Kubas neue Nationalversammlung mit 605 Abgeordneten, die kürzlich am 11. März 2018 bei den demokratischen Volkswahlen gewählt wurde, traf sich am Mittwoch, dem 18. April, um den neuen Präsidenten, den ersten Vizepräsidenten, fünf Vizepräsidenten und die 23 Mitglieder des Staatsrats zu wählen.
Kubanische Wahlen werden von westlichen Medien kaum erwähnt, und die Gegner des kubanischen Wirtschaftssystems beharren darauf, dass diese Regierung undemokratisch sei.
Im vergangenen Jahr verschärfte der Präsident der Vereinigten Staaten, Donald Trump, die wirtschaftliche Blockade gegen Kuba (die zuvor von der Obama-Regierung gelockert worden war) und erklärte, die USA „würden angesichts der kommunistischen Unterdrückung nicht länger schweigen“.
Seit mehr als fünf Jahrzehnten haben aufeinanderfolgende US-Regierungen eine brutale Wirtschaftsblockade unter demokratischen Vorwänden aufrechterhalten. Die Entstehung dieser Maßnahme erzählt jedoch eine andere Geschichte.
Sie wurde 1960, nach der Machtübernahme durch die Revolution und nachdem ein Prozess der Enteignungen einsetzte, eingeführt. Dreißig Jahre später, in den 1990er Jahren, wurde von der US-Regierung beschlossen, die Blockade mit der „Kubanische Demokratie“-Verordnung (Cuban Democracy Act) erneuert. Das Gesetz sieht Sanktionen vor, solange die kubanische Regierung sich weigert, Schritte zur Demokratisierung zu unternehmen.
Dieser Verlagerung zeigt die zu Grunde liegende Überzeugung, dass „Marktfreiheit“ gleichbedeutend mit politischer Freiheit ist.
In den späten 1990er Jahren beleuchtet der Friedensnobelpreisträger Amartya Sen das Verhältnis von Selbstbestimmung, die politische Freiheit beinhaltet und einem Leben frei von Not. Betätigungsfreiheit, so wird argumentiert, ist unausweichlich durch die verfügbaren sozialen und wirtschaftlichen Möglichkeiten eingeschränkt.
Wenn nun die Beschränkung sozialer und wirtschaftlicher Möglichkeiten die Betätigungsfreiheit einschränkt, dann müssen ungerechte Wirtschaftsmodelle demokratische Regelungen unterminieren.
Demokratie, die Regierung des Volkes, ist unvereinbar mit ökonomischen Modellen, die Reichtum durch Elend verstärken, was die Fähigkeit eines Volkes, sich selbst zu regieren, einschränkt. Neoliberale Maßnahmen, wie Privatisierungen, die den Zugang zu Leistungen, die zur Einhaltung der Menschenrechte erforderlich sind (Bildung, Gesundheit, Wasser) einschränken, wie auch die Liberalisierung der Märkte, die nationale Industrien und Arbeitsplätze dezimieren kann, verhindern ein Leben frei von Not.
In Amerika scheint jedoch nur Platz für neoliberale Demokratien zu sein.
So wird eine Regierung, die ihre Industrien schützt, ihre Ressourcen verstaatlicht und mehr Sozialausgaben zur Deckung von Grundrechten vorsieht, eher als undemokratisch bezeichnet.
Wohingegen wir heute „glänzende Demokratien“ haben, in denen soziale Führer ungestraft getötet werden, wie in Kolumbien, oder wo ein Verbrecher gegen die Menschlichkeit, wie Alberto Fujimori in Peru, begnadigt wird oder wo Polizeigewalt das Leben ihrer Bürger fordert, wie in den USA.
Wieder wurde freie Marktwirtschaft mit politischer Freiheit verwechselt.
Aber Demokratie ist kein Etikett, es ist ein Prozess.
Insofern sollten demokratische Bedingungen im historischen Kontext analysiert werden, um bemessen zu können, ob Fortschritte zur Ermöglichung direkter Partizipation gemacht wurden oder ob Mitbestimmungsmöglichkeiten zurückgegangen bzw. eingeschränkt wurden.
Die Unterschiede zwischen den Wahlsystemen in den USA und in Kuba zeigen, dass, während die einen die Mitbestimmung weiter eingeschränkt haben, die anderen sie ausgeweitet haben.
Die Auswahl der Kandidaten
Alle modernen Staaten sind repräsentative Demokratien. Die Menschen regieren sich nicht selbst, sondern wählen Vertreter dafür.
