Die Trump-Regierung ist voll von offen antisemitischen Gestalten, aber unheilige Allianzen zwischen Zionisten und westlichen Eiferern sind nichts Neues, erklärt Sarah Levy.
Benjamin Netanyahu und Donald Trump bei einer gemeinsamen Pressekonferenz im Weißen Haus
Eine Welle antisemitischer Anschläge fegt über die USA. Am 2. März’17 war, innerhalb von weniger als zwei Wochen, der dritte jüdische Friedhof von Vandalismus betroffen, in einem Fall wurden 539 große Grabsteine umgeschmissen oder beschädigt. Seit Anfang 2017 gab es mindestens 128 Bombendrohungen gegen 87 jüdische Gemeindezentren und Schulen quer durchs Land.
Trotz der Zunahme der Bombendrohungen und des, gegen jüdische Einrichtungen gerichteten, Vandalismus seit seinem Amtsantritt, ließ Donald Trump Wochen verstreichen, bis er die Anschläge offiziell verurteilte. Und dies erst nach einem öffentlichen Aufschrei und Kritik von Regierungsbeamten sowie einigen prominenten jüdischen Persönlichkeiten.
Dass Trump zögern würde diese Welle von Antisemitismus zu verurteilen, sollte niemanden überraschen, wenn man berücksichtigt, dass er nicht gezaudert hat eindeutige Antisemiten, wie Steve Bannon, in seine Regierung zu holen. Während seiner Wahlkampagne teilte Trump ein Photo auf dem Hillary Clinton mit einem Geldbündel, dem Davidstern und der Überschrift “Korrupteste Kandidatin aller Zeiten!“ zu sehen war.
Dann gab es die Zeit, als Trump sich weigerte sich von der Unterstützung des ehemaligen KuKlux Klan Führers David Duke zu distanzieren. Und in diversen Pressekonferenzen deutete Trump an, dass die kürzlichen anti-semitischen Anschläge von Juden oder Demokraten inszeniert worden wären, mit dem Ziel seine Regierung schlecht dastehen zu lassen.
Es ist also nicht schwer zu durchschauen wo Trump steht. Aber was schockierend ist – oder zumindest sein sollte – ist die warmherzige Achtung, die Trump, trotz seiner offensichtlichen “Umarmung“ des Antisemitismus, vonseiten vieler pro-israelischer Personen der Politik entgegen gebracht wird.
Ein Artikel in der israelischen Zeitung Haaretz, mit der Überschrift “Die fünf jüdischen Top Führungspersönlichkeiten sorgen sich mehr über Drohungen gegen Trump, als über die Bedrohung von US Juden“, stellt fest, dass Israels Premierminister Benjamin Netanyahu, der “sich immer damit rühmt Antisemitismus zu verurteilen, wo und wann auch immer“, auffällig still ist, anscheinend Trumps Beispiel, wie in dieser Frage Stellung zu nehmen ist – oder nicht Stellung zu nehmen – folgend.
Direkt gefragt zu dem Anstieg anti-jüdischer Stimmung in den USA und Trumps fehlender Reaktion darauf, sagte Netanyahu: “Es gibt keinen größeren Unterstützer der jüdischen Menschen und des jüdischen Staates als Donald Trump. Ich denke, wir sollten das Thema ruhen lassen.“
Um die besondere Freundschaft der beiden politischen Führer zu unterstreichen, veröffentlichte Netanyahu sogar seinen eigenen „trumpischen“ Tweet, zur Verteidigung des Plans seines Kumpels, eine Mauer entlang der US-mexikanischen Grenze zu errichten: “Präsident Trump hat recht. Ich habe eine Mauer entlang der Südgrenze Israels gebaut. Sie verhindert die illegale Immigration. Großartiger Erfolg. Großartige Idee.“, gefolgt von Emoticons der israelischen und der amerikanischen Flaggen.
Daniel Shek, ehemaliger israelischer Generalkonsul in San Francisco, beschreibt Netanyahus ungewöhnliches Schweigen zum Antisemitismus als einen politisch kalkulierten Schachzug seitens Israels politischen Establishments, um den größtmöglichen Vorteil aus der neuen Trump-Regierung zu ziehen.
