rammbock der Regierung. Der Regierungsblock plant, dass das Kapital ausnahmslos “Ja“ sagt. Deshalb werden, unter dem Vorwand der “nationalen Sicherheit“ mithilfe des Ausnahmezustands, Streiks verboten und eine Neuordnung zu Gunsten des Kapitals, inklusive der Änderung des Auftragsvergabeverfahrens, geschaffen.
Bei dem Referendum wird das Großkapital, trotz einiger Beschwerden, nicht „nein“ sagen. Obwohl sie mit der Willkür des Palastes nicht einverstanden sind, werden sie, ohne Aussicht auf eine für sie bessere Alternative, nichts riskieren.
Für kleine und mittelständische Unternehmen stellen die wirtschaftlichen Maßnahmen der Regierung, als “erfreuliche Mitteilung“ bezeichnet, jedoch keine Verbesserung dar. Die von Insolvenz betroffenen Betriebe haben keinen Grund, sich für das Präsidial-System zu begeistern. Die Propaganda – “die Präsidentschaft wird Wohlhaben und Aufschwung bringen“ – wird bei ihnen nicht erfolgreich sein.
Die Arbeitslosenzahlen und der Kursverfall der türkischen Lira zeigen die Widersprüche des Regierungsblocks und müssen von der demokratischen Opposition immer wieder mit Nachdruck konstatiert werden.
Wie stabil ist der “rechte Block“?
Die Palast-AKP/MHP-Koalition behauptet das gesamte rechte Spektrum zu vertreten und rechnet damit, dass alle mit “ja“ stimmen. So einfach wird es nicht. Die Saadet Partei hat bereits angekündigt, dass sie mit “nein“ stimmen wird¸ auch einige der Basis der BBP-Partei werden bestimmt “nein“ sagen. Das rechte Spektrum, das die AKP und die MHP unterstützt hatte, wird bis zum Referendum in einer „Warteschleife“ bleiben. Der Regierungsblock wird versuchen das rechte Spektrum mit entsprechenden Erklärungen zu überzeugen. Er wird versuchen durch zunehmende Manipulationen, ein Gefühl der Bedrohung zu erzeugen und somit das “Sicherheitsargument“ zu stärken. Ihr erinnert euch an die Märchen, die nach dem 7. Juni 2015 erzählt wurden. Bei den darauf folgenden Wahlen im Oktober 2015, gab es Menschen, die diese glaubten. Was wir seitdem erlebt haben, zeigt, dass dieses Stabilitätsmärchen nichts anderes, als ein dunkler Tunnel ist.
Die Spaltung der „Nein“-Sager.
Der Regierungsblock wird, um das „ja“ zu sichern, den dunklen Mächten des Staates zuzwinkern. Bei der Basis der CHP wird es keine Abgänge geben. Aber es wird versucht werden den Anschein zu erwecken, dass zwischen CHP und HDP eine „Nicht Nationale“ Zusammenarbeit bestünde, um den Argwohn der Kemalisten zu wecken und diese Thematik wieder auf deren Tagesordnung zu setzen.
Deshalb ist es notwendig, dass CHP und HDP Kampagnen führen, um ihre Basis wach und aktiv zu halten.
Weiterhin rechnet die AKP damit, sich die kurdischen „ja“ Stimmen derer, die nicht die HDP wählen, zu sichern. Die AKP geht davon aus, die, für islamische Propaganda offenen, kurdischen Gruppen leicht zur Abgabe einer „ja“-Stimme bewegen zu können. Der Koalitionspartner der AKP, die MHP wird dieses Vorhaben jedoch erschweren. Man muss die kurdischen Wähler darauf aufmerksam machen, dass mit der „ja“-Stimme nicht nur das „Ein-Mann-System“, sondern auch eine “Neue Nationale Front“ geschaffen wird.
Der Wendepunkt.
Der Regierungsblock wird diesen Prozess aggressiv und angriffslustig gestalten. Sie werden behaupten, dass bei einem „nein“ das Chaos ausbrechen würde. Tatsächlich ist aber das System das Chaos; sich dem “Ein Mann System“ zu ergeben, würde bedeuten, dass Willkür die Norm wird.
Sie wissen, dass sie die Präsidentschaft noch nicht in der Tasche haben! Trotz der Unterdrückung und Drohungen sind die Kräfte der „nein“-Sager zur Verfassungsänderung viel stärker. Mehrheitlich sind Frauen und Jugendliche gegen das „Ein-Mann-System“, denn sie wissen, dass Freiheit nicht die „dritte Brücke“, nicht der „Avrasya Tunnel“ ist, sondern nur durch den Kampf erreicht werden kann.
Sie haben sich bei den Gezi-Protesten, in den Foren, in den Stadtteilkomitees, bei Streiks für die Demokratie engagiert. Sie werden den Laizismus und die Bürgerrechte gegen die islamische- und gegen die Staatsgewalt verteidigen.
Sie werden ihre Ziele nicht wütend, sondern mit einem Lächeln und nicht ängstlich, sondern mit Selbstvertrauen erklären. Wir alle werden unsere Aufgaben erfüllen. Und vergesst dabei nicht: das “Nein“ ist nicht nur eine strategische Front, sondern auch der erste Schritt für den Aufbau einer freien und gerechten Zukunft!
*die Überschrift des Artikels wurde geändert
Übersetzt aus dem Türkischen für Freiesicht.org s/hh
Quelle:
http://www.birgun.net/haber-detay/hayir-gulerek-guvenerek-guclenerek-144134.html