Der Labor Day – in den USA und Kanada der erste Montag im September – zeichnet sich jedes Jahr durch inhaltsleere Reden von Gewerkschaftsfunktionären und Demokratischen Politikern aus. In diesem Jahr fällt der Tag der Arbeit jedoch mit einem neuen Aufschwung des Klassenkampfs zusammen, und die Arbeiter geraten immer direkter in Konflikt mit dem Korporatismus der AFL-CIO-Gewerkschaften.
Mit Ende der Ferien an den staatlichen Schulen nehmen die Lehrer ihren Kampf für eine deutliche Lohnerhöhung und mehr Mittel für die öffentliche Bildung wieder auf. Im Bundesstaat Washington sind die Lehrer in mehreren Distrikten in den Ausstand getreten. In diesem Bundesstaat hat der demokratische Gouverneur Jay Inslee 2013 die größte Unternehmenssteuersenkung der amerikanischen Geschichte in Höhe von 8,7 Milliarden Dollar durchgesetzt, von der hauptsächlich der Flugzeughersteller und Waffenproduzent Boeing profitierte. Im Gegensatz zu den Gewerkschaften, die die Kämpfe beenden möchten, erheben die Lehrer immer häufiger die Forderung nach einem landesweiten Streik.
Letzte Woche stimmten die Lehrer in Los Angeles mit 98 Prozent für einen Streik im zweitgrößten Schulbezirk des Landes mit 640.000 Schülern und über 33.000 Lehrern. In Detroit sind Lehrer und Eltern über das hohe Niveau an Blei und Kupfer im Trinkwasser besorgt. Es ist gerade zwei Jahre her, dass Detroiter Lehrer mit einer Reihe spontaner Streiks auch gegen heruntergekommene Schulen und unterfinanzierte Klassenzimmer protestierten. Der Schulbezirk war gezwungen, das Wasser an allen Schulen der Stadt abzustellen.
In den Bundesstaaten, in denen die Lehrer Anfang des Jahres streikten, ist noch keins der Probleme, die den Ausstand hervorriefen, gelöst. In Arizona wies der Oberste Gerichtshof zuletzt eine Steuerinitiative mit der Bezeichnung „Invest in Education“ ab, die die Steuer um magere 3 bis 4 Prozentpunkte für Einkommen über 250.000 Dollar erhöht hätte. Diese Steuer war die finanzielle „Lösung“, die die Gewerkschaften, Demokraten und pseudolinken Organisationen präsentiert hatten, um den Sechstagestreik von 60.000 Lehrern in Arizona im letzten Mai abzuwürgen. Am Ende war die herrschende Klasse jedoch nicht bereit, die geringste Einmischung in ihre Profitmacherei zu dulden.
Die Streiks in den USA fallen mit der Zunahme internationaler Klassenkämpfe zusammen. Über das Wochenende führten die Schaffner der britischen South Western Railway einen dreitägigen Streik gegen die Abschaffung von Sicherheitskräften durch. Erst vor kurzem haben die Piloten und das Kabinenpersonal von Ryanair in Irland, Spanien und anderen europäischen Ländern gestreikt.
Die Gewerkschaften arbeiten systematisch daran, Streiks zu verhindern und, wenn sie dazu nicht in der Lage sind, diese Kämpfe schnell zu isolieren und auszuverkaufen.
• Die Lehrergewerkschaften haben sich beeilt, einen Streik in Seattle, dem größten Schulbezirk im Bundesstaat Washington, beizulegen, um einen landesweiten Ausstand zu verhindern. Die Lehrerstreiks im Frühjahr wurden nicht von den Gewerkschaften initiiert, sondern entstanden durch eine Rebellion von Pädagogen gegen sie.
• Obwohl am Samstag der Tarifvertrag von 31.000 Beschäftigten bei US Steel und ArcelorMittal ausgelaufen ist, zwingt die Gewerkschaft United Steelworkers die Beschäftigten, weiterzuarbeiten. Dabei wollen die hochprofitablen Stahlkonzerne beispiellose Einschnitte durchsetzen.
• Seit einem Monat, seitdem die Verträge von 230.000 Arbeitern bei United Parcel Service ausgelaufen sind, weigert sich die Teamster-Gewerkschaft, das überwältigende Streikmandat der Arbeiter zur Kenntnis zu nehmen. Sie versucht stattdessen, einen Vertrag durchzusetzen, der niedrigere Löhne und Teilzeitbedingungen für Paketfahrer sowie Löhne auf Armutsniveau für Lagerarbeiter vorsieht.
• Die Gewerkschaft Communications Workers of America zwingt 7.000 AT&T Arbeiter, ihre Arbeit fortzusetzen, obwohl ihre Verträge abgelaufen sind.
• Obwohl die Mitarbeiter von Fiat Chrysler in Kokomo, Indiana, mit überwältigender Mehrheit dafür gestimmt haben, das Unternehmen zu bestreiken, haben die Funktionäre der Autogewerkschaft UAW dafür gesorgt, dass sie weiterarbeiten. Die UAW wurde als verlängerter Arm der Unternehmensführung entlarvt. Sie akzeptierte Millionen von Dollar als Belohnung für ihre Rolle bei der Durchsetzung beispielloser Zugeständnisse der Automobilarbeiter.
