Der folgende Artikel von Maria Paez Victor erschien bereits am 31.03.2017, also einen Tag bevor der Oberste Gerichtshof am 1. April’17 seine Urteile zum Entzug der gesetzgeberischen Befugnisse des Parlaments und zur Aufhebung der Immunität der Abgeordneten wieder zurücknahm. Wir haben den Artikel trotzdem übersetzt und veröffentlichen ihn, da in den deutschsprachigen Medien kaum Informationen – außer der üblichen Meinungsmache – zu finden sind, und freiesicht.org hier die „andere Sicht“ auf die Geschehnisse in Venezuela zu Wort kommen lassen möchte.(FreieSicht.org)
Fake News, als ein US-Kriegswerkzeug zur Destabilisierung, zur Förderung eines Staatsstreichs, um Regierungen – die die USA ablehnen – zu Fall zu bringen, gibt es schon sehr lange. Nichts neues.
Die Machthaber und die Mainstream-Medien überschlagen sich gerade dabei zu behaupten, dass Venezuela nun eine Alleinherrschaft „one-man rule“ sei. Aber: in welcher modernen Demokratie kann ein Parlament Personen als wahlberechtigte Mitglieder akzeptieren, die NICHT rechtmäßig gewählt worden sind, da die Abstimmungsverfahren in ihren Bezirken bewiesenermaßen grobe Unregelmäßigkeiten aufwiesen? Wie können Entscheidungen dieses Parlaments, von dem diese nicht-gewählten Personen anerkannt werden und in dem sie beteiligt sind, in irgendeiner Form rechtmäßige Parlamentsbeschlüsse sein?
Das ist die Situation in der sich die Nationalversammlung von Venezuela, in der die Opposition in der Mehrheit ist, befindet.
Am 28. Juli 2016 vereidigte die Nationalversammlung drei Personen als Abgeordnete, die vom Obersten Gerichtshof (TSJ -Venezuela Supreme Court) aufgrund laufender Untersuchungen bezüglich grober Unregelmäßigkeiten inklusive Stimmenkaufs in ihrem Bezirk – Distrikt Amazonas – suspendiert worden waren. Es existieren Mitschnitte von Telefonaten eines hochrangigen Mitglieds dieser Bezirksregierung, in denen er Personenkreisen beträchtliche Geldsummen für ihre Wahlstimmen für den Oppositionskandidaten anbietet.
Die Nationalversammlung ignorierte und verstieß gegen das Urteil des Obersten Gerichtshofs, diese Personen zu suspendieren und setzte, so als liefe alles den gewohnten Gang, die Legislatur fort. Aus diesem Grund erließ der Oberste Gerichtshof am 28. März 2017 einen Beschluss, das er vorläufig, bis zur Beendigung des Sachverhalts der Missachtung des Gerichts, d.h. bis diese drei Abgeordneten entfernt worden sind, die Aufgaben der Nationalversammlung übernehmen wird. Dies geschieht in Übereinstimmung mit Artikel 336.7 der venezuelanischen Verfassung, die es dem Obersten Gerichtshof erlaubt, im Fall einer verfassungswidrigen parlamentarischen Unterlassung, korrigierende Maßnahmen zu ergreifen (1).
Am 28. März 2017 rief Luis Almagro, Direktor der Organization of American States (OAS), mit der Behauptung, dass demokratische Grundsätze verletzt werden würden, dazu auf, Venezuela vom OAS zu suspendieren, welches den Weg für ausländische Interventionen in Venezuela frei macht. Dies ist die gleiche OAS, die bei dem parlamentarischen Staatsstreich in Brasilien und in Paraguay sowie dem Staatsstreich in Honduras stumm blieb; die geschwiegen hat zu den abscheulichen Anschlägen auf Studenten und Journalisten in Mexiko, wie auch zu der großen Zahl von Menschenrechtsverletzungen an Gewerkschaftern in Kolumbien.
Die venezuelanischen Abgeordneten unterstützten öffentlich diesen ungeheuerlichen Vorschlag. Der vermeintliche – und illegitime – Präsident der Nationalversammlung, Julio Borges, erklärte öffentlich, in Unterstützung von Almagro, dass die Nationalversammlung „in offener Rebellion“ sei und dass sie den Obersten Gerichtshof nicht anerkennen werde. (2) Almagro scheiterte, da er eine derartige Entscheidung nicht bei der OAS durchbringen konnte.
Der Oberste Gerichtshof teilte den Abgeordneten mit, dass sie für Verrat vor Gericht gestellt werden können, da Artikel 132 des venezuelanischen Strafgesetzbuchs es Bürgern verbietet um Intervention von außen in Venezuelanische Innenpolitik zu ersuchen. Weiterhin erinnerte er sie daran, dass sie rechtlich keine parlamentarische Immunität genießen, während die Nationalversammlung wegen Missachtung des Gerichtshofs belangt wird.
Was würde in Großbritannien, Kanada oder den USA passieren, wenn sich deren Abgeordnete öffentlich dem Obersten Gerichtshof widersetzen würden und darauf bestehen würden Personen zu vereidigen, die nicht ordnungsgemäß und rechtmäßig gewählt worden sind und die Gegenstand eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens sind? Würde die Presse dann sagen, dass in diesen Ländern eine Diktatur herrscht? Was wird aus der Rechtsstaatlichkeit, wenn die Urteile eines Obersten Gerichtshofs vom Parlament ignoriert werden?
Die Rechtmäßigkeit dieser Vorgänge wird von Leuten wie Almagro und den rechtsgerichteten Regierungen der Region, die schamlos die Aufträge Washingtons ausführen und Venezuela verleumden, ignoriert. Tatsächlich hat der Oberste Gerichtshof von Venezuela versucht die Nationalversammlung dazu zu bewegen mit der Exekutive zu kooperieren, um gemeinsam nach Lösungen für die ernste ökonomische Situation des Landes zu suchen.
Venezuela sollte für die Verteidigung der Rechtsstaatlichkeit gelobt werden und nicht mit bösartigen fake news verleumdet werden. Aber Venezuelas Regierung sitzt auf den größten Ölreserven der Hemisphäre und lehnt die Politik des kannibalischen, neo-liberalen Kapitalismus ab. Also ist es für das US Außenministerium und seine Verbündeten und die gierigen Konzerne klar, dass Venezuela in Schwierigkeiten gebracht werden muss, abgesetzt und verunglimpft werden muss.
Notes.
[1] Rachel Boothroyd Rojas, Venezuela’s Supreme Court to Temporarily Assume Role of the National Assembly, www.venezuelanalysis.com/news/13013
[2] Alba Ciudad, Frente al desacato de la Asamble Nacional: hay golpe de estado en Venezuela? www.aporrea.org/actualidad/n306327.html
María Páez Victor, Ph.D. ist eine in Venezuela geborene Soziologin, die in Kanada lebt.
Übersetzt aus dem Englischen von freiesicht.org
Quelle:
Fake News: Venezuela Upholds Rule of Law, But Press Calls It Dictatorship