„Ich will aussteigen, ich will die Truppen nach Hause bringen, ich will mit dem Wiederaufbau unserer Nation beginnen“, sagte US-Präsident Donald Trump am Dienstag während einer Pressekonferenz mit Vertretern aus den baltischen Staaten im Weißen Haus und bemerkte, dass die „primäre Mission“, die Zerschlagung des „Islamischen Staates“, fast abgeschlossen sei.
Der Präsident versprach, eine Entscheidung über den Ausstieg „sehr schnell“ zu treffen und stellte fest, dass die USA in den letzten 17 Jahren „nichts aus den sieben Billionen US-Dollar“ gewonnen hätten, die im Nahen Osten investiert wurden:
Es ist sehr teuer für unser Land und hilft anderen Ländern viel mehr, als es uns hilft“, fügte er hinzu.
Als Trump erneut seine Entschlossenheit unterstrich, 2.000 US-Soldaten aus Syrien abzuziehen, wie er dies erstmals bei einer Rede in Ohio vergangene Woche zum Ausdruck brachte, deutete der US-Präsident auch an, dass die USA bereit sein könnten, in Syrien zu bleiben, wenn der nahöstliche Verbündete Saudi-Arabien für die Kosten der US-Truppenstationierung aufkommt.
Wenn US-Truppen bleiben sollen, muss Riad dafür bezahlen
Eine solche mögliche Verlängerung der US-Präsenz in Syrien unter veränderten Rahmenbedingungen haben Berichten zufolge Trump und der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman diskutiert, der kürzlich seine dreiwöchige US-Tournee beendete. Das Golfkönigreich betrachtet die US-Präsenz in Syrien als das wichtigste Bollwerk gegen den iranischen Einfluss in der Region.
Saudi-Arabien ist sehr interessiert an unserer Entscheidung“, sagte Trump am Dienstag. „Und ich sagte: Nun, weißt Du, wenn Du willst, dass wir bleiben, dann wirst Du vielleicht dafür bezahlen müssen.“
Trumps Einschätzung der US-Präsenz in Syrien scheint unterdessen nicht mit der Analyse und den Interessen des Pentagons übereinzustimmen. „In den letzten Jahren sind viele sehr gute militärische Fortschritte erzielt worden, aber der schwierige Teil, denke ich, liegt noch vor uns“, widersprach General Joseph L. Votel, Leiter des US-Zentralkommandos, seinem Präsidenten am Dienstag bei einer Konferenz im so genannten U.S. Institute of Peace.
General Votel unterstrich, dass die US-Präsenz im Norden des Landes eine entscheidende Rolle bei der Stabilisierung Syriens spielen würde, während die „Konsolidierung der Gewinne“ und die „Lösung langfristiger Probleme des Wiederaufbaus“ im Vordergrund stünden.
Wir sind in Syrien, um gegen ISIS zu kämpfen. Das ist unsere Mission, und diese Mission ist noch nicht vorbei, und wir werden diese Mission abschließen“, fügte der einflussreiche US-Sondergesandte im Kampf gegen den „Islamischen Staat“, Brett McGurk, unterstützend bei der Veranstaltung des U.S. Institute of Peace hinzu.
„Arabische Revolte“ zu befürchten?
Der Gründer des Analyse-Portals Eurasia Future, Adam Garrie, warnte demgegenüber im Gespräch mit RT Deutsch, dass die USA in Syrien vor einem Chaos stehen. Er sagte:
Es ist nicht ganz klar, ob Trump überhaupt ein Ministerium oder eine Abteilung seiner Regierung unter Kontrolle hat.
Darüber hinaus meint er:
Abgesehen von Trumps Erkenntnis, dass der US-Interventionismus kostspielig und sinnlos ist, eine objektiv wahre Erkenntnis, gibt es in Washington mit ziemlicher Sicherheit eine weitere Erkenntnis, dass die Anfänge einer echten arabischen Revolte gegen die US-/YPG-Herrschaft im Nordosten Syriens ähnlich wie im Falle der Vietcong-Rebellion enden könnten, der die USA in den 1960er und 1970er Jahren in Südvietnam ausgesetzt waren.
Garrie gab weiter zu bedenken:
Nun, da ISIS als Militärfaktor weitgehend eliminiert ist, haben Araber zuletzt versucht, in ihre Häuser zurückzukehren, nur um festzustellen, dass diejenigen, die nicht von den USA zerstört wurden, von YPG/SDF-Kämpfern besetzt waren. Das ist eine natürlich unverzeihliche Situation, die die Lage in der Region vor kurzem zusätzlich eskalierte.
In den letzten Wochen fokussierte sich die US-Armee jedoch auf Entwicklungen in der nordsyrischen Stadt Manbidsch, wo ihre kurdischen Verbündeten eine Offensive der türkischen Armee fürchten. Manbidsch wurde 2016 von der YPG mithilfe massiver Luftangriffe der US-geführten Koalition eingenommen. Die Türkei, die seit Januar gegen kurdische Milizen in Afrin kämpft, plant, ihre Operationen auf Manbidsch auszudehnen, falls kurdische Truppen sich weiterhin weigern sollten, die Stadt zu verlassen. Ankara beharrt dabei auf einem Versprechen, das seinerzeit die Regierung Obama gegeben haben soll, heißt es aus den Reihen türkischer Beamter, die regelmäßig von einem Vertrauensverlust gegenüber der US-geführten Allianz sprechen.
