Momentan verbreitet sich die Nachricht in den Mainstream Medien, dass die EU Kommission ein Strafverfahren gegen Polen eröffnet. Es ist eine Nachricht mehr nicht, oder ist es doch mehr?
Es ist mehr als eine Nachricht, denn es enthält eine klare Botschaft für die restlichen EU-Mitglieder: „Wer nicht nach unserer Pfeife tanzt, bekommt Ärger.“
Sie reden von Flüchtlingen, die Polen nicht aufnahmen will, aber von den hunderttausend „ukrainischen Flüchtlingen“ in Polen redet niemand. Über den durch die neoliberale EU-Politik erst geschaffenen Raum für Nationalisten und Nazis auch nicht. Auch die Auswanderung der Polen aus ihrem eigenen Land nach England (ca. 800 000) und in die BRD interessiert niemanden. Die Folgen der Sanktionen gegen Russland für das Land auch nicht. Die Bauern, die ihre Ernte vernichten mussten und die verlorenen Arbeitsplätze, was in erster Linie die arme Bevölkerung traf. Es wird von korrupten Politikern geredet, wenn es um eigene Interessen geht. Die Korruption ist nicht erst mit der jetzigen Regierung in Polen entstanden. Wenn es Korruption gibt, gibt es auch diejenigen, die diese Politiker bestechen. Skandale um die Beteiligung deutscher Konzerne an den gibt es genug.
Es geht lediglich um die „Justizreformen“, die Polen umsetzen will. Auch wenn es etwas absurd erscheint, weisen die Wahlen der obersten Richter in Polen und der BRD Gemeinsamkeiten auf. Nun hat jemand sich die Mühe gemacht, in Wikipedia einfach zu erklären, wie das Verfahren in der BRD abläuft.
Wer wählt die Verfassungsrichter in der BRD? Politiker natürlich. In Polen wäre das fatal für die Demokratie.
Wahl im Bundesrat:
„Im Bundesrat werden die Richter seit Bildung des Gerichtes durch das Plenum gewählt. Grundlage ist hierbei in der Regel ein durch die Ministerpräsidenten eingebrachter Antrag. Zur Annahme des Antrags und somit zur Wahl des Vorgeschlagenen muss dieser eine Zweidrittelmehrheit der Stimmen des Bundesrates, also 46 von 69 Stimmen, auf sich vereinigen.“ (1*)
Dann das Finale. Die Wahl im Bundestag. Die Regierung in Polen hat die notwendige Mehrheit im Parlament. Sonst hätten sie nicht die Regierung bilden können.
„Die Wahl der Richter erfolgt durch das Plenum des deutschen Bundestages mit verdeckten Stimmkarten ohne Aussprache. Zur Wahl hat der Kandidat eine Zweidrittelmehrheit der abgegebenen Stimmen auf sich zu vereinigen, diese muss jedoch mindestens die Mehrheit der gesetzlichen Mitglieder des Bundestages betragen. Zur Vorbereitung der Wahl setzt der Bundestag einen zwölf Mitglieder umfassenden Wahlausschuss ein, der vom ältesten Mitglied einberufen und geleitet wird. Die Mitglieder dieses Ausschusses werden nach dem d’Hondt’schen Höchstzahlverfahren aufgrund von Vorschlagslisten gewählt. Der Ausschuss berät vertraulich – die Mitglieder sind zur Verschwiegenheit verpflichtet – und beschließt mit mindestens acht von zwölf Stimmen, dem Bundestag einen Wahlvorschlag zu unterbreiten. Dieses Verfahren soll gewährleisten, dass nur Kandidaten mit hinreichender Unterstützung dem Plenum zur Wahl vorgelegt werden.“ (2*)
Richter als Mitglieder einer Partei:
„Er kann zwar zum Zeitpunkt der Wahl zum Bundesverfassungsrichter den vorgenannten Organen angehören, scheidet jedoch mit der Ernennung zum Bundesverfassungsrichter aus den vorgenannten Organen aus“ (3*)
Gewählt werden die Richter für 12 Jahre. Auch wenn die Regierung abgewählt wurde und nicht mehr im Amt ist, bleiben ihre Richter, die nicht vom Volk gewählt wurden, weiterhin im Amt.