I den USA wird der restriktive Charakter der Teilnahme an den Wahlen zunächst durch das Zwei-Parteien-System bestimmt, das festlegt, dass die Legislative des Staates von zwei Parteien dominiert wird, der Demokratischen Partei und der Republikanischen Partei.
Diejenigen, die in den Präsidentschafts- und Legislativwahlen antreten, werden in Parteivorwahlen gewählt, bei denen in vielen Fällen nur eingetragene Demokraten oder Republikaner wählen dürfen. Weniger als ein Drittel der US-Bevölkerung ist entweder als Demokrat oder Republikaner registriert. Somit entscheidet eine Minderheit, für wen die Menschen stimmen können.
In Kuba ist es nicht die Kommunistische Partei, sondern es sind die Gemeindeversammlungen zusammen mit Organisationen der Zivilgesellschaft (einschließlich der Frauenverbände und der Arbeiterföderation), die die Kandidaten für die kubanische Nationalversammlung nominieren.
Kubaner, mit oder ohne Parteizugehörigkeit, nominieren und wählen direkt, in hoch partizipatorischen Prozessen, mehr als 12.000 Delegierte in die 168 Kommunalversammlungen.
Der Nominierungsprozess findet durch das Volk innerhalb von Nachbarschaftsversammlungen statt, und anders als die Kritiker Kubas glauben machen wollen, sind die Kandidaten nicht unbedingt Mitglieder der Kommunistischen Partei.
Im vergangenen Jahr stellte eine Oppositionskoalition mindestens 160 Kandidaten. Sie wurden nicht gewählt, aber sie waren teilnahmeberechtigt.
Das kubanische Wahlsystem basiert nicht auf Parteimitgliedschaft, eine Tatsache, die von der US-Regierung und den politischen Analysten als Zeichen eingeschränkter politischer Freiheit interpretiert wird. Aber jede Person kann für die Kommunalversammlungen kandidieren und später von der Nationalversammlung ernannt werden.
Die Führungsgremien der beiden wichtigsten Parteien in den USA, des Demokratischen und des Republikanischen Nationalkomitees, verdanken ihre Positionen denen, die es ihnen ermöglichen, die Kampagne ihrer Kandidaten zu unterstützen; wodurch es weiter eingeschränkt wird, wer kandidiert.
Die Ansicht, dass die Konzentration des Reichtums und die enorme private Finanzierung politischer Kampagnen nicht mit einer offenen Partizipation der Bürger vereinbar sind, ist weder radikal noch sozialistisch. Diese Sichtweise ist, wie Robert Gallucci, amerikanischer Akademiker, Diplomat und ehemaliger Präsident der MacArthur-Stiftung, sagt „gesunder Menschenverstand“.
„Ein Senatssitz kostet durchschnittlich 10,5 Millionen US-Dollar und ein Sitz im Kongress 1,7 Millionen US-Dollar. Es gibt starke Anreize für Politiker, auf wohlhabende Spender zu achten – nicht zuletzt das Überleben der Wahlen… Wenn die politischen und wirtschaftlichen Gewinner zusammenarbeiten, um die Politik zu dominieren, werden die Sorgen der normalen Menschen nicht ganz oben auf der Tagesordnung stehen.“ erklärt Gallucci.
Diese Realität wurde noch verschlimmert durch das Urteil des Obersten Gerichtshofs von 2010 („Citizens United“), das Spenden in unbegrenzter Höhe von Unternehmen und anderen privaten Akteuren für politische Kampagnen erlaubt.
Im Gegensatz dazu gibt es in Kuba keine Millionenkampagnen. Kampagnen für die Kandidaten der Kommunalversammlungen sind auf das Wesentliche reduziert: eine Präsentation des individuellen Profils des Kandidaten, in dem seine Qualitäten und Kompetenzen für die Vertretung seiner Wähler hervorgehoben werden. Alle Profile der Kandidaten werden veröffentlicht, damit sich die Wähler informieren können.
Die Wahl des Präsidenten
In Kuba und in den USA wird der Präsident indirekt gewählt.
Letztes Jahr wurde Donald Trump zum US-Präsidenten erklärt, nachdem er die Volksabstimmung mit über zwei Millionen Stimmen verloren hatte. Es sind nicht die Menschen der Vereinigten Staaten, die ihren obersten Vertreter gewählt haben, sondern eine Gruppe von „Repräsentanten“ oder Wahlmännern aus jedem Staat. Ähnlich geschieht es in Kuba, wo der Präsident auch nicht durch Volksabstimmung gewählt wird, sondern vom Staatsrat, der von der Nationalversammlung gebildet wird.
