Globale Zensur und Militarisierung des Internets
Die Studenten von MIT und Harvard wussten darüber hinaus, dass technologische Projekte wie das Internet und die Computer 15 Jahre lang weitgehend durch das Pentagon finanziert worden waren, und zwar zunächst, um ein Netzprotokoll zu entwerfen, dass dezentralisiert sein und einen atomaren Angriff überstehen sollte.
Das ursprüngliche Projekt brachte paradoxerweise eine Gruppe von Wissenschaftlern mit utopischen Vorstellungen, nach denen das Internet eine Art neues demokratisches System sei, mit den Militärs des Pentagon zusammen, die es nur für rein militärische Zwecke wollten, so Yasha Levines Untersuchung.
Nach den ersten Schritten wurde das Internet mit der Zeit auch dem Privatsektor überlassen und daraus ging die Gründung von Firmen des Silicon Valley wie unter anderem Microsoft, Apple, Amazon, Facebook und Google hervor, die sich der Vermarktung der Informationstechnologie und der enormen Datenbanken widmen. Diese entstanden mit der exponentiellen Zunahme ihrer Nutzer im Netz, als ob es sich um eine Armee von Ameisen handele, die sich über alle Räume und Zwischenräume ausbreitet und bis in die verborgensten Winkel vordringt.
Die Geschichte ist bekannt, weil die Riesen des Silicon Valley zu einer Industrie 2.0 und attraktiv für die Spekulationen an der Wall Street geworden sind, während sie in militärischen Projekten des Pentagon fortbestehen und in hohem Maße die Präsidentschaft von Barack Obama finanzierten. Letzteres geschah auf eine Weise, dass sie zu einer der aktivsten Spendergruppen in der US-Politik aufstiegen, bis das Hereinbrechen von Donald Trump das innere politische Gleichgewicht des Landes vollständig veränderte und sie in eine Position der Schwäche gerieten, da sie die ideale Plattform sind, um die Botschaft des Immobilienmagnaten zu verbreiten.
Ursprung und Zukunft einer neuen Welle globaler Zensur
Das Establishment, das Hillary Clinton unterstützt hatte, reagierte auf den Sieg Trumps unmittelbar damit, ihn einer „durch russische Einmischung in die US-Wahlen geführte Kampagne falscher, von den sozialen Netzwerken verbreiteten Meldungen“ zuzuschreiben ‒ da Trump einer nationalistischen Bewegung der globalen Ultrarechten mit Positionen angehöre, die eine Annäherung an Moskau in der Außenpolitik Washingtons befürworte.
Das erste Unternehmen von Silicon Valley, das gedrängt wurde, Stellung in der Angelegenheit zu beziehen, war Google. Der Konzern stellte eine als Experten getarnte Gruppe von Zensoren auf, um „die Kampagnen von im Ausland aufgebrachten Falschmeldungen“ aus dem Netz zu nehmen. Laut Matt Taibbi, einem Kolumnisten des Musikmagazins Rolling Stone, hat Google so zum Beispiel den iranischen Kanal HispanTV von seiner Plattform genommen und acht Millionen Videos auf Youtube entfernt.
Die ganze Sache wurde durch den Facebook-Cambridge Analytica-Datenskandal noch heißer, der den Verkauf von Daten seitens Facebook enthüllte, um eine Big Data-Kampagne zugunsten von Donald Trump zu führen. Die Folgen erwiesen sich für den Konzern von Mark Zuckerberg als verheerend, als er persönlich vor dem Ausschuss für Handel, Wissenschaft und Energie des US-Kongresses erscheinen musste, um auszusagen, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederholen werde.
In gleicher Weise wurden Führungskräfte von Facebook, Twitter und Google vor dem Justizausschuss des US-Kongresses befragt, wo Senator Clint Watts, Ex FBI-Agent und Mitglied der Allianz zur Sicherung der Demokratie (Alliance for Securing Democracy), versicherte: „Der Bürgerkrieg der Vereinigten Staaten gegen sich selbst hat bereits begonnen, deshalb müssen wir jetzt auf dem Schlachtfeld der sozialen Netzwerke handeln, um die Rebellionen der Information zu unterdrücken, die uns leicht zu gewalttätigen Konfrontationen führen und zu den Uneinigen Staaten von Amerika machen könnten“.
Senatoren wie Chris Murphy haben darauf hingewiesen, dass das „Überleben der US-Demokratie von der Fähigkeit abhängt, die Lügenkampagne gegen ihre Nation aus dem Netz zu nehmen“ ‒ und diese Aussagen kommen aus einem Kongress, der weitgehend von der Rüstungsindustrie finanziert wird. Diese Industrie ist daran interessiert, dass die „russische Bedrohung“ auf der Tagesordnung bleibt, um, dem Ex-General Richard Cody zufolge, (Vizepräsident von L-3 Communications, dem siebtgrößten Militärauftragnehmer des Landes) mehr Waffen an die europäischen Länder zu verkaufen.
Unter diesem Druck unterzeichnete Mark Zuckerberg einen Vertrag mit dem Digital Forensic Research Lab (DFR Lab) des Atlantic Council, zur „Identifizierung, Darstellung und Erklärung der Desinformation während der Wahlen auf der ganzen Welt, neben der Identifizierung derjenigen, die seitens feindlicher staatlicher Akteure spaltende Inhalte und Angriffe auf faktenbasierte Berichte und Untersuchungen befördern.“ Das heißt: Facebook hat eine Gruppe beauftragt hat, die sich um Zensur kümmern soll, nicht mehr nur auf der internen Ebene der USA, sondern auf globaler Ebene.