„Gemäß § 4 Abs. 3 BVerfGG besteht eine Altersgrenze von 68 Jahren für die Richter. Mit Ablauf des Monats, in dem der Richter 68 Jahre alt wird, endet seine Amtszeit, wobei er allerdings das Amt noch weiterführt, bis ein Nachfolger ernannt ist. Nach § 105 BVerfGG kann das Plenum bei dauerhafter Dienstunfähigkeit eines Richters den Bundespräsidenten ermächtigen, diesen in den Ruhestand zu versetzen.“ (4*)
Also kurz gesagt, heißt das:
Der Bundesrat schlägt vor und der Bundestag stimmt ab. Also Abgeordnete …
Die farbenfrohe Zusammensetzung des Bundestages spiegelt sich jedoch nicht in der Zusammensetzung des Verfassungsgerichts wider. Dort finden sie keine Richter der Opposition im Bundestag oder der außerparlamentarischen Opposition. Politiker werden für vier Jahre vom Volk gewählt, aber die obersten Richter von denselben Politikern für 12 Jahre, also für drei Legislaturperioden. Mehr Demokratie kann es nicht geben und das kann man exportieren. Schließlich sind wir doch Exportweltmeister.
Man kann nicht alles mit existierenden Gesetzen begründen. Das haben die Nazi Richter so gemacht. Sie haben gesagt, sie hätten nach Gesetzen gehandelt und sind unbestraft davon gekommen, zumindest sehr viele von ihnen. Wären die Nazis nicht den Krieg gezogen (sie waren doch ein souveräner Staat und konnten Gesetze verabschieden, wie sie wollten) sondern „friedlich“ geblieben, wären immer noch dieselben Gesetze gültig.
Wenn das Verfassungsgericht andauernd die Gesetze der neoliberalen Politik für verfassungskonform erklärt, bleibt nur das müde lächeln der Bevölkerung in der Erinnerung übrig. Kriegseinsätze der Bundeswehr und die Hartz-Gesetze sind einfache Beispiele dafür.
Das macht deutlich, dass sich nicht die Farbenvielfalt des Bundestages, sondern die Politik der Regierung im Verfassungsgericht widerspiegelt.
Wenn man berücksichtigt, aus welchen Parteien sich die Regierungen seit der Gründung der BRD gebildet haben, so ist es einfach, sich ein Bild von der Zusammensetzung des Verfassungsgerichts zu machen.
Nun zum polnischen Verfahren;
„Das Gericht wurde basierend auf dem Gesetz vom 29. April 1985 zum Jahresanfang 1986 gegründet und hat seinen Sitz in Warschau. Der Verfassungsgerichtshof besteht aus 15 Richtern, die vom Sejm (beiden Kammern der polnischen Nationalversammlung) für neun Jahre gewählt werden. Eine Wiederwahl ist nicht zulässig. Der Präsident des Verfassungsgerichtshofes (poln. Prezes Trybunału Konstytucyjnego) und seine Stellvertreter werden vom Staatspräsidenten aus den von der Generalversammlung der Richter des Verfassungsgerichtshofs vorgeschlagenen Kandidaten berufen und vereidigt.
Die Entscheidungen des Verfassungsgerichtshofes sind allgemein bindend und endgültig.“ (5*)
Welche Änderungen könnten Europa gefährden? Sind die vorherigen Regierungen besser gewesen? Die Machthaber in Polen wollen herrschen, die Machthaber aus dem Ausland auch (und zwar dort). Das Volk interessiert niemanden. Es sind Machtspiele und beide Seiten wissen sehr wohl, dass die Sanktionen gegen Polen die Situation nicht entschärfen wird, sondern vielmehr eskalieren, wenn überhaupt alle Mitglieder der EU zustimmen. Die großen Staaten der EU und ihre Trabanten werden Druck ausüben. Aber der ein oder andere Mitgliedsstaat stellt sich schon jetzt quer, z.B. Ungarn.
