Vor 25 Jahren hatte ich meine erste persönliche Erfahrung mit Krebs. Meine Nichte Berna hatte Leukämie. Sie war wegen einer einfachen Erkältung zu ihrer Hausärztin gegangen, die üblichen Untersuchungen wurden durchgeführt: Blutabnahme, Verschreibung eines Medikaments…
Abends rief die Ärztin mich auf der Arbeit an und sagte, dass wir sofort mit Berna zum Krankenhaus kommen sollen, sie habe schon einen Termin gemacht und die Ergebnisse der Blutproben weitergeleitet. Der schlimme Verdacht bestätigte sich; Berna verlor nach 8 Monaten den Kampf gegen den Krebs und starb.
22 Jahre nach meiner ersten Begegnung mit dieser Krankheit, bekam ein Freund die Diagnose Darmkrebs gestellt, auch hier völlig unerwartet im Rahmen einer Routineuntersuchung. Nach unzähligen Operationen, diversen Chemo-Therapien, Bestrahlungen haben wir ihn nach 3,5 jährigem Kampf verloren, er wurde 54 Jahr alt.
Die Frage ist, wie gehen wir mit tödlich erkrankten Menschen um?
Es gibt nichts blöderes als einen Todkranken zu fragen „wie geht es dir?“
Ich persönlich könnte diese Frage nicht beantworten. Es ist aber anscheinend vielen Menschen nicht möglich, anstelle der üblichen Alibi-Fragen, ein direktes Gespräch mit den Betroffenen zu führen.
Als meine Nichte im Krankenhaus lag, fragte ein 9-jähriges Mädchen ihren Vater „Papa ist das das Mädchen, das sterben wird?“
Dadurch wurde mir die traurige Tatsache zum ersten Mal wirklich klar: das kleine Mädchen wusste es, Berna wusste es, ich wusste es, die Arzte wussten es…..
aber keine wusste, wie man damit umgehen sollte.
Wenn man Monate oder sogar Jahre mit dem Wissen „das Ende naht“ leiden muss, ist es schwierig einen klaren Kopf zu bewahren. Die verzweifelte Suche nach Methoden, Medikamenten und Heilmitteln ermüdet nicht nur den kranken Menschen sondern auch die Angehörigen.
Nun kommen wir zu meinem Anliegen….
der taktlose Umgang einiger Leute mit todkranken Menschen.
Viele Menschen wissen nicht wie sie sich gegenüber einem bald sterbenden Menschen verhalten sollen. Kaum sind sie damit konfrontiert, bedienen sie sich der üblichen Methoden. Sie setzen sich nicht mit der Situation auseinander, aber sie berichten von unzähligen Erfahrungen, die sie meist nicht einmal selbst gemacht haben, sondern irgendjemand anderes. Es werden sinnlose, häufig regelrecht absurde Ratschläge gegeben. Die Liste umfasst diverse Methoden der Krebsbehandlung, Medikamente und schließlich Allheilmittel, die es teilweise in der BRD gar nicht gibt, die jedoch im TV bzw. den sozialen Medien beworben werden: z.B. Bittermandeln, gemahlene Olivenkerne, Walnüsse, Ananas, Brokkoli, Tomaten, Zitronen, dieses und jenes Kraut und Unkraut …..
Es wird gepostet was das Zeug hält, scheinbar in guter Absicht. Irgendjemand schreibt was und verschönert es mit Bildern. Egal ob eine wissenschaftliche Studie vorliegt oder die Veröffentlichungen einen kommerziellen Hintergrund haben, die Post geht ab.
Aber wer macht sich Gedanken über die Gefühle und Hoffnungen, die bei den Betroffenen und deren Angehörigen ausgelöst werden?
Durch das Internet zu „Experten“ geworden, lassen sich die Leute nicht mehr beirren. Sie beharren auf der Richtigkeit „ihrer“ Informationen, die sie den Veröffentlichungen unbekannter Hintermänner entnommen haben. Es wir nichts hinterfragt oder gar angezweifelt. Es wird auch nicht gefragt, ob der Betroffene oder dessen Angehörige sowas hören, sehen oder lesen wollen.
Wenn jemand „Dr. Google“ bezüglich irgendwelcher Krankheiten konsultieren möchten, dann kann er/sie das von mir aus tun. Aber die erstbesten Treffer der Suchmaschine zu kopieren und als Wahrheit zu posten geht gar nicht.
Es ist nicht vermeintliche Sachkenntnis gefragt, sondern Mitgefühl und das offene, direkte Gespräch mit den Betroffenen.
Und manchmal sagt Schweigen mehr als das Wort…
s/hh