Um den unverdeckten Charakter des Neoliberalismus kennenzulernen, lohnt sich wie immer ein Blick nach Südamerika. Der brutale Militärputsch 1973 in Chile war der Startschuss für die weltweite Durchsetzung der neoliberalen Agenda.
In Südamerika geht man bei der Umsetzung der neoliberalen Ideologie mit weniger Skrupel vor als in den westlichen Industriestaaten. Wie auch der kalte Putsch der alten brasilianischen Eliten unter Führung des Michel Temer gegen die gewählte Präsidentin Dilma Rousseff verdeutlicht hat, zählen demokratische Prinzipien bei der Durchsetzung der neoliberalen Agenda wenig. Nun, da sich dagegen massiver Widerstand aus der Bevölkerung regt, lässt Temer das Militär aufmarschieren.
Die Durchsetzung des Neoliberalismus im ehemaligen Ostblock und Russland ist ein weiteres Thema. Diese wurde dort nicht minder radikal durchgeführt, ging aber mit Ausnahme Russlands ohne militärische Gewalt vonstatten. In Russland löste der damalige Präsident Jelzin 1993 das Parlament, das sich seinen neoliberalen Wirtschaftsreformen widersetzt hatte, ohne Rechtsgrundlage auf. Das verfassungskonform gegen ihn angestrengte Amtsenthebungsverfahren ignorierte Jelzin und ließ den Widerstand gegen seine neoliberale Reformpolitik mit Panzern zusammenschießen.
Es wäre allerdings eine Illusion, zu glauben, für die herrschenden Eliten der „westlichen“ Industriestaaten wäre Gewalt keine Option. Man erinnere sich beispielsweise an die Niederknüppelung der Proteste gegen den G8-Gipfel in Genua 2001, inklusive der Erschießung des 23-jährigen Carlo Giuliani und der Folterungen von Verhafteten oder an das massive Polizeiaufgebot anlässlich der Blockupy-Proteste gegen die Eröffnung der EZB-Zentrale in Frankfurt.
Ganz zu schweigen von der immer weiter fortschreitenden Überwachung und der damit einhergehenden Einschränkung der bürgerlichen Freiheitsrechte unter dem Deckmantel des „Krieges gegen den Terror“.
Die Ankündigung des neuen Präsidenten Frankreichs, Emanuel Macron, die geplanten „Reformen“ notfalls über den Ausnahmezustand und per Dekret durchzusetzen, spricht ebenfalls für sich. Zudem sei die Frage wiederholt, ob das Hartz-IV-System, dass täglich Millionen Bürger einer demütigenden und erniedrigenden Behandlung aussetzt, mit dem klaren Ziel, Angst zu verbreiten, keine Gewalt gegen die Betroffenen darstellt.
Es muss verstanden werden: Eine Politik, die sich gegen die Interessen der überwiegenden Mehrheit der Menschen richtet, kann nicht ohne offene oder verdeckte Gewalt durchgesetzt werden.