Patrice Emery Lumumba (* 2. Juli 1925 in Katako-Kombé (Kasai); † 17. Januar 1961 in der Provinz Katanga) war afrikanischer Politiker und von 1960 bis 1961 erster Ministerpräsident des unabhängigen Kongo (zuvor: Belgisch-Kongo, später: Zaire, heute: Demokratische Republik Kongo).
Lumumbas Geburtsname ist Tasumbu Tawosa. Erst später nannte man ihn Lumumba, was “Aufrührerische Massen” heißt. Wegen seines Verhaltens musste er die Schule verlassen, dennoch konnte er in Stanleyville eine Laufbahn bei der Post beginnen. Wegen Veruntreuung verbüßte er eine Gefängnisstrafe. Danach heiratete er seine Freundin Pauline, mit der er zwei Söhne hatte, Rudolf und Francois.
Lumumba trat 1959 als Mitbegründer der Kongolesischen Unabhängigkeitsbewegung in Erscheinung, in der er bald eine führende Position einnehmen sollte. Als deren Wortführer wurde er im Oktober 1959 verhaftet und gefoltert (Entlassung am 25. Januar 1960).
In den ersten Parlamentswahlen vom 25. Mai 1960 ging Lumumbas Partei, der Mouvement National Congolais (MNC) als stärkste politische Kraft hervor. Als am 30. Juni 1960 der Kongo seine Unabhängigkeit von Belgien erlangte, wurde Lumumba – trotz großem Widerstand der weißen Siedler und der führenden Oberschicht des Landes – erster Ministerpräsident der in die Freiheit entlassenen jungen Republik. Das Amt des Staatspräsidenten ging an Joseph Kasavubu (1910-1969; im Amt von 1960-1965).
Schon während des Festaktes zur Unabhängigkeitsfeier trat Lumumba als entschiedener Verfechter afrikanischer Freiheit und Würde hervor. In einer flammenden Rede widersprach er dem belgischen König Baudouin I. (1930-1993), der die »Errungenschaften« und die »zivilisatorischen Verdienste« der Kolonialherrschaft belobigte. Lumumba widersprach in Anwesenheit des Königs und der versammelten Honoratioren aus dem In- und Ausland dieser Geschichtsauffassung und prangerte in einer Widerrede die Unterdrückung, Missachtung und Ausbeutung durch die belgische Kolonialverwaltung an.
An König Baudouin gewandt, brandmarkte er die achtzig Jahre »erniedrigender Sklaverei, die uns mit Gewalt auferlegt wurde. […] Wir haben zermürbende Arbeit kennengelernt und mussten sie für einen Lohn erbringen, der es uns nicht gestattete, den Hunger zu vertreiben, uns zu kleiden oder in anständigen Verhältnissen zu wohnen oder unsere Kinder als geliebte Wesen großzuziehen. […] Wir kennen Spott, Beleidigungen, Schläge, die morgens, mittags und nachts unablässig ausgeteilt wurden, weil wir Neger waren. […] Wir haben erlebt, wie unser Land im Namen von angeblich rechtmäßigen Gesetzen aufgeteilt wurde, die tatsächlich nur besagen, dass das Recht mit dem Stärkeren ist. […] Wir werden die Massaker nicht vergessen, in denen so viele umgekommen sind, und ebensowenig die Zellen, in die jene geworfen wurden, die sich einem Regime der Unterdrückung und Ausbeutung nicht unterwerfen wollten«. Nach dem Diskurs wollte König Baudouin sofort Kongo verlassen, doch seine Minister rieten ihm, aus Höflichkeit zum Abschlussdiner zu bleiben. Bei diesem Diner versuchte Lumumba, König Baudouin mit einer Lobrede über Belgien zu trösten.