Quellen sprechen von zwei neuen US-Basen
Inmitten steigender Spannungen in der Region berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu unterdessen, dass das Pentagon zwei neue Militärbasen in der Region Manbidsch errichten lasse, um den kurdischen Streitkräften vor Ort gegen einen möglichen türkisch geführten Vormarsch helfen zu können.
Laut „vertrauenswürdigen lokalen Quellen“, wie die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu zitiert, sind bereits rund 300 US-Truppenteile mit gepanzerten Fahrzeugen an der Frontlinie angekommen – zusammen mit Baumaterial, um eine Basis acht Kilometer vom Sadschur-Fluss entfernt zu errichten, die „die Frontlinie zwischen Dscharabulus, dem türkisch kontrollierten Euphratschildgebiet und Manbidsch, dem Einfallgebiet der YPG/PKK, bildet“. Die andere Basis wird angeblich vier Kilometer von der Frontlinie südlich von Dadat entfernt gebaut, so der Bericht.
Der Anadolu-Bericht erschien einen Tag, nachdem CNN erfahren hatte, dass das US-Militär Pläne umsetzt, Dutzende von zusätzlichen Truppen nach Nordsyrien zu verlegen.
Außerdem soll eine unbekannte Anzahl französischer Truppen in die Grenzstadt Tell Abyad und in Manbidsch eingedrungen sein, berichtete die Nachrichtenagentur Sputnik.
Rezan Gilo, der Verteidigungschef der Kurden-Miliz in Nordsyrien, sagte der Nachrichtenagentur Kurdistan24, dass französische und US-amerikanische Truppen in Manbidsch, Rakka und ganz Nordsyrien aktiv sind.
„Wir erzählen von dem, was wir vor Ort sehen, nicht von offiziellen Stellungnahmen“, sagte er und antwortete damit auf einige Berichte, die die Anwesenheit dieser Kräfte in Nordsyrien leugneten.
Manchmal leugnen die NATO-Staaten die Existenz ihrer Streitkräfte in der Region, um Spannungen zu vermeiden, aber tatsächlich operieren französische und US-amerikanische Truppen vor Ort in unserer Region“, fügte Gilo hinzu.
Kurdistan24 veröffentlichte am Mittwoch Video-Material von einer neuen Militärbasis der US-Streitkräfte in Manbidsch, die gegenwärtig befestigt wird.
„Diese Basis gehört den US-amerikanischen Spezialeinheiten, und wir bereiten uns auch auf die andere Basis vor“, sagte Shiyar Gerde im Video, ein Mitglied des „Manbidsch Militär-Rats“, der von der YPG geführt wird.
Bozdag: „Wir hoffen, dass Frankreich keinen irrationalen Schritt macht“
In der vergangenen Woche traf Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mit einer hochrangigen Delegation der kurdisch geführten „Syrischen Demokratischen Kräfte“ (SDF) zusammen. Der französische Präsident sicherte die Unterstützung seines Landes bei der Stabilisierung Nordsyriens zu.
Khaled Eissa, ein YPG-Funktionär mit Sitz in Paris, verkündete im Anschluss an das Treffen, Macron habe versprochen, weitere französische Truppen nach Manbidsch zu schicken, um den Kampf gegen den „Islamischen Staat“ zu unterstützen und die Türkei davon abzuhalten, auf die Region vorzurücken.
Wer mit Terrorgruppen gegen die Türkei kooperiert und sich solidarisch zeigt, wird wie die Terroristen zum Ziel der Türkei“, schrieb Bekir Bozdag, der auch Sprecher der türkischen Regierung ist, auf Twitter. „Wir hoffen, dass Frankreich nicht so einen irrationalen Schritt macht.“
Auch der Direktor von Eurasia Future sieht die Aussichten der westlichen Präsenz in Nordsyrien skeptisch. Zu RT Deutsch sagte Garrie:
Während die meisten in Washington wahrscheinlich des Öls wegen im Nordosten Syriens bleiben wollen und deshalb natürliche Bündnisse in der Region stören, bevor sie sich bilden können, werden andere, vorsichtigere Stimmen zunehmend lauter warnen, dass dies alles ein zweites Vietnam nicht wert ist, nicht zuletzt weil Russland, der Iran, Syrien und die Türkei geschlossen gegen die US-Präsenz in der Region sind.
Ankara startete vor drei Monaten die Operation „Olivenzweig“ im Nordwesten Syriens, nachdem die USA angekündigt hatten, die YPG-dominierte Miliz SDF noch stärker mit Ausbildung und Waffen zu versorgen und sie zur Grenztruppe aufbauen zu wollen. Die türkische Regierung betrachtet die YPG als eine Erweiterung der PKK, die als terroristische Vereinigung gelistet wird. Ankara forderte das Pentagon wiederholt auf, seine Unterstützung für die YPG einzustellen. Im mittlerweile jahrzehntelangen Krieg zwischen der PKK und dem türkischen Staat sind bislang über 40.000 Menschen ums Leben gekommen.