Hemmungslose Gewaltorgien der (keineswegs nur) uniformierten Schlägerbanden – das war die Reaktion des AKP-Regimes auf den Protest der Bauarbeiter am 3. Istanbuler Flughafen am 15. September 2018. Bauarbeiter, die nach dem „Unfalltod“ zweier Kollegen in der Nacht zuvor, dann am Freitag, 14. September, in den Streik getreten waren gegen ihre unmenschlichen Arbeitsbedingungen. Wenn Bauarbeiter in der Türkei ohnehin bereits ein extrem gefährlicher Job ist, dann ist es noch eine Steigerung davon, an Erdogans Renommierprojekt arbeiten zu müssen. Die, bescheiden ausgedrückt, seltsamen Verbindungen Erdogans mit der Bauindustrie tragen dazu bei. Immerhin so viel, das dieses Projekt zuletzt im Rahmen unserer Dokumentation zum Worker’s Memorial Day 2018 einen „Ehrenplatz“ erhielt (siehe den Verweis am Ende dieser Materialsammlung). Der Streik der Bauarbeiter am Freitag und Samstag war nichts anderes, als ein Akt völlig normaler Selbstverteidigung gegen ein mörderisches Arbeitsregime. Was bei der regierenden Ungerechtigkeitspartei in der Türkei vermutlich demnächst wieder als terroristischer Akt verleumdet werden wird. Wobei – einmal mehr – die Bilder zeigen, wer hier Terrorist ist: Das Profitsystem, dessen Diener (und Nutznießer) Erdogan und Co sind. Volle Solidarität mit dem Streik der Bauarbeiter in Istanbul! Siehe dazu unsere aktuelle (zweisprachige) Materialsammlung „AKP-Regime gegen Bauarbeiter: Terror im Dienste des Profits“ vom 16. September 2018:
„AKP-Regime gegen Bauarbeiter: Terror im Dienste des Profits“
(16. September 2018)
a) Der Streik der Bauarbeiter und seine Gründe – der Polizeiüberfall und seine Auswirkungen
„Die türkische Polizei nimmt Hunderte Arbeiter fest, die gegen Missstände auf der Baustelle des neuen Istanbuler Flughafens demonstrierten“ am 15. September 2018 bei der NZZ ist eine Agenturmeldung, in der unter anderem berichtet wird: „Türkische Sicherheitskräfte haben am Samstag auf der Baustelle für den neuen Flughafen Istanbuls zwischen 400 und 500 streikende Arbeiter festgenommen. Wie die Zeitung «Cumhuriyet» meldete, sind die Arbeiter seit Freitag im Ausstand, nachdem ihr Arbeitgeber den Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen nicht nachgekommen war. Die Sicherheitskräfte hatten Tränengas und Wasserwerfer eingesetzt. Das für den Flughafenbau verantwortliche Unternehmen IGA teilte am späten Abend mit, man wolle so bald wie möglich Massnahmen zur Lösung der Probleme der Arbeiter ergreifen. Die Bauarbeiter-Gewerkschaft Insaat-Is twitterte hingegen, es habe keine Einigung gegeben…“
„Hunderte Arbeiter bei Streik auf Istanbuler Flughafen festgenommen“ am 15. September 2018 bei Spiegel Online meldet unter anderem: „Die Aktion habe in der Nacht zum Samstag stattgefunden, teilte die Gewerkschaft Disk mit. Über die Zahl der Festgenommenen wurden unterschiedliche Angaben gemacht. In Agenturmeldungen waren von 400 oder 500 Menschen die Rede. Ein Unternehmenssprecher verweigerte einen Kommentar. Das Gelände war am Samstag komplett abgeriegelt. Bereits am Freitag hatten die Sicherheitskräfte zunächst Tränengas gegen die Arbeiter eingesetzt, die aus Protest gegen die gefährlichen Arbeitsbedingungen und ihre schlechte Wohnsituation alle Bautätigkeiten eingestellt hatten. Türkische Medien hatten wiederholt berichtet, dass es auf der riesigen Baustelle im Norden Istanbuls bereits zahlreiche tödliche Arbeitsunfälle gegeben habe. Die rund 35.000 Arbeiter stehen unter großem Druck, den Flughafen bis Ende Oktober fertigzustellen, wenn er offiziell in Betrieb gehen soll. Der noch namenlose Megaflughafen am Schwarzen Meer soll dann den weiter südlich an der Küste des Marmarameeres gelegenen Atatürk-Flughafen ersetzen…“