In der Tat entließen die Belgier den Kongo völlig unvorbereitet und überstürzt in die Unabhängigkeit. Während der Kolonialzeit scherte sich das »Mutterland« kaum um gerechte Zustände, soziale Wohlfahrt, medizinische Versorgung oder das Bildungssystem. Es gab keine afrikanischen Offiziere, im gesamten Staatsdienst waren nur drei Afrikaner in leitenden Positionen tätig und landesweit gab es lediglich 30 Kongolesen mit akademischer Ausbildung. Dafür waren die belgischen und westlichen Investitionen in die Mineral- und Agrarressourcen des Kongo (Uran, Kupfer, Gold, Zinn, Cobalt, Diamanten, Mangan, Zink, Baumwolle, Edelholz, Kautschuk, Palmöl) umso größer. Diese immensen Investitionen auf wirtschaftlicher Ebene einerseits und die bewusste Vernachlässigung der menschlichen Ressourcen, des Bildungssystems und der sozialen Institutionen andererseits verschafften den Kolonialherren die Möglichkeit, das Land auch nach der Unabhängigkeit faktisch unter Kontrolle zu halten. Lumumba aber sahen die Belgier als eine Gefahr an; er als Sozialist wollte die reichen Bergbau- und Plantagen-Gesellschaften verstaatlichen. Der Belgische Staat übte auf die Medien Druck aus, um das Image Lumumbas zu ruinieren. Die belgische Presse bezeichnete ihn als Kommunisten und Anti-Weißen, was er immer zurückwies. Eine deutsche Zeitungskarikatur bezeichnete Lumumba sogar als Negerpremier. Nach seinem Tod lautete der Titel einer belgischen Zeitung „der Tod des Satans“ (la mort de Satan).
In vielen Gegenden des großen Flächenstaates herrschten schon unter belgischer Verwaltung desolate und anomische Zustände, die alsbald zu sezessionistischen Bestrebungen führten, namentlich in der an Rohstoffen reichen Südprovinz Katanga, die sich unmittelbar vor der Unabhängigkeit des Kongo unter Moïse Tshombé (1919-1969) von der Zentralgewalt lossagte (29. Mai 1960), die damit verbundene Sezession sogleich aber wieder zurückzog, um sie am 11. Juli 1960 dann doch noch zu vollziehen.
Lumumba versuchte, die heterogenen Kräfte zu einen, die Einheit des Landes zu bewahren und seine Partei, die als einzige in allen Provinzen vertreten war, zu einer einheitlichen nationalen Bewegung nach dem Vorbild Ghanas (vgl. Kwame Nkrumah) aufzubauen. Dem standen die im Kongo verbliebenen Weißen (Siedler, Geschäftsleute und die nach wie vor unter der Führung von belgischen Offizieren stehende Armee), aber auch die Großmacht USA entgegen. Zur Rechtfertigung ihres Widerstands gegen Lumumba bezichtigten sie diesen des Kommunismus und unterstellten ihm, dass er das Land dem Einflussbereich der Sowjetunion zuzuführen beabsichtigte.
Am 12. Juli 1960 begab sich Lumumba in die abtrünnige Provinz Katanga. Dort stationierte belgische Truppen verweigerten ihm jedoch die Landeerlaubnis. Lumumba und Staatschef Kasavubu ersuchten darauf die UNO und deren Generalsekretär Dag Hammarskjöld um Hilfe an und erklärten den Krieg mit Belgien. Belgien verstärkte darauf seine Truppenpräsenz in Katanga, dieweil die UNO erste Verbände nach Léopoldville (heute: Kinshasa) entsandte. Diese begannen auf Veranlassung der USA sogleich mit der Entwaffnung der kongolesischen Armee und erhoben das UN-Oberkommando und die US-Botschaft zum eigentlichen Machtzentrum im Lande.
In dieser Situation innerer Wirrnisse verbündete sich Staatspräsident Joseph Kasavubu mit Oberst Joseph Mobutu, einem früheren Weggefährten Lumumbas, unter Anführung der USA gegen Lumumba. Dieser wurde am 5. September 1960 auf Drängen der USA aus seinem Amt als Ministerpräsident entlassen. Darauf erklärte Lumumba Kasavubu für abgesetzt. Einen Tag später, am 6. September 1960, machte das kongolesische Parlament Lumumbas Entlassung wieder rückgängig. Doch am 12. September 1960 veranlasste Kasavubu die neuerliche Entlassung und beauftragte den neuen Oberkommandierenden der Armee, Mobutu, mit der Verhaftung Lumumbas, der sich dieser aber entziehen konnte.
