Wir hören nur negative Nachrichten aus der Türkei, es gibt aber eine andere Seite der Medaille
Der Widerstand der Arbeiter, Frauen, Lehrer, Akademiker, Studenten, Schüler und Stadtteilgruppen zeigt uns, dass nicht alles verloren ist. Es war schon bei der früheren Militärregierung im Jahr 1980 so und es wird in Zukunft genauso weiter gehen.
Die ArbeiterInen trotzen den Gesetzen des Ausnahmezustands und kämpfen für ihre Rechte unter den schwierigsten Bedingungen. Sie lassen sich durch die massive Polizeigewalt und die Entlassungswellen nicht beirren und setzen sich trotz allem dem durch.
Die Frauen haben sich nie einschüchtern lassen, sie sind immer zur Stelle wenn es um die Unterdrückung der Frau geht. Sie sind ein wichtiger Bestandteil des Wiederstandes. Gegen die Gewalt und Benachteiligung von Frauen zeigen sie ihren Mut und führen ihren Kampf in vorderster Reihe. Die Versuche, sie aus dem Takt zu bringen, verliefen immer in Sande. Sie lassen sich nicht gefallen, dass die islamisch- patriarchalische Politik salonfähig gemacht wird. Sie leisten große Solidaritätsarbeit mit allen Frauen und Genossen in den Gefängnissen und draußen.
Die Lehrer sitzen wochenlang mit ihren Plakaten auf den zentralen öffentlichen Plätzen der Städte und trotz mehrmaliger Festnahmen und Verhöre fordern sie die Rücknahme ihrer Entlassungen.
Studenten lassen sich nicht von den körperlichen Attacken der AKP/MHP’er und des Sicherheitspersonals der Universität einschüchtern und kämpfen für freie Universitäten und die Wiedereinstellung ihrer Professoren. Sie protestieren in den Bussen, auf den Fähren, in den U-Bahnen, auf der Straße. Sie lesen ihre Botschaften und halten ihre Reden. Sie klären die Mitfahrenden auf und werden mit Applaus begleitet.
Die Schüler zeigen sich unbeeindruckt von den Repressalien der Schulleitung und lesen ihre Flugblätter, hängen Plakate auf, auf denen sie Ihre entlassenen Lehrer unterstützen.
Akademiker treten bei Foren auf und stellen sich gegen die Diktatur, sie solidarisieren sich mit ihren Kollegen, die verhaftet worden sind, protestieren vor den Gefängnissen.
Die Stadtteilgruppen bieten dem Diktator die Stirn und veranstalten Versammlungen, auf denen sie ihre Forderungen zum Ausdruck bringen.
Die Regierung verhaftet jeden Tag bei Razzien mehrere Vertreter kurdischer Aktivisten. Die über die prokurdische Partei HDP gewählten BürgermeisterInnen in verschiedenen kurdischen Städten wurden verhaftet und auf ihre Posten von der Regierung Treuhänder gestellt. Der Parteivorstand und mehrere HDP Abgeordnete sind bereits im Gefängnis. Trotz allem solidarisiert sich das kurdische Volk mit ihren gewählten Vertretern.
In der Stadtverwaltung von Mardin protestieren die dort Angestellten gegen die eingesetzten Treuhänder.
Im Fußballstadion werden Transparente aufgehängt, Slogan gerufen und Märsche gesungen.
Der Widerstand hat viele Gesichter und zeigt einen großen Einfallsreichtum. All diese Aktionen fordern ihren Preis, wenn eine Person verhaftet wird, besetzt eine andere ihren Platz. Dadurch erhalten sie nicht nur Anerkennung sondern ebenso Sympathie in der Bevölkerung.
Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen! Das wissen auch die Herrschenden.
Seit dem Putschversuch im Juli 2016 verloren 140 000 Menschen ihren Arbeitsplatz. Der Widerstand erwächst aus den demokratischen Kräften der Bevölkerung.
Hier sind einige Beispiele aus dem Widerstand:
Streik der Metallarbeiter
*Am 20. Januar 2017 gingen die “Vereinigten Metallarbeiter“ in den Streik. Obwohl der Streik aufgrund der Ausnamezustandsgesetze verboten wurde, haben sie die Arbeit niedergelegt und um ihre Rechte gekämpft. Wegen der Entschlossenheit der Arbeiter rief das Arbeitsministerium am 23. Januar 2017die Parteien zu einer Versammlung in Ankara auf. Nach langen Verhandlungen einigten sich die Parteien. Die Arbeiter erreichten ihre Ziele und nahmen daraufhin am 24. Januar die Arbeit wieder auf.