Aber es ist nicht irgendein Zensor, sondern eine Zweigstelle der Denkfabrik des Atlantic Council, finanziert durch Banken wie Goldman Sachs, Rüstungsunternehmen wie Lockheed Martin und Erdölfirmen wie ConocoPhillips. Nicht umsonst wird das Atlantic Council wegen seiner Verschmelzung mit den am meisten auf Krieg orientierten Sektoren in Washington in den Jahren der Regierungen Reagan, Clinton, Bush und Obama als Denkfabrik der Nato bezeichnet.
In seinen ersten Tagen nahm das DFR Lab 32 Accounts von Facebook-Seiten aus dem Netz, weil sie angeblich in eine „russische Einmischung“ verwickelt seien. Darüber hinaus wurden unlängst die Accounts von Telesur, Venezuela Analysis und Anti-Kriegspolitikern wie Ron Paul aus dem Netz entfernt. Twitter verfuhr mit dem Kriegsgegner und Schriftsteller, Peter Van Buren von AntiWar und dem Journalisten Scoot Horton, einem Gegner der Vision eines dominanten Mediensystems in den USA ebenso.
Der vielleicht aufsehenerregendste Fall von Zensur ereignete sich, als vor wenigen Wochen YouTube, Spotify, Facebook und Apple die Konten und Inhalte löschten, die von Alex Jones von InfoWar, einem mit der Bewegung der alternativen Rechten verbundenen Radiomoderator, verbreitet wurden. Er unterstützt Donald Trump. Der US-Präsident seinerseits attackierte Google und Facebook sofort wegen „Unterdrückung von konservativen, seiner Regierung zugeneigten Stimmen zugunsten der Positionierung von Fake News-Medien“.
Sein ehemaliger Nationaler Sicherheitsberater und Mitbegründer von Cambridge Analytica, Steve Bannon, ging noch weiter, als er bei CNN eine Regulierung oder Verstaatlichung der Big Data-Konzerne mittels eines unabhängigen Ausschusses forderte , weil es „nicht sein kann, dass sie die einzigen Eigentümer angesammelter Informationsdaten sind“.
Laut Bannon müssten außerdem „wie unter Teddy Roosevelt die großen Konzerne aufgeteilt wurden“, wobei er sich auf die zu Beginn des 20. Jahrhunderts verhängten Antimonopolgesetze bezog, um Giganten wie Standard Oil in verschiedene Firmen zu unterteilen.
Die Sprache der Zensur und ihre Folgen
Das Silicon Valley lebt davon, seine riesige gespeicherte Datenbank an der Wall Street zu handeln und zu finanzialisieren. Allein Facebook konzentriert zum Beispiel 50 Millionen Stunden täglicher Nutzung durch ein Viertel der Weltbevölkerung auf sich und besitzt vier der fünf auf den Mobiltelefonen der Welt meist benutzten Applikationen (Instagram, WhatsApp, Facebook und Messenger). Und auf Google finden 92 Prozent der im Internet durchgeführten Suchvorgänge statt, was dem Konzern eine große Macht bei der Beeinflussung und bei der Verbreitung informativer, kultureller und unterhaltender Inhalte verleiht.
Aber dem US-amerikanischen Journalisten Matt Taibbi zufolge gilt auch, dass für Giganten wie Facebook „enormer logistischer Aufwand bei der Kontrolle der Inhalte von 2,23 Milliarden Nutzern“ entsteht. Einer der Fälle, die dies demonstrieren, war der „außerordentlich komplizierte technische Prozess“, der dazu nötig war, einige Porno- und Enthauptungsvideos aus dem Netz zu nehmen.
Daher ist es für die Firmen des Silicon Valley absolut sinnvoll, Auftragsteams, die weitgehend in den militärisch-industriellen-finanziellen Komplex eingebunden sind, im Tausch gegen die Erlaubnis einer Fortsetzung des Datenhandels Zensurbefugnisse zu erteilen. Eine Tatsache, die die Spannung symbolisiert zwischen den Utopisten des Silicon Valley, die heute zu Technologie-Magnaten geworden sind, und denen, die die Entstehung des Internets über das Pentagon finanziert haben ‒ und die beide noch immer an gemeinsamen Militärprojekten beteiligt sind.
Andererseits schreibt die australische Journalistin Caitlin Johnstone diese Offensive des militärisch-industriellen-finanziellen Komplexes der Tatsache zu, „dass das Vertrauen in die konzentrierten Medien an seinem tiefsten Punkt angelangt ist, weshalb man darauf abzielt, die Ideen und die nicht autorisierte Information, die im Netz durch die Nutzer geteilt werden, zu kontrollieren“. Dies zeigt einen allmählichen Glaubwürdigkeitsverlust der im Internet vorherrschenden Darstellung, während alternative Standpunkte auftauchen, die offline gesetzt oder diskreditiert werden müssen.
Das Streben nach mehr Kontrolle der alternativen Standpunkte, auch wenn sie den Bruch im weltweiten Establishments offenbaren, ist ein deutlicher Beweis dafür, dass die ganzen Globalisierungsideen der vorherrschenden Macht, die nach dem Fall der Sowjetunion im Aufwind waren, sich in einer Phase befinden, dass sie denen, die ihnen keinen Glauben schenken und von denen es im Internet nur so wimmelt, aufgezwungen werden müssen..
Wenn das Internet zu seinem ursprünglichen Geist als Kontrollprojekt zurückkehren soll, ohne dass alternative Akteure seine Big Data-Werkzeuge nutzen können, ist impliziert, dass der militärisch-industrielle-finanzielle Komplex auf sehr viel gefährlichere Kontroll- und Beherrschungsmechanismen abzielt, wobei man zur Rückeroberung verlorenen Terrains dazu bereit ist, die eher an New Age, Wachstum und Attraktivität orientierte Fassade fallen zu lassen, die man als Marktutopie aufgebaut hatte: Silicon Valley.