Am 14. September 1960 übernahm die Armee unter Mobutu in einem mit den USA abgesprochenen Putsch die Macht. Kasavubu blieb offizielles Staatsoberhaupt, derweil Lumumba unter Hausarrest gestellt wurde.
Am 27. November 1960 gelang Lumumba die Flucht aus Léopoldville, kurz darauf wurde er aber bei Mweka festgenommen und nach Thysville gebracht (1. Dezember 1960). Nach einer Militärmeuterei in Thysville (13. Januar 1961) wurden Lumumba und zwei seiner Getreuen dem Erzfeind Tshombé nach Katanga ausgeliefert.
Die genauen Umstände seines Todes waren für das große Publikum lange Zeit ein Rätsel. Nach einigen Quellen wurde er bereits auf dem Flug nach Thysville so stark misshandelt und verletzt, dass er keine Überlebenschance mehr hatte und schon kurz nach dem Flug starb.
Die Begleitumstände, die zur Ermordung Lumumbas führten, blieben lange verborgen. Aber Francois Lumumba, der Sohn von Patrice, erhob Anklage in Belgien, um den Mord an seinem Vater genauer zu erklären. Erst eine 41 Jahre nach der blutigen Tat einberufene Fachkommission des belgischen Parlaments brachte mehr Licht in das Dunkel der damaligen Ereignisse. Lumumba und seine Getreuen wurden von Mobutus Männern festgenommen und per Flugzeug zu Tshombé nach Katanga deportiert, dort wurden sie in eine kleine Hütte in einem Wald gebracht. Lumumba und seine Getreuen Okito und Mpolo wurden gefoltert. Danach kamen seine politischen Gegner, Tshombé, Kimba und belgische Politiker, um sie zu beschimpfen und sie anzuspucken. Am 17. Januar 1961 wurden sie von katangesischen Soldaten unter belgischem Kommando erschossen. Um jede Spur zu verwischen, wurde der Leichnam mit Äxten und Sägen zerteilt, mit Säure aufgelöst und schließlich verbrannt. Der Mord wurde Dorfbewohnern in die Schuhe geschoben (Lumumba assassiné par des villageois). Die meisten Medien aber gaben Tshombé die Schuld.
In ihrem Schlussbericht kam die Kommission zu dem Ergebnis, dass König Baudouin von den Plänen zur Ermordung Lumumbas wusste. Fest steht, dass die belgische Regierung die Lumumba feindlich gesinnten Kräfte im Kongo logistisch, finanziell und militärisch unterstützte. Ein Großteil der Schuld wird unmittelbar König Baudouin zugeschrieben, der unter Umgehung der politischen Instanzen seine eigene postkoloniale Politik betrieben haben soll. Frühere Untersuchungen kamen allerdings zu dem Ergebnis, dass die Ermordung Lumumbas direkt von den Regierungen Belgiens und der USA angeordnet und vom amerikanischen Geheimdienst CIA und örtlichen, von Brüssel und Washington finanzierten Helfern ausgeführt wurde. Es gibt Berichte, dass US-Präsident Dwight D. Eisenhower schon im August 1960 der CIA den Befehl erteilt haben soll, Lumumba zu liquidieren.
Die mit dem Grimme-Preis in Gold ausgezeichnete TV-Dokumentation Mord im Kolonialstil von Thomas Giefer aus dem Jahre 2000 fasst die damaligen Ereignisse anhand der Interviews mehrerer ehemaliger Mitarbeiter und Offiziere der CIA und des belgischen Geheimdienstes zusammen. Diese geben darin erstmals vor laufender Kamera zu, persönlich an der Ermordung Lumumbas und seiner Begleiter sowie der Beseitigung der sterblichen Überreste (u. a. mittels Säure) beteiligt gewesen zu sein. Einer der Offiziere besitzt immer noch die Schneidezähne von Patrice Lumumba, welche er auch vorzeigte.
Patrice Lumumba wurde in ganz Schwarzafrika zu einem Mythos und Vorkämpfer der afrikanischen Unabhängigkeitsbewegung. Als charismatischer Führer und als Opfer im Kampf um die Freiheit des Kongo von der kolonialen Herrschaft wurde er zu einer Symbolfigur des antiimperalistischen Kampfes in Afrika.
Quelle:
http://www.panafrikanismusforum.net/patrice-lumumba.html