Von dieser Einigung profitieren 2200 Arbeiter, die in der GE Grid Solution, ABB, Schneider Energie, Schneider Elektrik und General Elektriks Werke beschäftig sind.
* Die Busfahrer protestierten vor der Stadtverwaltung von Konya gegen ihre Entlassungen trotz massiver Übergriffe durch die Polizei. Die Übergriffe endeten, als die Bevölkerung die Busfahrer in ihren Forderungen unterstützte.
Frauenwiderstand;
Das größte Widerstandsnetz in der Türkei ist die Frauenbewegung. Es gibt kaum einen Tag, an dem die Frauen ihre Wut nicht auf die Straße tragen.
* Als Aysegül Basar am 2. Januar 2017 in ihrer Wohnung festgenommen wurde, begleitete sie eine wütende Protestwelle.
Aysegül Basar hatte mit dem Freund Hamit Dışkaya eine Erklärung in einem Cafe vorgetragen und diese Rede in Sozialmedien und Zeitungen veröffentlicht. Ein AKP-Minister verlangte die Festnahme der beiden. Aysegül ist 26 Jahre alt und Mitleid der Volkshäuser. Sie studiert in der Fakultät Medien der Universtät Mersin und arbeitet als Assistentin bei der Tageszeitung Cumhuriyet. Die Rede der beiden Festgenommenen wurde wiederholt in vielen Cafés, Bussen und Fähren vorgelesen.
* Nun ruft die Frauenbewegung zu Solidarität mit Aysegül auf und veranstaltet eine Protestaktion vor dem Gefängnis Bakirköy, wo Aysegül seit über drei Wochen einsitzt.
Universtäten;
* Gegen die Studenten der Ägäis Universtät, die sich an den Aktionen für den Laizismus beteiligt hatten, wurden von der Universtätsleitung disziplinarische Untersuchungen eingeleitet.05 Januar 2017
* Als die Studenten der Universität Istanbul über die Massaker des IS eine Rede hielten, versuchten IS Anhänger diese zu verhindern, daraufhin wurden diese Dschihadisten von den Studenten aus der Universität geschmissen. 04 Januar 2017
* Als die Studenten der Universität Ankara ein Transparent “Den Krieg des Palastes werden wir verhindern“ aufgehängt hatten, wurden sie von Spezialeinheiten der Polizei angegriffen. Sie setzten ihren Protest in anderen Teilen der Universität fort. 06 Januar 2017
Schüler;
* Die Gymnasiasten haben am Tag ihrer Zeugnisausgabe in vielen Schulen gegen die Machenschaften der AKP Regierung protestiert. Sie hängten Transparente auf und riefen ihre Mitschüler zur Beteiligung auf. In Istanbul besuchten sie das Grabmal von Berkin Alva, der bei den Gezi-Protesten von der Polizei erschossen wurde. 20 Januar 2017
* Schüler, die gegen die AKP Politik protestierten und sich den Festnahmen der Polizei widersetzten, wurden wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt angeklagt. 23 Dezember 2016
Stadtteilinitiativen und Widerstand, Umwelt;
Fast in jeder Stadt der Türkei gibt es Proteste der Bevölkerung gegen die massiven Eingriffe in die Natur, sei es der Bau einer Straße, der Umbau eines Parks, neu erschlossene Minen oder die Mega Projekte. Auch gegen die Umstellung der Stadtteilschulen in islamische Schulen wird protestiert.
Aus verschiedenen Schichten der Gesellschaft bildet sich eine Stadtteilinitiative, die von der Bevölkerung unterstützt wird. Die Proteste erreichen meistens ihr Ziel. Trotz Ausnahmezustand und Übergriffen durch Polizei sowie AKP/ MHP-Anhänger werden die Proteste durchgeführt. Sie lassen es sich nicht gefallen, dass irgendeine Behörde über ihren Kopf hinweg Entscheidungen trifft.
Auf solche Nachrichten stößt man in den Tageszeitungen fast jeden Tag, nur leider werden sie nicht als “wichtig“ eingestuft.
Egal wie das Ergebnis des Referendums ausfällt, der Kampf wird und muss weiterhin geführt werden. Ein „Nein“ zum Präsidialsystem reicht nicht, es ist nur der Anfang …
(*) Eure Macht reicht nicht aus uns zu stoppen! Der Slogan des Widerstands.
Quelle:
Nachrichten und Fotos von Sendika.org
Verfasst für Freiesicht.org