„Istanbul: Razzien und Festnahmen gegen protestierende Arbeiter“ am 15. September 2018 bei der ANF meldet genauer: „Gestern haben Bauarbeiter am dritten Flughafen von Istanbul eine Protestaktion gegen ihre schlechten Arbeitsbedingungen durchgeführt. Heute Nacht brach die Polizei die Baracken der Arbeiter auf, durchsuchte diese und nahm Hunderte Personen fest. Arbeiter auf der Baustelle des dritten Flughafens von Istanbul haben gestern begonnen, gegen Erniedrigung, schlechte Versorgung, ungesunde Betten, ungesundes Essen und oft tödliche Arbeitsunfälle aufgrund katastrophaler Sicherheitsbedingungen zu protestieren. Die Bauunternehmer hatten gestern Abend den Protestierenden noch versichert, ihre Bedingungen zu akzeptieren. Anschließend sollen sie diese Entscheidung aber wieder zurückgezogen haben.Daraufhin setzten die Arbeiter ihren Protest bis Mitternacht fort. Während der Aktion wurden die Schlafstätten der Arbeiter mit Wasserwerfern, Bereitschaftspolizei und Jandarma umstellt. Die Jandarma schlug die Türen ein und brach in die Schlafcontainer ein. 543 Arbeiter wurden festgenommen und mit Stadtbussen von der Polizei abtransportiert. 380 der Arbeiter werden auf der Jandarma-Wache im Stadtteil Arnavutköy festgehalten. In der Bezirksgendarmeriedirektion in Maslak befinden sich 73 Arbeiter in Gewahrsam, weitere 90 Arbeiter in der Kommandantur der Bezirks-Jandarma in Eyüp.“
„Workers building Istanbul’s new airport list their demands one month before opening“ am 14. September 2018 bei Ahval war ein Beitrag zu Streikbeginn, in dem im Wesentlichen die Forderungen, die die Gewerkschaft İnşaat-İş im Namen der Bauarbeiter erhoben hat, berichtet wurden. Im Zentrum steht dabei die Forderung, Maßnahmen zur Erhöhung der Sicherheit zu treffen – was sich vor allem gegen das verschärfte Arbeitstempo richtet, das die Bauunternehmen diktieren wollen, um Erdogans Eröffnungstermin im Oktober 2018 einhalten zu können. Dies wird aber auch – beispielsweise – ergänzt um die Forderung nach Änderung des Verhaltens des medizinischen Personals auf der Baustelle, das als arrogant und unwürdig kritisiert wird. Bei der Lohnauszahlung geht es nicht nur um rückständige Löhne, sondern auch um ein Ende der Bargeldauszahlung – die in der Regel damit verbunden ist, dass die Unternehmen Sozialbeiträge unterschlagen.
„Direnişin sürdüğü 3. Havalimanı inşaatında sepet vinci devrildi, 2 işçi yaralandı“ am 15. September 2018 bei Sendika.org ist ein Bericht über – bei einem weiteren „Arbeitsunfall“ – verletzte Kollegen, die an den Protestaktionen teilgenommen haben.
„3. Havalimanı baskınından: Tekmelerle kapılar kırıldı, işçiler darp edildi“ am 15. September 2018 bei Sendika.org ist ein kurzer Bericht (inklusive Fotos) über den Polizeiüberfall auf die Wohnbaracken der streikenden Bauarbeiter.
„Gözaltına alınan işçiler Arnavutköy Karakolu’nda insanlık dışı koşullarda gözaltında tutuluyor!“ am 15. September 2018 bei Sosyalist Gençlik ist eine kleine Fotodokumentation über die Haftbedingungen festgenommener Bauarbeiter im Massenquartier.
b) Solidarität, Verleumdungskampagne, Repression
„Polizei greift Protest für Bauarbeiter an: Mehrere Festnahmen“ ebenfalls am 15. September 2018 bei der ANF berichtet darüber, dass die Polizeirepression auch gleich gegen Solidaritätsaktionen losgelassen wurde: „Der Arbeitsrat des HDK (Demokratischer Kongress der Völker) rief heute zu einer Protestkundgebung auf. Zahlreiche Menschen kamen auf dem zentralen Kalkedon-Platz im Istanbuler Stadtteil Kadıköy zusammen, um ihre Solidarität mit den Arbeitern zum Ausdruck zu bringen. Auch hier gingen türkische Sicherheitskräfte gewaltsam gegen die Protestierenden vor. Wie vor Ort berichtet wird, ist es zu einer Vielzahl von Festnahmen gekommen. Nähere Informationen folgen in Kürze…“
„Kadıköy’de 3. Havalimanı işçileriyle dayanışma eylemine polis saldırısı: Onlarca gözaltı“ am 15. September 2018 bei Sendika.org ist ebenfalls ein Bericht über massive Polizeirepression gegen Solidaritätsaktionen mit dem Streik in Istanbul. Versehen mit zahlreichen Fotos und Videos, wird in dem Bericht über zahlreiche Festnahmen informiert.