Shek sagte NPR: Für wesentlich weniger, als das was an Geschehnissen aus den USA berichtet wird, hätte es einen Aufschrei (in Israel) gegeben, und das zurecht. (Aber) es besteht soviel Enthusiasmus in der gegenwärtigen israelischen Regierung über die Wahl von Donald Trump. Und (die israelische Regierung) denkt, dass (Trump) dafür steht… bezüglich der israelischen Siedlungen und der Palästinenserfrage, sie wollen ihn auf keinen Fall verärgern, auch zulasten des sich nicht Aussprechens gegen Antisemitismus.
Das „unter den Teppich kehren“ von Antisemitismus, um Trump zu unterstützen, durch jene, die das normalerweise nicht tun, erstreckt sich über Israels Grenzen hinaus.
Morton Klein, Präsiden der Zionist Organization of America ist grundsätzlich bereit über alles herzufallen, was als Antisemitismus bezeichnet werden kann und auch wenn es nicht so bezeichnet werden kann, wie z.B. seine Verurteilung der BDS Boykott, Divestment und Sanktions Bewegung für die Rechte der Palästinenser. Klein ist ebenfalls ungewöhnlich stumm unter der neuen Regierung. Nachdem seine Organisation eine Flut böser Anrufe ihrer Anhänger, empört über ZOAs offene Unterstützung von Bannen, erhielt, teilte Klein lediglich mit, „(Bannen ist) kein Antisemit. Er ist das Gegenteil eines Antisemiten. Er ist ein Philosemit.“
Wie Haaretz Korrespondent Chemi Shalev es ausdrückt: Trump wird Auftrieb gegeben durch einen Stab von Ermöglichern und Fürsprechern, viele von ihnen Juden, die ihr Bestes tun die Anschläge zu verharmlosen, die wachsende jüdische Besorgnis zu verspotten und Trump von jeglicher Komplizenschaft mit dem Anstieg anti-jüdischer Stimmung freizusprechen.
Das Schreckgespenst von zionistischen Führungspersonen, die sich anschicken eine Regierung zu unterstützen, die bestenfalls eine nachlässige Haltung bezüglich der Sicherheit ihrer jüdischen Bürger zeigt, mag erscheinen, als unterminiere es die Vorstellung von Israel, als Beschützer des Weltjudentums. Aber derartige unheilige Allianzen sind ein fester Bestandteil der zionistischen politischen Tradition.
Wie Annie Levin 2002 in ihrem Artikel „Die versteckte Geschichte des Zionismus“ schrieb, Appeasement des Antisemitismus rührt „durchaus logischerweise von grundsätzlichen zionistischen Annahmen über Juden her. Zionisten haben die Sichtweise des 19. Jahrhunderts, dass Antisemitismus – tatsächlich alle rassischen Unterschiede/Differenzen – eine immer währende Eigenschaft des menschlichen Wesens ist, übernommen.“
Frühe Zionisten taten sich sogar mit einer fanatisch antisemitischen britischen Herrscherklasse zusammen, um die Unterstützung ihres Kolonialprojekts in Palästina zu sichern – welches den dualen britischen Interessen diente einen „Vorposten der Zivilisation gegen Barbaren“ zu sichern, der Britannien helfen könnte den Mittleren Osten zu dominieren, während sie gleichfalls daran arbeiteten die linksgerichteten „Internationalen Juden“ (wie u.a. Karl Marx, Leo Trotzki, Bela Kun, Rosa Luxemburg und Emma Goldman) zunichte zu machen.
Churchill wusste, dass revolutionäre Sozialisten, sich gegen rassistische Pogrome in ihren Ländern organisierend, eine Gefahr für die Notwendigkeit der herrschenden Klasse ihre Bevölkerung zu spalten und zu beherrschen, darstellten, und sah somit den Nutzen der Unterstützung der „Jüdischen Bewegung“, die der Logik des Antirassismus und Internationalismus entgegengesetzt werden konnte.