An den Taten der Gewerkschaften lässt sich ihr wahrer Charakter erkennen. In den letzten vierzig Jahren haben sich die Gewerkschaften, gestützt auf ihre Verteidigung des Kapitalismus‘ und des Nationalstaats, in Vermittler von Billiglohnarbeit und in eine Art Betriebspolizei gegen die Arbeiterklasse verwandelt. Sie sehen ihre Aufgabe nicht darin, den Widerstand gegen das Diktat der herrschenden Klasse zu organisieren, sondern diesen Widerstand zu verhindern.
In der Rechtssache Janus gegen AFSCME sprachen mehrere Anwälte, die die Gewerkschaften im öffentlichen Dienst vertreten, vor dem Obersten Gericht deutlich aus, dass die Zwangsbeiträge, die auch Nicht-Gewerkschaftsmitglieder den Gewerkschaften bezahlen müssen, die „Gegenleistung“ dafür seien, „dass es keine Streiks gibt“. Das heißt, der Staat sanktioniert den zwangsweisen Abzug eines Teils des Arbeiterlohnes, und dafür garantiert die Gewerkschaft, dass die Arbeitnehmer nicht rebellieren.
Vor kurzem erklärte ein Sprecher einer Lehrergewerkschaft im Staat New York, dass das Taylor-Gesetz, das Streiks von Angestellten des öffentlichen Sektors verbietet, „seit mehr als 40 Jahren gut funktioniert“ und nicht aufgehoben werden sollte.
Auf ihrem jüngsten Fünften Parteitag verabschiedete die Socialist Equality Party (US) eine Resolution („Die Wiederkehr des Klassenkampfs und die Aufgaben der Socialist Equality Party“), in der die Folgen der extremen Zunahme sozialer Ungleichheit und der Radikalisierung der Arbeiterklasse und der Jugend erklärt werden:
„Die Vereinigten Staaten sind ein soziales Pulverfass. Der Ausbruch sozialer Kämpfe in einem Ausmaß, wie es die Vereinigten Staaten nie zuvor gesehen haben, ist praktisch unvermeidlich. Es gibt viele Faktoren, die dazu führen, dass die Massenproteste mehr und mehr zusammenfließen: die Gemeinsamkeit der sozialen Interessen breiter Schichten der Arbeiterklasse, die Auflösung von branchenspezifischen Unterschieden, die ethnische Integration der Arbeiterklasse und die Auswirkungen der internetbasierten sozialen Medien. Es ist daher zu erwarten, dass sich ernsthafte sozialer Proteste – gleichgültig, aus welchem Anlass oder an welchem Ort sie zuerst ausbrechen – rasch ausbreiten und Millionen von Arbeitern in den aktiven Kampf hineinziehen werden. Angesichts der historischen Erfahrungen der Arbeiterklasse wird das logische Ergebnis dieses Zusammenfließens sozialer Kämpfe ein Generalstreik sein, der die Frage aufwerfen wird, wer die politische Macht hat.“
Diese Analyse hat sich als richtig erwiesen. Arbeiter im ganzen Land und international suchen einen Weg, um Ungleichheit, verstärkte Ausbeutung, soziales Elend und alle Folgen des Kapitalismus zu bekämpfen. Die Vertreter der herrschenden Klasse, der Demokraten und der Republikaner, sind sich in ihrer Furcht vor den Folgen des Wiederauflebens des Klassenkampfes einig, wie intensiv ihre internen Konflikte auch immer sein mögen.
Die Koordination des Widerstandes in der Arbeiterklasse erfordert den Aufbau neuer, von den Gewerkschaften unabhängiger Organisationen, von Basiskomitees. In der Resolution heißt es dazu:
„Deshalb erfordert die Vorbereitung auf Massenkämpfe der Arbeiterklasse den Aufbau eines Netzwerks von Aktionskomitees in Betrieben und Wohnvierteln. Die Notwendigkeit solcher Komitees ergibt sich aus den Erfahrungen der Arbeiter selbst. Die Organisationen, die behaupten, sie zu vertreten, d.h. die Gewerkschaften, verabscheuen nicht nur jeden wirklichen Kampf, sondern haben auch jede noch so begrenzte Form der Interessenvertretung aufgegeben. Sie kümmern sich weder um Beschwerden noch um Tarifbestimmungen.“
Der Aufbau solcher Komitees ist eine wichtige Aufgabe, vor der jeder Teil der Arbeiterklasse steht. Solange die Gewerkschaften ihren Würgegriff über die Arbeiterklasse beibehalten, ist es unmöglich die Arbeiterbewegung tatsächlich, sowohl in den Vereinigten Staaten als auch weltweit, zu vereinen.
Die Bildung von Fabrikräten und die Vorbereitung eines Generalstreiks werfen, wie es in der SEP-Resolution heißt, die „Frage der politischen Macht“ auf. Der Kampf für die elementarsten Bedürfnisse – das Recht auf einen angemessenen Lohn, hochwertige öffentliche Bildung, Gesundheitsfürsorge, Wohnen und eine Zukunft für die nächste Generation frei von Krieg, politischer Repression und Gewalt – erfordert die revolutionäre Mobilisierung der Arbeiterklasse. Sie muss die politische Macht in die eigenen Hände nehmen, um den Würgegriff der Unternehmens- und Finanzaristokratie zu brechen und die Gesellschaft auf sozialistischer Basis neu zu organisieren.
4. September 2018
Quelle: http://www.wsws.org/de/articles/2018/09/04/labo-s04.html