Polen ist nicht nur in der EU, sondern darüber hinaus auch Nato Partner und hat weltweit mehr Soldaten für die Interessen des Westens in der NATO im Einsatz als die BRD.
Vielleicht soll es Schule machen, auf diese Art und Weise die zögerliche Haltung einiger EU Staaten gegenüber der Idee einer europäischen Armee (PESCO) zu zähmen. Obwohl Polen ihre Teilnahme an der PESCO beschlossen hat, fühlen sich die großen EU-Staaten wahrscheinlich in ihrer Sache doch nicht sicher.
Die britische Premierministerin Theresa May besuchte Anfang Dezember 2017 Polen. Beide Länder unterzeichneten einen Verteidigungspakt. Dieser sieht eine verstärkte Kooperation im Bereich Ausbildung, bei Manövern, beim Ankauf von Waffen und einen umfassenderen Austausch von Informationen vor. Also doch, es geht um Angst.
Nun auf welche der westlichen Demokratien sollte man sich einigen?
Auf die Deutsche, in der die Verbrechen von Neonazis im Sinne einer „Justiz, die auf dem rechten Auge blind ist“ verharmlost werden und die Täter oft ohne Strafen davon kommen oder nur geringe Strafen erhalten? Der NSU Prozess ist das beste Beispiel dafür. Oder was ist mit den Nazis, die während des Nationalsozialismus NSDAP Mitglieder waren und nach dem Krieg als Mitglieder der jetzigen Parteien in den Bundestag einzogen und die Verfassungsrichter gewählt haben? Was ist mit den Konzernen, die weltweit für Korruptionsschlagzeilen sorgen?
Auf die Griechische, die erst über den Willen des Volkes abstimmen lässt, dann aber genau das Gegenteil der Entscheidung zu Gunsten der Troika durchsetzt?
Auf die Spanische, die mit aller Gewalt gegen den Willen des Volkes vorgeht und die Menschen in den Knast steckt. Und in der seit Jahren Korruptionsprozesse geführt werden.
Die Ukrainische, in der Faschisten nach einem inszenierten Schauspiel in der gebildeten Regierung sitzen dürfen. Und in der die Korruption auch ein Bestandteil des alltäglichen Leben geworden ist?
Die Französische, in der es – alle anderen übertreffende und Partei übergreifende – Korruptionsskandale gibt und Arbeits- und Sozialgesetze im Ausnahmezustand ohne parlamentarische Abstimmung durchgeboxt werden?
Die Amerikanische, mit ihrer Zwei-Parteien-Diktatur, dem rassistischen Polizeisystem und korrupten Richtern, die Menschen in den Knast schicken, weil sie eine Belegungsquote von 90% zur Erhaltung der privaten Gefängnisse einhalten müssen und sich dabei reichlich schmieren lassen (Cash for Kids)?
Es muss doch eine geben, die wir mit gutem Gewissen exportieren können…
Ich kenne keine.
Martin Schulz, Parteivorsitzender der SPD, rief in seiner Rede auf dem SPD-Bundesparteitag Anfang Dezember 2017 seine Partei dazu auf, „spätestens im Jahre 2025 die Vereinigten Staaten von Europa“ zu schaffen.
Ein Europa nach dem Geschmack der BRD/SPD soll gegründet werden.
„Globale Regeln müssen global durchgesetzt werden, und hierfür brauchen wir Europa. Deshalb müssen wir Europa stärken. Deshalb sind wir die Europapartei. Und nur Europa kann in dieser Globalisierung die Regeln durchsetzen, die ihre Auswüchse, (…) unter Kontrolle bringen. Deshalb müssen wir Europa stärken.“
Alle sollen nach unserer Pfeife tanzen.
„Dieser Verfassungsvertrag muss deshalb mit den Menschen erarbeitet werden. Wenn wir ihn haben, dann muss er in den Mitgliedsstaaten vorgelegt werden. Wer dann dagegen ist, der geht dann eben aus der Europäischen Union heraus“
Ansonsten werden sie aus dem europäischen Bündnis rausgeschmissen.