Wie Uri Avnery in seinem kürzlich erschienenen Artikel mit dem Titel „Trump und Israels antisemitischen Zionisten“ schreibt: „Das erklärte Ziel des Zionismus ist es, alle Juden der Welt im jüdischen Staat zu sammeln. Das erklärte Ziel der Antisemiten ist es, die Juden aus allen ihren Ländern zu vertreiben. Beide Seiten wollen das Selbe. Kein Konflikt.“
Später, während des 2. Weltkriegs, erklärt Levin, entschied sich die Jüdische Vertretung in Palästina ihre Gelder zu benutzen um Siedlungen im damaligen Palästina zu unterstützen, anstelle zehntausende Juden oder sogar mehr zu retten, denn lediglich Juden zu retten war nicht ihre Zielsetzung.
David Ben-Gurion, Israels erster Premierminister, machte dies klar als er bekanntermaßen sagte, „Es ist nicht die Aufgabe des Zionismus die Überbleibsel von Israel in Europa zu retten, sondern vielmehr das Land Israel für die jüdischen Menschen und die Yishuv* zu sichern.“
Dieses Konzept des Zionismus ist ein koloniales Siedlungsprojet – und es ist ein Konzept, das dem Vorteil der westlichen Großmächte dienen kann – im Gegensatz zu einem Projekt mit dem Zweck der Rettung von Juden. Und das ist die Erklärung, um zu verstehen, wieso die US Regierung Schiffe mit hunderten, vor dem Holocaust flüchtenden Juden abweisen konnte, diese faktisch in ihren Tod schickte, während zur gleichen Zeit den frühen Zionisten Geld gesendet und militärische Unterstützung geliefert wurde.
Heute wiederholen Trump-Enthusiasten unter den Rechtsaußen-Antisemiten diese Dynamik, bieten Israel aus voller Kehle Unterstützung an, während sie gleichzeitig Juden hassen.
Wie Todd Gitlin, ein Soziologe an der Columbia Universität zu „Jewish Daily Forward“ sagte: Antisemitismus und rechtsgerichteter Zionismus sind Variationen von Ultra-Nationalismus, oder um es abwertender zu sagen (was es verdient), Variationen von Tribalismus. Sie beide gehen davon aus, dass die umkämpften Rechtschaffenen sich gegen die „verdammten Außenstehenden“ sträuben müssen, sie ausschließen und bestrafen müssen. Sie hassen und ängstigen sich vor kosmopolitischer Vermischung. Sie machen aus „Reinheit“ einen Fetisch. Sie haben den gleichen Geist. Sie reimen sich.
Mit dieser Historie sind die Gründe für die Unterstützung Trumps innerhalb des israelischen weit rechtsgerichteten Establishments nicht so schwer zu entziffern. Die Gründe rühren her aus der Erkenntnis, dass genau dieser ethno-nationalistische Chauvinismus, für den Trump wirbt, ihnen als Lebenselixier für ihr Festhalten an der politischen Macht über drei Jahrzehnte gedient hat.
Sie umjubeln Trump, weil jeder „Erfolg“ von Trump den Pfad, den sie vor so langer Zeit beschritten haben, bestätigt. Weil er den Pfad anerkennt, wie sie die israelische Okkupation und Apartheid verteidigten und ausdehnten, das politische Spektrum immer weiter nach rechts rückten bis zu dem heutigen Stand, wo offen über die Annektion der West Bank gesprochen wird, was vor einigen Jahren noch undenkbares Gefasel gewesen wäre.
Während also die israelische Regierung normalerweise aufspringt, um antisemitische Vorkommnisse zu verdammen, so wie bei den Anschlägen 2015 in Paris – und solche Anschläge als „Gelegenheit“ nutzt, Juden aus der „Diaspora“ heim nach Israel zu rufen – so werden Zionisten aber, wenn in einer Situation, wo sie entweder Antisemitismus verurteilen oder ignorieren müssen, um eine ethno-nationalistische Partnerschaft zu unterstützen, die für ihr eigenes Kolonialprojekt nützlich ist, ,immer die letztere Option wählen.
