Pinocchio vorm Karrieresprung
Neben A1 Mobil verklagt noch ein zweiter Autobahnbetreiber den Bund wegen Profitausfällen. Minister Dobrindt wollte auch das vertuschen
Es geht voran für Alexander Dobrindt
Foto: Axel Schmidt/Reuters
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Lügen haben bekanntlich kurze Beine, was bedeuten soll, man kommt damit nicht weit. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) hat das größte Stück schon hinter sich. Bis zum Ziel sind es noch zwei Tage, dann ist Bundestagswahl und seine politische Karriere mit ziemlicher Sicherheit am Ende. Gerade im letzten Jahr seiner Amtszeit hat sein Lügenregister noch mal stattlich zugelegt. Nicht nur mimte er in Sachen Dieselskandel immer wacker den Ahnungslosen, auch beim Thema Autobahnprivatisierung stellt er sich seit Wochen derart dumm, dass Pinocchio seinen Spaß daran hätte.
Sieben Jahre lang zeichnete sich die Pleite des A1-Mobil-Konsortiums ab: Dobrindt wusste von nix. Die Betreiber verklagen den Bund auf Profitausfälle: Für den Minister nicht absehbar. Neben der Hansalinie zwischen Hamburg und Bremen sind noch weitere in öffentlich-privater Partnerschaft (ÖPP) aufgelegte Verkehrsprojekte in Schieflage: Nicht der Rede wert. Und so geht es weiter. Am Mittwoch wurde publik, dass noch ein zweiter Autobahnbetreiber Klage gegen die Bundesrepublik eingereicht hat. Der Fall dreht sich um einen Abschnitt auf der A8 zwischen Augsburg und Ulm, der durch die Pansuevia GmbH für 410 Millionen Euro auf sechs Spuren ausgebaut wurde und für die Dauer von 30 Jahren bewirtschaftet werden soll.
Hinter der Pansuevia stehen die Baukonzerne Hochtief und Strabag. Anders als A1 Mobil fordern sie nicht höhere Mauterlöse vom Staat ein, sondern Kompensationen für erbrachte Bauleistungen. So solle der Bund zusätzlich 35 Millionen Euro nachzahlen, weil die fraglichen Aufwendungen nicht vertraglich geregelt gewesen seien und deshalb separat abgerechnet werden müssten. Von sich aus hat das Verkehrsministerium den Vorgang nicht öffentlich gemacht. Selbst bei jüngst einberufenen Sondersitzungen des Verkehrs- und Finanzausschusses im Zusammenhang mit der Causa A1 Mobil kam die Angelegenheit nicht zur Sprache. Dabei wurde die Klage nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung (SZ) vom Mittwoch schon im Mai erhoben, nachdem ein Schiedsverfahren Ende des Vorjahres gescheitert war.
Erst auf »mehrfache Nachfrage« der Grünen-Fraktion ließ Staatssekretär Enak Ferlemann (CDU) die Katze aus dem Sack. Gegenüber der SZ bemerkte dazu Sven-Christian Kindler, haushaltspolitischer Sprecher der Grünen: Der Minister »täuscht und verschleiert, wo er nur kann, damit die volle Wahrheit nicht ans Licht kommt und er sich über die Bundestagswahl retten kann«. Ferlemann selbst hatte erst in der Vorwoche den demonstrativen Spatenstich zum Ausbau der A7 zwischen Göttingen und Bockenem vorgenommen. Das ÖPP-Projekt wird den Steuerzahler nach Berechnungen des Bundesrechnungshofes 12,8 Millionen Euro mehr kosten als der Bau und Betrieb in öffentlicher Hand. Gleichwohl verkündete der Staatssekretär: »Wir werden in den nächsten Jahren noch viele weitere ÖPP-Projekte umsetzen.«
Laut Kindler sind ÖPP eine »Gelddruckmaschine für große Unternehmen, zu Lasten des Staates und der Bürgerinnen und Bürger«. Der Bundestag müsse dieses Finanzierungsinstrument im Straßenbau nach der Bundestagswahl »per Gesetz verbieten«, verlangte er per Pressemitteilung. Das forderten am Dienstag auch 35 Aktivisten des Vereins Gemeingut in BürgerInnenhand (GiB) aus Anlass einer Protestaktion vor Dobrindts Amtssitz in Berlin. Dabei ließen sie ein Auto aus Pappe direkt gegen die Wand des Ministeriums rauschen. Öffentlich-private Partnerschaften müssten gesetzlich zu verboten und die noch laufenden Projekte abgewickelt werden, bekräftigte GiB-Sprecher Carl Waßmuth. »Es geht immer nur um Zinszahlungen an die Banken und um hohe risikofreie Renditen für Private. Die Zeche zahlen die Bürgerinnen und Bürger – zwangsweise. Sie bekommen das tagtäglich durch verschlechterte öffentliche Leistungen zu spüren.« Darin zeige sich »besonders drastisch der bösartige Charakter von ÖPP«. Die Aktivisten betonten auch, dass nicht nur Dobrindt ein Interesse an den Projekten hatte. Vielmehr müssten weitere Mitglieder der Bundesregierung genauso zur Verantwortung gezogen werden. »Es ist kaum vorstellbar, dass Finanzminister Schäuble nicht schon seit Jahren vom A1-Debakel weiß«, sagte Ulrike Kölve vom GIB. »Schließlich geht es um Milliardenrisiken in seinem Haushalt.«
Für den Minister Dobrindt geht es einstweilen nur noch darum, dass die Union und seine Bundeskanzlerin den Wahlsonntag möglichst unfallfrei überstehen. Und die paar Macken am eigenen Lack werden seiner künftigen Karriere gewiss nicht abträglich sein. Wer die Interessen der Wirtschaft so »glaubwürdig« vertritt wie er, muss sich um die Zukunft keine Sorgen machen.
Quelle:https://www.jungewelt.de/artikel/318649.pinocchio-vorm-karrieresprung.html