Ab Donnerstag können türkische Staatsbürger in Deutschland an den vorgezogenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen in der Türkei teilnehmen. Wir erklären wie – und welches Gewicht ihre Stimmen haben.
In welchem Zeitraum können türkische Staatsbürger in Deutschland ihre Stimme abgeben?
Am 24. Juni finden in der Türkei die vorgezogenen Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt. Doch die türkischen Staatsbürger, die in Deutschland leben, können schon ab Donnerstag zu den Urnen gehen – allerdings nur bis zum 19. Juni.
An den türkischen Grenzübergängen dürfen sie bis zum Abend des 24. Juni die Stimme abgeben.
Sollte die Wahl des Staatspräsidenten in die zweite Runde gehen, kann in Deutschland zwischen dem 30. Juni und dem 4. Juli gewählt werden. In der Türkei wurde der Termin für die zweite Runde auf den 8. Juli festgelegt.
In welchen Städten gibt es Wahlurnen für türkische Staatsbürger?
Der Entscheidung des türkischen Hohen Wahlrats zufolge ist die Stimmabgabe weltweit in 60 Ländern und 123 Vertretungen möglich. In Deutschland werden Wahlurnen in 13 Städten aufgestellt, in denen viele türkische Staatsbürger leben. In Berlin, Stuttgart, Frankfurt, Düsseldorf, Köln, Essen, Münster, Hannover, Karlsruhe, Hamburg und Mainz können sie in den Konsulaten wählen. In München und Nürnberg werden eigens dafür Säle angemietet. Die Anzahl der Urnen ist je nach Stadt unterschiedlich.
Wie viele türkische Stimmberechtigte gibt es in Deutschland?
Nach Informationen des Vorsitzenden des Hohen Wahlrats, Sadi Güven, gibt es 59,4 Millionen türkische Wähler. Über drei Millionen von ihnen leben im Ausland, einschließlich 1,45 Millionen Deutschtürken, so das Konsulat in Berlin.
Beeinflussen die Stimmen aus Deutschland das Wahlergebnis?
Die Wählerstimmen aus Deutschland machen rund zwei Prozent der Gesamtstimmen aus. Murat Gezici, Vorsitzender des „Gezici Meinungsforschungsinstituts“, ist davon überzeugt, dass die türkischen Wählerstimmen aus Deutschland das Wahlergebnis in der Türkei mitbestimmen können.
„Die Wahlen in der Türkei stehen auf Messers Schneide und bei der Wahl zum Staatspräsident kann es zur zweiten Runde kommen,“ so Gezici. Aus diesem Grund seien diese Stimmen, selbst wenn sie nur wenige Prozent der Gesamtstimmen ausmachen, für das Ergebnis sehr wichtig.
Wie war das Ergebnis beim Referendum zur Verfassungsänderung im vergangenen Jahr?
Bei dem Referendum zur Verfassungsreform am 16. April 2017 hatte die regierende Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung (AKP) dafür gekämpft, dass die Wähler für die neue Verfassung stimmten. So wählten 51,4 Prozent der Bevölkerung in der Türkei. Der Prozentsatz der Ja-Stimmen in Deutschland lag höher: 63 Prozent waren dafür und rund 37 Prozent dagegen.
Wen wählen die Deutschtürken – und warum?
Die Mehrheit der Deutschtürken wählt die AKP.Bei den Wahlen am 1. November 2015 wählten knapp 54 Prozent der türkischen Wähler in Deutschland die AKP. Die prokurdische HDP kam in Deutschland auf 17 Prozent, die sozialdemokratische CHP bekam 16 Prozent der Stimmen.
„Viele türkische Migranten kommen aus ländlichen Gegenden der Türkei, sie sind religiös und fühlen sich traditionellen Werten verbunden. Sie wählen AKP, weil Deutschland ihnen nicht das Gefühl gibt, rundum willkommen zu sein,“ so Gülay Kızılocak vom Institut für Türkeiforschung in Essen. Angehörige der jüngeren Generation, die sich „in Deutschland nicht ganz zuhause fühlen“, wählten die AKP als „Reaktion“ auf die von ihnen wahrgenommene Ablehnung.
Welche türkischen Parteien sind in Deutschland aktiv?
Die an der Wahl teilnehmenden türkischen Parteien haben in Deutschland Freiwillige, die in Städten, in denen viele Türken leben, für sie arbeiten. Am aktivsten sind die Parteien AKP, die Republikanische Volkspartei (CHP) und die Demokratische Partei der Völker (HDP). Die Tätigkeit der AKP in Deutschland organisiert das Auslandskoordinationszentrum in Köln.
Die Arbeit der CHP in Deutschland organisieren Vereine in Städten, in denen viele Türken leben. Kenan Kolat, Vorsitzender der CHP in Berlin, betont, es gäbe keine juristischen Verbindungen zur CHP in der Türkei.
Auch die Tätigkeit der HDP in Deutschland organisieren Vereine, darunter der demokratische Kongress der Völker (HDK), eine Dachorganisation der oppositionellen Parteien und Gruppierungen. Die HDP will in den nächsten Tagen eine offizielle Vertretung in Berlin eröffnen.
Wie wird Wahlfälschung vorgebeugt?
Die Stimmabgabe verfolgen zwei Beauftragte des Hohen Wahlrats, außerdem Vertreter der Parteien, die in den vergangenen Jahren die meisten Stimmen bekommen haben, das sind die AKP, die CHP und die Partei der Nationalistischen Bewegung (MHP). Dazu kommen sogenannte Urnen-Beobachtern.
Nach der Stimmabgabe werden die Stimmzettel gezählt und kommen in Säcke, die versiegelt werden. Diese Säcke werden in einem verschlossenen Raum verwahrt. Zu dem Raum gibt es vier verschiedene Schlüssel, von denen je einen der Konsul und die Zuständigen der AKP, CHP und MHP besitzen. Um die Tür zu öffnen, sind alle vier Schlüssel notwendig.
Die Stimmen werden nicht in Deutschland gezählt. Wenn die Frist zur Stimmabgabe abgelaufen ist, werden die Säcke mit einem gesondertem Flugzeug unter Beobachtung von Beauftragten der Parteien in die Türkei gebracht. Nachdem sie auch hier in einem vom Hohen Wahlrat bestimmten Raum verwahrt wurden, werden sie nach Schließung der Urnen in der Türkei wieder unter Beobachtung von Beauftragten der Parteien gezählt.
Quelle: http://www.dw.com/de/wie-t%C3%BCrken-in-deutschland-w%C3%A4hlen-k%C3%B6nnen/a-44102038