Vergangenen Dienstag lief in der ARD (Magazin Report-Mainz) ein Beitrag zu der Spionage App der türkischen Polizei. Darüber hatte ich einige Male in der Front Page berichtet. Auch beim Entstehen dieses Beitrages war ich aktiv dabei, und ich finde, die Autorin hat eine hervorragende Arbeit geleistet, um so ein schweres Thema in Bildern zu verpacken. Daher füge ich an dieser Stelle zur Erinnerung dein Beitrag bei:
Mir ist es durchaus bewusst, dass die Zeiten in der deutschen Fernsehwelt schon lange vorbei sind, als man im Bereich Information noch „Geschichten“ erzählte. Das sogenannte „Story Telling“ ist leider vorbei, schade eigentlich, aber es ist halt so. Heute sind Informationen gefragt. Die Grundregel lautet: „Wer bringt mehr Informationen, wer hat die meisten Informationen?“ Es klingt auch super, wenn man zu jeder Nachricht noch hinzu fügen kann: „Nach den Recherchen des hessischen Rundfunks, des Norddeutschen Rundfunks und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (nur als Beispiel). Das schreit dann nach Arbeit, nach „gigantischer“ Recherche, und für den Laien nach Kompetenz und Glaubwürdigkeit. „Wenn so viele an dieser Recherche mitgewirkt haben, dann muss ja die Nachricht auch stimmen!“ – so tickt die Fernsehwelt von heute.
Glaubet mir, das meiste davon ist Unsinn. Die guten investigativen Journalisten sind Einzelgänger oder sie sind höchstens zu zweit unterwegs. Warum? Jedesmal mit den Kolleginnen und Kollegen aus den oben genannten Anstalten den erreichten Recherchenstand zu nivellieren, kostet soviel Zeit, dass man ganz schnell darauf verzichtet.
So ging in dieser Sendung auch das Schicksal von Murat, -so heißt der Kurde zu Beginn des Filmbeitrages-, im wahrsten Sinne des Wortes unter. Ich bin mir sicher, das war keine Boshaftigkeit der Redaktion, sondern angesichts der Massenbedeutung der Spionage-App spielte das Schicksal von Murat anscheinend eine untergeordnete Rolle. Das stimmt auch vermutlich. Daher erzähle ich euch jetzt die Geschichte hinter der Geschichte.
Zurück zum Kurden „Murat“ aus der zerstörten Stadt Cizre im Süden-Osten der Türkei. Er wurde über diese App, als Unterstützer der PKK, bei der türkischen Polizei denunziert. Ein Anwalt in der Türkei konnte feststellen, das bei der türkischen Polizei Ermittlungsverfahren gegen Murat, wegen seiner Facebook Posts, eingeleitet worden sind. Im Gegensatz zu früher, werden die laufenden polizeilichen Ermittlungsverfahren in der Türkei, nicht an die Justiz weitergeleitet, sondern die Polizei wartet, bis sie der gesuchten Person habhaft werden kann. Das passiert meistens, wenn eine im Ausland lebende Person die Grenze in die Türkei überschreitet.
Die Ermittlungen gegen Murat waren im Polizeicomputer registriert. Dieser Sachverhalt wurde auch über einem Gutachten dem Verwaltungsgericht zur Begründung des Asylantrages vorgelegt. Das Gericht lehnte den Asylantrag von Murat ab.
Das ist die Entscheidung eines unabhängigen Gerichts. Es liegt mir fern hier Richterschelte zu betreiben, zumal ich der oben genannte Gutachter an diesem Verfahren war. Für mich ist allerdings der Informationsstand des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland schockierend. Das AA informiert alle Richter über die politische Lage in allen Ländern der Welt. So auch über die Türkei. Auch in diesem Fall, -laut dem Urteil- soll der Lagebericht aus Juli 2018 stammen. Hier ein Auszug aus dem Urteil:
Der perfekte Rechtsstaat – die Türkische Republik. Das AA holt seine Informationen vermutlich aus den Bereichen des Weltalls, die noch Lichtjahre von uns entfernt liegen. Wie gesagt, keine Richterschelte von mir.
Übrigens Murat, wurde doch nicht abgeschoben. Als „ein Härtefall“ darf er in Deutschland bleiben.
Quelle: https://kamiltaylan.blog/2018/09/29/die-spionage-app-der-tuerkischen-polizei/