Nach dem Motto “weder der Wolf soll verhungern, noch das Schaf sterben“ treten die Politiker des Westens auf die große Theaterbühne. Geißel ihre wirtschaftlichen Interessen, versuchen sie die Situation für sich zu nutzen.
In der griechischen Mythologie gibt es eine Geschichte, die möglicherweise die Verhaltensweisen von Politikern in Fällen wie der Khashoggi-Affäre erklärt.
Die Geschichte geht ungefähr so;
“Lokaste und Ödipus hatten vier Kinder, zwei Töchter, Antigone und Ismene und zwei Söhne, Eteokles und Polyneikes. Nach dem Tod der Eltern sollten die Söhne abwechselnd die Herrschaft übernehmen. Eteokles weigerte sich die Macht mit Polyneikes zu teilen und verbannte diesen aus der Stadt. Polyneikes wollte das nicht auf sich sitzen lassen, sammelt Verbündete und greift seinen Bruder an. Beide Söhne, also Eteokles und Polyneikes, kommen ums Leben. Daraufhin übernimmt ihr Neffe Kreon die Macht.
Kreon lässt Eteokles, der die Stadt verteidigt hat, den Sitten gemäß beerdigen. Den Leichnam des Polyneikes jedoch, der die Stadt angegriffen hatte, lässt er vor den Toren der Stadt liegen und verbietet eine ordentliche Bestattung. Somit verwehrt Kreon dem toten Polyneikes den Einzug ins Totenreich. Zur Einhaltung seines Verbots, ordnet er an, im Falle der Übertretung die betreffende Person zu steinigen. Wächter sollen die Stelle sichern.
Antigone berichtet ihrer Schwester Ismene von Kreons Verbot Polyneikes zu beerdigen und fragt sie, ob sie bereit wäre, ihr bei der Bestattung zu helfen. Ismene lehnt das ab.
Die Wächter fassen Antigone bei dem Leichnam von Polyneikes und sie wird zu Kreon gebracht.
Antigone gesteht ihre Tat, ihren Bruder mit Erde bedeckt zu haben. Sie beruft sich auf die ungeschriebenen Gesetze des Gottes der Unterwelt. Diese verlangen, dass der Bruder bestattet wird, unabhängig davon, ob er Gutes oder Schlechtes getan hat; das Volk der Stadt sieht das genauso, wagt aber nicht sich zu äußern….
….. Antigone erhängt sich, um der Strafe zu entgehen…“
Warum diese Geschichte?
Wie Erdogan mehrere Rollen der Antigone-Geschichte in Personalunion spielt, zeigt die Khashoggi Affäre.
Zunächst spielt er den Eteokles, will die Macht nicht teilen und begeht den Brudermord an der “Gülen-Bewegung“. Dann übernimmt er die Rolle des Herrschers Kreon, regiert mit eiserner Hand per Dekret, erteilt reichlich Verbote und verhängt drakonische Strafen. Nun will er in die Rolle der Antagonistin Antigone schlüpfen. Seine Machtgier überschreitet die Landesgrenzen. Er hat keine natürlichen Feinde mehr in der Türkei und will nun den Khashoggi-Fall nutzen, um seine Macht im Nahen Osten auszuweiten.
Die Herrschenden ermorden ihre Gegner nicht nur, um diese aus dem Weg zu schaffen, sondern auch um alle anderen mundtot zu machen. Die Methoden haben sich geändert, aber das Ziel bleibt das gleiche. Einige nutzen die Gelegenheit, sich als einer der Guten zu präsentieren. Hinter der vermeintlichen Kritik verstecken sich ihre eigenen Interessen.
Erdogan, der Spielmacher,
Erdogan ließ sich die Chance nicht entgehen, griff in die Trickkiste und gab seine Informationen häppchenweise an die Öffentlichkeit. Die Bühne gehört nicht alleine ihm, aber er spielte sich nun als Menschenrechtler auf. Niemand interessiert seine mörderische, faschistische, neoliberale Politik mehr. Die Position des Saubermanns des Nahen Ostens gefällt ihm sehr, nur was ist mit den über 200 verhafteten Journalisten in der Türkei? Aber die westlichen “Menschenrechtler“ beachten es sowieso nicht. Deshalb nun dieses selbstbewusste Auftreten von ihm. Er versucht die “Antigone“ zu spielen, obwohl er der Herrscher (der über alles entscheidende in der “Stadt“) nämlich “Kreon“ ist.
Erdogan präsentiert sich als der Spielmacher, der die lückenlose Aufklärung des Mordes vorantreibt.
Die Forderungen nach Aufklärung, der in türkischer Haft gefolterten und in der Türkei verschwundenen Menschen, verbittet er sich jedoch.
Seit 23 Jahren fragen die Angehörigen dieser Menschen jeden Samstag nach dem Verbleib ihrer Kinder und fordern Ermittlungen gegen deren Mörder. Statt Aufklärung bekommen sie die volle Staatsgewalt zu spüren. Die 700. Samstagsaktion der „Samstags Mütter“ wurde brutal aufgelöst. Seitdem dürfen die Mütter den Platz nicht mal mehr betreten, er wird von der Polizei regelrecht abgeriegelt. Ausweichsversuche die Aktion fortzuführen wurden ebenso von der Polizei aufgelöst. Dennoch geben die Samstags-Mütter nicht auf und stellen weiterhin ihre Forderungen nach Aufklärung und Gerechtigkeit.