„Ankara’da 3. Havalimanı işçileri için yapılan eyleme polis saldırısı“ ebenfalls am 15. September 2018 bei Sendika.org berichtet über die Polizeirepression gegen Solidaritätsaktionen mit den streikenden Bauarbeitern auch in Ankara.
„Kadıköyde gözaltına alınan 27 arkadaşımızdan 23’ünün isimleri elimize ulaştı“ am 15. September 2018 im Twitter-Kanal des Gewerkschaftsbundes DISK ist die Namensliste der bei der Solidaritätsaktion in Kadiköy festgenommenen.
„Kadıköy’de saldırılara rağmen yeniden toplanmalarla eylem Kadıköy sokaklarında sloganlarla sürüyor“ am 15. September 2018 beim Twitter-Kanal Köle Degiliz ist ein kurzes Video von der zweiten Solidaritäts-Demonstration am Abend in Kadiköy, die nach dem Polizeiüberfall auf die erste Soliaktion organisiert wurde.
„İnşaat işçileriyle,1 Mayıs’ta bir araya gelmiştik Maltepe’de“ am 15. September 2018 auf dem Twitter-Kanal von Sevgi Sahin ist ein Beitrag, der sich gegen die – bereits in vollem Gang befindlichen – Verleumdungskampagnen der AKP-Riegen richtet (beispielsweise es seien „dubiose Organisationen“ beteiligt) – in dem ein Besuch bei den Bauarbeitern am 1. Mai 2018 dokumentiert wird, bei dem die Kollegen bereits weitgehend dieselben Forderungen wie heute erhoben hatten.
„Havaalanının zamanında bitebilmesi için ve huzursuzluk çıkmaması“ am 14. September 2018 auf dem Twitter-Kanal İŞÇİ HAKLARI PLATFORMU ist ebenfalls ein Tweet, in dem dagegen argumentiert wird, die streikenden Arbeiter als „Verräter“ zu bezeichnen – was als Hinweis darauf zu verstehen ist, wie sich die AKP-Banden zusammen rotten…
„Turkey: ITUC condemns mass arrest of workers on strike“ am 15. September 2018 beim ITUC ist eine (erstaunliche rasche) Erklärung des Internationalen Gewerkschaftsbundes zur Massenfestnahme in Istanbul, die darin scharf verurteilt wird. Außerdem wird darüber informiert, dass es Vertretern des Gewerkschaftsbundes DISK nicht erlaubt wurde, mit den festgenommenen Arbeitern zu sprechen – und dass an den Bauarbeiten und den Protesten neben Arbeitern aus der Türkei auch Bauarbeiter aus Nepal beteiligt sind.
„DİSK, KESK, TMMOB ve TTB’den ortak açıklama: “3. Havalimanı işçilerinin tüm talepleri karşılanmalıdır”“ am 16. September 2018 bei Sendika.org ist die gemeinsame Erklärung des Gewerkschaftsbundes DISK, der Föderation der Gewerkschaften im öffentlichen Dienst KESK und der Berufsverbände TMMOB und TTB zum Streik am Flughafen. Darin werden nicht nur die Festnahmen und die Polizeigewalt insgesamt verurteilt, sondern vor allem unterstrichen, dass die Forderungen der Streikenden erfüllt werden müssen.
- Zu den mörderischen Arbeitsbedingungen an Erdogans Renommierprojekt zuletzt: „[Workers Memorial Day 2018] Der neue Flughafen in Istanbul: Erdogans Massengrab“ am 27. April 2018 im LabourNet Germany
Quelle: http://www.labournet.de/internationales/tuerkei/arbeitskaempfe-tuerkei/streik-der-bauarbeiter-am-neuen-istanbuler-flughafen-das-erdogan-regime-reagiert-wieder-einmal-mit-massivem-polizeiueberfall/