Tegucigalpa. Ein Großaufgebot an Militär und Polizei versucht derzeit in Honduras, die Protestwoche gegen den neuerlichen Amtsantritt von Präsident Juan Orlando Hernández am 27. Januar vollständig zu unterbinden. Dennoch kommt es seit Samstagmorgen landesweit zu Straßensperren und Demonstrationen. Dagegen gehen die Sicherheitskräfte massiv vor. Beobachter vor Ort berichten über Festnahmen und Schwerverletzte. Im Ort Sabá im Norden von Honduras, wurde der 76-jährige Anselmo Villareal, der auf seinem Fahrrad unterwegs war, von einer Armeekugel getroffen und starb wenig später.
Auf den Reporter Dassaev Aguilar Moncada des Senders HispanTV feuerte Militärpolizei laut Medienberichten eine Tränengranate ab, die ihm ein Bein brach.
Das Hochkommissariat für Menschenrechte der Vereinten Nationen (UN) und die nationale Menschenrechtsombudsstelle Conadeh gaben indes Kommuniqués heraus, die erneut das Ende der Militärgewalt gegen Demonstranten, den Schutz von Menschenrechtsverteidigern und Medienschaffenden forderten.
In den Sozialen Netzwerken wurde über Razzien durch staatliche Sicherheitskräfte und verschleppte Personen berichtet. Die Menschenrechtsorganisation Cofadeh äußerte sich besorgt über mehrere Festnahmen, wie die des Studenten Nery Cruz am Samstagnachmittag. Er war einer der führenden Köpfe des studentischen Hungerstreiks an der Nationalen Universität im vergangenen Juni.
Unterdessen hat das Parlament mit den Stimmen der Nationalen Partei (PN) und von sechs Abgeordneten von Kleinparteien seinen vorübergehenden Vorstand gewählt. Mauricio Oliva (PN) ist damit Parlamentspräsident, Dennis Castro Bobadilla von der Patriotischen Allianz (AP) sein Vize und Tomás Zambrano (PN) wird Vorstandssekretär. Die Patriotische Allianz stellt sich damit auf die Seite der Nationalen Partei. Ihr Vorsitzender, Romeo Vásquez Velásquez, war als damaliger Oberkommandierender der Armee im Jahr 2009 mitverantwortlich für den Putsch gegen Ex-Präsident Manuel Zelaya. Weitere Stimmen für den Vorstand kamen von den Christdemokraten und der Demokratischen Union. Abgeordnete der Liberalen Partei, der Partei Freiheit und Neugründung und der Kleinpartei PINU-SD beklagen hingegen, dass versucht wurde, sie von der Wahl auszuschließen: Sie war ursprünglich für neun Uhr morgens angesetzt, wurde aber kurzfristig auf sieben Uhr vorgezogen. Der liberale Abgeordnete Darío Banegas erklärte, seine Partei habe nicht einmal Zeit gehabt, einen eigenen Kandidaten für den Parlamentsvorsitz aufzustellen, ihm wie auch anderen Abgeordneten der Opposition wurde kein Rederecht gewährt.
Während am frühen Sonntagmorgen der Nationalkongress zusammentrat, waren die Zufahrtsstraßen stark militarisiert. Demonstrierende in der Hauptstadt Tegucigalpa trafen sich in der Nähe des Stadions, konnten aber nicht zum Parlament vordringen.
Auch in anderen Landesteilen demonstrierten die Menschen und besetzten Straßen. In Sozialen Netzwerken wurde unter anderem über Proteste in Choloma, San Pedro Sula und im Department Intibucá berichtet. Der Sprecher der Nationalpolizei, Yaír Meza, sagte hingegen, dass es nur in Tegucigalpa und im Department Colón Demonstrationen gebe. Er kündigte weitere gemeinsame Operationen mit dem Militär an. „Die Nationalpolizei wird begleitet von den honduranischen Streitkräften Operationen durchführen, um den freien Personenverkehr zu schützen“, so Meza. Auf diese Weise wird erneut die Aufforderung der UN ignoriert, nicht mit Militär gegen Demonstrierende vorzugehen.
So sind Polizei und Militär massiv auf den öffentlichen Straßen präsent, maskierte Ordnungskräfte patrouillieren auf den Fahrzeugen mit Maschinengewehren im Anschlag. Die Gruppe Honduras Solidarity Network berichtet auf ihrem Twitter-Account über verschiedene Übergriffe auf Protestierende. So sei in San Pedro Sula und in San Juan Pueblo mit scharfer Munition geschossen worden, wobei mindestens eine Person verletzt und in ein Krankenhaus gebracht wurde. Mindestens 15 Personen seien festgenommen worden, darunter ein Minderjähriger. Ein gestern veröffentlichtes Video dokumentiert, wie Soldaten im Stadtteil Villanueva in Tegucigalpa auf die Bevölkerung schießen. Protestierende hätten außerdem über den stärkeren Einsatz Tränengases als bislang üblich berichtet.
Die vom Regierungslager kontrollierte Wahlbehörde TSE hatte Hernández trotz zahlreicher Unregelmäßigkeiten unlängst zum Sieger der Abstimmung vom 26. November erklärt. Große Teile der Bevölkerung erkennen dies nicht an, die Proteste reißen seit den ersten Hinweisen am Wahltag auf einen möglichen Betrug nicht mehr ab.
Quelle: https://amerika21.de/2018/01/193922/honduras-polizei-militaer-strassen