Trotz der Verurteilung der Türkei bezüglich dieses Prozesses durch die Menschenrechts-Kommission der EU macht das Erdogan-Regime weiter. Statt Aufklärung kommen neue Fälle hinzu. Die Familienangehörigen werden weiterhin diskriminiert und haben jeden Samstag die Staatsgewalt im Nacken. So auch als Merkel und Macron sich mit Erdogan in Istanbul trafen.
Was macht die Bundesregierung, die von Erdogan als Nazi bezeichnet wurde?
Außer ihre wirtschaftlichen Interessen zu schützen, tun sie nix. Sie spielen die drei Affen, nichts gesehen, nichts gehört, nichts gesagt. Uns kommt es so vor, als ob sie ihre Hände in Unschuld waschen wollen. Schließlich geht es um Arbeitsplätze in der BRD. Was aber ist mit den Arbeitern in der Türkei? Die traurigen Zahlen der Arbeitsunfälle, wegen prekärer Arbeitsbedingungen (auch bei deutschen Firmen in der Türkei), Arbeiter, die für Hungerlöhne ackern müssen, in Erdogans Diktatur keinen anderen Ausweg als den Selbstmord sehen, werden im Namen der deutschen Interessen ignoriert.
Hauptsache Erdogan rollt ihnen den roten Teppich aus, und manchmal beschimpft er sie auch….
Warum ist der Schrei des Westens nach Aufklärung so laut?
Während der Khashoggi-Mord Merkel aus der Patsche half, Dieselskandal und 32 Milliarden Cum-EX-Abzocke sind nicht mehr die Hauptnachrichten, twitterte Trump fröhlich weiter und machte sich über die amateurhaften saudischen Mörder lustig, bis ihn die Bombenpakete mitten im Wahlkampf auf den Boden der Tatsachen zurückholten. Das Thema Khashoggi wurde so hochgeschaukelt, dass die Medien alles andere vergaßen. Die Wähler in Bayern und Nordrhein Westfallen hat das nicht beeinflusst, wie die Wahlergebnisse zeigen.
Es ist nichts Neues, dass weltweit Journalisten ermordet werden, aber die Reaktionen darauf haben immer etwas damit zu tun, welcher Nutzen daraus gezogen werden kann. Kein Nutzen, kein Aufschrei. Ignorieren ist die Devise, um den Geschäftspartner nicht zu verärgern und die eigenen Interessen nicht in Gefahr zu bringen. Khashoggi hat anscheinend seinen Verbündeten vertraut und ist ins Konsulat gegangen, ohne sich über diese Interessen des Westens Gedanken zu machen.
Von den folgenden Morden hat man in der Europäische Union vielleicht gehört, aber wie viele von uns haben von diesen Morden Notiz genommen?
Innerhalb eines Jahres wurden 3 Journalisten in der Europäische Union ermordet. Es war aber kein Aufschrei zu hören.
Daphne Caruana Galizia war die erste, am 16 Oktober 2017 in Malta, sie untersuchte die Politiker, die Finanzgeschäfte und die persönliche Vorteilnahme der Machthaber.
Jan Kuciak wurde als zweiter, am 21. Februar 2018 in Veľká Mača, Slowakei ermordet. Seine letzte Recherche drehte sich um mögliche Verbindungen der kalabrischen Mafia Ndrangheta bis in die höchsten Stellen der slowakischen Politik.
Viktoria Marinova war die bislang letzte. Sie wurde am 6. Oktober 2018 ermordet. Die bulgarische Investigativ-Journalistin untersuchte einen Betrug mit EU-Fördergeldern.
Mexiko hat leider bezüglich des Ermordens von Journalisten einen besonders schlechten Ruf.
Anfang August 2018 wurde in der Provinz Guanajuato in Mexiko der Journalist Rodolfo Garcia Gonzalez, als er mit seinem Motorrad in die Stadt fuhr, von Unbekannten erschossen.
Im Mai 2018 wurde, ebenso in Mexiko, in der Grenzstadt Tamaulipas der Zeitungsjournalist Hector Gonzalez Antonio ermordet. [1]
Allein in Mexiko wurden innerhalb von 5,5 Jahren über 30 Journalisten ermordet.
Nach einem UNESCO Deutschland Bericht von 2018 wurde festgestellt, dass alle vier Tage ein Journalist aufgrund seines Berufs getötet wird. 1.010 Tötungsfälle registrierte die UNESCO von 2006 bis Ende 2017, weitere 86 im Jahr 2018. [2]
Man muss sich fragen, warum wir mit den Nachrichten über Khashaggi bombardiert werden, während die Morde an all diesen anderen Journalisten nur eine Randnotiz wert sind?
Warum wohl….
[1] https://www.haberler.com/meksika-da-bir-gazeteci-daha-olduruldu-11127824-haberi/
[2] https://www.unesco.de/seit-2006-weltweit-1096-journalisten-aufgrund-ihrer-arbeit-getoetet
Verfasst für freiesicht.org