Der Unterschied besteht jedoch darin, dass in Kuba im Rahmen des demokratischen Prozesses an der Basis direkte Kommunalwahlen stattfinden, während dieser Prozess in den USA von zwei Parteien mit eigenen wirtschaftlichen Interessen und Machtdynamiken dominiert wird.
In den USA bestimmt das System der Wahlmänner, dass Staaten mit einer höheren Bevölkerungsanzahl mehr Wahlmännerstimmen haben, aber in vielen Staaten gilt „the winner takes it all“, was bedeutet, dass, wenn ein Kandidat in einem Bundesstaat wie Ohio die Mehrheit der Stimmen gewinnt, die Stimmen derer, die für die anderen Kandidaten abgegeben wurden, verloren gehen – sie verlieren ihre Stimme in der Wahl. Das bedeutet, Millionen von Menschen, die gewählt haben, zum Schweigen zu bringen. Dies könnte in Kuba nicht passieren, weil jeder Distrikt (mit einer Bevölkerung von 300 bis 2000 Menschen) mindestens einen Delegierten in den Kommunalversammlungen hat.
Laut einer Gallup-Umfrage unterstützen mindestens 49 Prozent der US-Bevölkerung die Änderung der Verfassung zur Abschaffung des Wahlmänner.
Natürlich gibt es in Kuba Leute, die das bestehende Wahlsystem ablehnen, aber bisher scheinen sie, angesichts der hohen Wahlbeteiligung auf der Insel, nur wenige zu sein.
Das Recht zu wählen
In vielen Staaten der USA können Menschen, die nicht registrierte Demokraten oder Republikaner sind, bei den Vorwahlen nicht wählen.
Bei allgemeinen Wahlen müssen sich US-Bürger ab 18 Jahren registrieren lassen, um wählen zu können. Offiziellen Quellen zufolge können die Ablauffristen für die Registrierung bis zu einem Monat vor einer Wahl liegen. Diese Anforderung gibt es in Kuba nicht, wo alle Bürger und Einwohner, die älter als 16 Jahre sind, automatisch zur Wahl registriert werden.
In beiden Ländern sind die politischen Rechte von Menschen, die wegen Verbrechen verurteilt wurden, eingeschränkt. In Kuba können verurteilte Kriminelle nicht wählen, während in den USA nur in zwei Staaten Verbrecher das Wahlrecht nicht verlieren.
Vor den US-Präsidentschaftswahlen im Jahr 2016 registrierte das „NYU Brennan Center for Justice“ 15 Staaten, die Stimmrechtsbeschränkungen verhängten – „Teil einer breit angelegten Kampagne zur Einschränkung der Stimmrechte, die nach den Wahlen im Jahr 2010 begann, als staatliche Gesetzgeber landesweit Hunderte von scharfen Maßnahmen einführten, die es schwieriger machten zu wählen.“
Zu den Restriktionen gehören die Pflicht einen Lichtbildausweis und einen dokumentierten Staatsbürgerschaftsnachweis für die Registrierung zur Stimmabgabe vorzulegen.
Die „Lichtbildausweis-Abstimmungsgesetze“ wurden vor dem High Court in mindestens vier US-Bundesstaaten angefochten, und in mindestens zwei als unverhältnismäßiges Vorgehen gegen Latino- und Afroamerikaner in Frage gestellt. Darüber hinaus besitzen die meisten Menschen, die in Armut leben, keine Pässe oder Führerscheine, die einzigen zwei Formen eines Lichtbildausweises.
In beiden Ländern besteht kein Zwang zu wählen. Während die USA eine sehr niedrige Wahlbeteiligung bei 50 Prozent haben, liegt die Wahlbeteiligung in Kuba bei über 90 Prozent.
Wenn wir uns die Beteiligung am Wahlprozess ansehen, stellen wir fest, dass, während die USA es zunehmend eingeschränkt hat, wer sich zur Wahl stellen und wer wählen kann, Kuba verschiedene Mechanismen hat, um die Mitbestimmung des Volkes, sowohl als Wähler wie auch als Kandidaten sicherzustellen.
Die USA, die sich selbst als die großartigste Demokratie der Welt betrachtet, hat eine eher dysfunktionale und eingeschränkte Demokratie, was ihre Repräsentanten dazu veranlassen sollte, zweimal zu überlegen, bevor sie andere politische Systeme als undemokratisch bezeichnen.
Quelle:
https://www.telesurtv.net/english/analysis/A-Comparative-Analysis-of-US-and-Cuban-Democracy-20180303-0005.html
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