Wie heißt es so schön im Neuen Testament: “Ihr seid meine Freunde, wenn ihr tut, was ich euch gebiete.“ (Joh. 15,14)
Es ist kein Wunder, wenn die ungarische Regierung vom 4. Reich spricht.
Es ist unklar, wie weit sich die anderen EU-Staaten demnächst von der Idee beeinflussen lassen. Werden sie den Druck aushalten und den Rausschmeiß des ein oder anderen Mitgliedsstaates aus der EU dulden? Es wird wahrscheinlich von der wirtschaftlichen Abhängigkeit und Korruption abhängen. Das Motto heißt nun, „solange es den anderen schlecht geht, wird es uns gut gehen“.
Wenn der Druck auf die einzelnen Staaten, wie jetzt auf Polen, erhöht wird, wird der Widerstand auch größer.
Nachdem die Sanktionen gegen Russland verhängt worden waren, hatte Putin vor zwei Jahren gesagt;
„Die Sanktionen waren das Beste, was Russland seit dem Kollaps der Sowjetunion geschehen konnte. Sie zwangen Russland, seine eigene Landwirtschaft wieder zu entwickeln und seinen erloschenen industriellen Apparat mit Wissenschaft und Forschung auf modernsten Standard anzuheben,
Es hat Erfolg gehabt und die Sanktionen haben auch den Usbeken und anderer Zentralasiaten genutzt, indem der Lebensstandard stieg, durch Lieferung von Gütern und Dienstleistungen an Russland, was Russlands Kapazität noch mehr stärkte. Zusammen mit ihren eurasischen Partnern erreichen die Russen allmählich die volle Selbstversorgung und Unabhängigkeit von den erpresserischen „Sanktionen“ der westlichen Ökonomien.“ (6*)
Er hatte Recht, die Leidtragenden waren die kleinen EU-Länder, die mit Russland Geschäfte gemacht haben. Russland hat jetzt andere Lieferanten (alte Sowjetrepubliken, die ebenfalls von der Entscheidung profitiert haben).
Damit ist der Traum derjenigen Länder, die darauf hofften, irgendwann wieder mit Russland Geschäfte machen zu können, ausgeträumt. Trotz der Sanktionen werden den großen EU-Länder mit einer starken Wirtschaft weiterhin neue Möglichkeiten offen stehen, während die kleineren EU-Länder ihre Zustimmung zu den Sanktionen nochmal überdenken werden, denn letztendlich sind sie die leidtragenden der Sanktionen.
Und dann ist da auch noch China, das sich massiv in die Geschehnisse in Asien einmischt.
Es wird sich vieles im eurasischen Raum entwickeln, z.B. das Seidenstraßen-Projekt von Chinas Präsident Xi Jinping. Ein Straßenprojekt, das Vorhaben von Infrastruktur, Industrie, Wissenschaft und Technologie Entwicklung beinhaltet und letztendlich darauf abzielt, ganz Europa, Asien und sogar Afrika zu umfassen. Dazu kommt das OBI Projekt in Höhe von multi-Billionen Dollar, das Geschäfte außerhalb des Dollar und Euros ermöglicht.
Drohungen scheinen das einzige Mittel, um den eigenen Willen/die eigenen Interessen durchzusetzen oder zumindest die „Auswüchse“ (wie Schulz formulierte) zu begrenzen.
Das ist die Methode des Neoliberalismus. Ein wichtiger Bestandteil sind die westlichen Demokratien. Denn wenn die eigene Bevölkerung mit ins Boot genommen wird, funktioniert es umso besser und es sind keine Widerstände, keine kritischen Fragen und kein Widerspruch zu erwarten
1) – https://de.wikipedia.org/wiki/Bundesverfassungsgericht
2) – s.o.
3) – s.o.
4) – s.o.
5) – https://de.wikipedia.org/wiki/Verfassungsgerichtshof_(Polen)
6) – https://einarschlereth.blogspot.de/2017/12/usbekistan-eine-stimme-aus-eurasien.html
Bild: Selçuk Demirel
Verfasst für FreieSicht.org