Israels Allianzmit einer US Regierung, der offen antisemitische Gestalten angehören und die auf rechtsextreme Rassisten („White supremacists“) vertraut, offenbart die ideologische Sinnlosigkeit von Israels Anspruch der Verteidiger der jüdischen Menschen zu sein.
Wie ein Haaretz Kommentar schlussfolgert, „Ich habe Neuigkeiten für Bibi (Netanyahu). Die 6 Mio. Juden in Amerika werden bedroht. Wenn es Israel in einer Zeit wie dieser egal ist sie zu unterstützen, dann sollte niemand Israel als einen jüdischen Staat anerkennen.“
Aber wenn Zionismus keine Kraft ist, die Antisemitismus besiegen kann, welche ist es dann?
Trumps Attacken auf uns alle, schaffen Möglichkeiten für Solidarität und den gemeinsamen Kampf – wie z.B. Muslime helfen Juden, wenn sie angegriffen werden und Juden helfen Muslimen, wenn es andersherum ist.
Diese Initiativen sind wichtig, denn faktisch ist der Kampf gegen Antisemitismus zunehmend verbunden mit dem Kampf gegen Islamophobie – da Angriffe auf beide von den selben rechtsgerichteten Eiferern ausgehen, die durch die Wahl von Trump ermutigt worden sind.
Nur können wir den „Trumpismus“ hier nicht grundlegend anfechten, wenn unsere Bewegung dem Rassismus gegen Palästinenser von Trumps auswärtigen, imperialen Partnern Raum bietet. Wir können nicht gegen den Bau einer Mauer in diesem Land kämpfen, ohne uns gegen die rassistische Mauer in Palästina zu stellen.
Das bedeutet wir werden Menschen für uns gewinnen müssen, die den Antisemitismus bekämpfen wollen und nicht nur mit anderen Antirassistischen Bewegungen zusammenarbeiten wollen, sondern insbesondere die Notwendigkeit sehen, die Befreiung der Palästinenser zu unterstützen. Dieses bedarf der Differenzierung zwischen echten Aktionen von Antisemitismus und dem, was die herrschende Klasse und die Zionisten uns gern als Antisemitismus glauben machen wollen, was jedoch in Wirklichkeit Bemühungen zur Solidarität mit Palästina sind.
Vor dem 2. Weltkrieg verstanden viele Juden, dass es für den Kampf gegen anti-jüdischen Rassismus erforderlich ist, sich mit dem Kampf gegen andere Formen von Rassismus zu verbünden. Sozialistische und radikale Juden in Russland und Deutschland begriffen, dass es notwendig ist den Rassismus in all seinen Formen zu bekämpfen. Sie verstanden, dass ihr wirklicher Feind das kapitalistische System ist, das auf rassistischer Spaltung baut, mit dem Plan „spalten und herrschen“, und nicht die Heiden/Nichtjuden, wie die Zionisten argumentierten, bei ihrem Versuch Juden für ihr imperialistisches Projekt der Kolonialisierung Palästinas zu gewinnen.
In seinem Buch „Zionismus: Falscher Messias“ dokumentiert Nathan Weinstock, dass Juden überproportional in den sozialistischen Parteien Russlands und Europas zum Höhepunkt dieser Bewegungen repräsentiert waren, da Sozialisten ihren Kampf gegen Unterdrückung in den Mittelpunkt ihres revolutionären Kampfs gegen den Kapitalismus stellten.
Jetzt ist die Zeit diesen Teil der Geschichte wieder zu entdecken und uns wieder dem Schmieden der Solidarität von unten zu verschreiben – anstelle des giftigen Gebräus aus jüdischem und weißem Ethno-Separatismus – um Rassismus, wo immer er sich zeigt, zu bekämpfen, wie auch das System, das ihn braucht und ausbrütet.
*Jischuw: Bezeichnung der jüdischen Bevölkerung in Palästina vor der Gründung des Staates Israel
Übersetzt aus dem Englischen für freiesicht.org
Quelle: https://socialistworker.org/2017/03/14/zionists-and-anti-semites-unite