Die Energie- und Klimawochenschau: Vom Windausbau in Europa, diversen Klimacamps und einem neuen traurigen Rekordjahr
Hitze und Dürre werden in weiten Teilen Europas voraussichtlich noch eine Weile anhalten (Kein Ende der Hitzewelle absehbar) Dies führt auch zu Problemen bei der Stromversorgung aus Kohle-, Gas- und Atomkraftwerken. Zum einen sind die Wassertemperaturen der Flüsse zu hoch, so dass Kraftwerke stellenweise ihr erwärmtes Kühlwasser nicht mehr einleiten dürfen, zum anderen führen die Niedrigwasserstände mittlerweile zu Einschränkungen für die Schifffahrt, so dass Steinkohlelieferungen per Schiff behindert werden.
So hat RWE das Kohlekraftwerk in Hamm am Freitag abgeschaltet, weil es nicht mehr beliefert werden kann. Betrachtet man den Sommer 2018 als Vorboten für das, was Europa mit dem Klimawandel künftig erwarten könnte, wird klar, dass die konventionellen Kraftwerke nicht die Versorgungssicherheit bieten, die ihnen gerne zugeschrieben wird. Aus Frankreich, das noch immer zu großen Teilen von Atomstrom abhängig ist, ist das Problem aus den Sommermonaten hinlänglich bekannt. Versorgungssicherheit könnte in den Sommermonaten daher vor allem durch den Ausbau der Solar- und Windenergie geschaffen werden.
Die Branchenorganisation der Windindustrie WindEurope berichtet, dass in der ersten Hälfte des Jahres 2018 europaweit 4,5 Gigawatt an neuen Windenergiekapazitäten installiert worden sind. Das sei weniger als im Vorjahreszeitraum mit 6,1 Gigawatt, entspreche aber den Erwartungen. Insgesamt erwartet der Verband für 2018 neue Kapazitäten in Höhe von 13,5 Gigawatt. Die größten Zubauzahlen Onshore verzeichneten nach wie vor Deutschland mit 1,6, Frankreich mit 0,6 und Dänemark mit 0,2 Gigawatt. Offshore steht Großbritannien mit 0, 9 GW weit an der Spitze.
Es gebe einige beunruhigende Trends, so WindEurope: In Frankreich seien in den vergangenen acht Monaten keine Genehmigungen für neue Anlagen mehr erteilt worden. Und in Deutschland sei weiterhin unklar, wann die im Koalitionsvertrag zugesagten, zusätzlichen 4 GW ausgeschrieben werden sollten. Im Offshore-Sektor verlasse sich Europa zu sehr auf Großbritannien.
Braunkohleausstieg geht mit Rentenalter einher
In Deutschland hat die Kohlekommission ja beschlossen, unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu tagen. Interessant wäre dennoch, wie dieses Gremium auf eine Studie des Umweltbundesamtes reagiert, derzufolge ein weitgehender Ausstieg aus der Braunkohle bis 2030 kaum Auswirkungen auf die Beschäftigten haben würde.
Zwei Drittel der direkt in der Braunkohleindustrie Beschäftigten würden bis zum Jahr 2030 ohnehin in Rente gehen, so dass die Braunkohleverstromung ohne Kündigungen zurückgefahren werden könnte. Nach Angaben des Umweltbundesamtes waren Ende 2015 20.800 Menschen direkt in der Braunkohle beschäftigt, über 50 Prozent davon waren über 50 Jahre alt. Betriebsbedingte Kündigungen drohten nur dann, wenn noch neues Personal eingestellt würde. „Ein geordneter Kohleausstieg im Rahmen eines politischen Kohlekonsenses kann deshalb einen wichtigen Beitrag leisten, unnötige betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden. Zudem schafft die Rekultivierung der stillgelegten Tagebaue zusätzlich Beschäftigung für eine Übergangszeit“, so das Fazit des Umweltbundesamtes.
Derweil campt man nicht nur in Deutschland für das Klima. In diesem Jahr fand vom 18. bis zum 22. Juli in der Nähe von Konin erstmals ein Klimacamp in Polen statt. Auf der Grenze der Woiwodschaften Wielkopolskie and Kujawsko-Pomorskie liegen mehrere Tagebaue und Kohlekraftwerke.
Die polnische Regierung setzt auch für die Zukunft auf die Energiegewinnung aus Braun- und Steinkohle. Die Veranstalter des Klimacamps beklagen unter anderem, dass die Folgen der Kohleausbeutung auf die Gesellschaft abgewälzt würden. Umwelt und Wasserressourcen würden zerstört, giftige Verbrennungsrückstände würden die Gesundheit der Bevölkerung schädigen. Die Klimacamper in Polen setzten auf Informationsveranstaltungen und Demonstrationen, Aktionen zivilen Ungehorsams wurden im Voraus ausgeschlossen. Mitorganisatorin Michalina Golinczak zeigte sich gegenüber dem Neuen Deutschland sehr zufrieden und sprach von der „Geburt einer Graswurzelklimabewegung“.
Derzeit findet ein weiteres Klimacamp im Mitteldeutschen Revier, in Pödelwitz bei Leipzig, statt. Dem Dorf Pödelwitz, am Rande des Tagebaus Vereinigtes Schleenhain gelegen, droht die Abbaggerung durch die Mitteldeutsche Braunkohle AG (MIBRAG). Obwohl der Aufschluss der unterhalb von Pödelwitz gelegenen Kohle bislang nicht im Braunkohleplan vorgesehen war, konnte die MIBRAG einen Großteil der Einwohner von Pödelwitz mit Druck und Geld überzeugen, der Umsiedlung ihres Dorfes zuzustimmen, berichtet die Bürgerinitiative Pro Pödelwitz. Ein Teil der Pödelwitzer ist entschlossen zu bleiben und soll nun durch das Klimacamp unterstützt werden.
Am Samstag demonstrierten die Teilnehmenden zum Auftakt unter dem Motto „Klima retten, Kohle stoppen“ in Leipzig. Zum Camp werden rund 1.000 Personen erwartet, am Samstag, den 4. August soll es einen großen Aktionstag geben. Im August wird der Sommer der Klimacamps in Basel, im Rheinland und in Groningen fortgesetzt.
207 getötete Aktivisten für Umwelt und Landrechte im Jahr 2017
Der jüngst veröffentlichte Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation Global Witness wirft ein trauriges Licht darauf, dass der Protest für Umweltschutz und für das Recht auf Land in vielen Ländern tödliche Folgen haben kann. „Verteidiger von Landrechten und Umweltschützer stehen im Kampf für die Rettung unsereres Planet vom Klimawandel, für die Einhaltung von Menschenrechten und für den Schutz gefährdeter Gruppen an vorderster Front. Sie setzen sich für Ziele ein, von denen wir alle profitieren: Nachhaltigkeit, Biodiversität und Gerechtigkeit“, betont die Organisation in ihrem Bericht.
2017 sind weltweit 207 Menschen ermordet worden, weil sie für Umweltschutz oder Landrechte eingetreten sind. Damit ist die Zahl der ermordeten Umweltaktivisten gegenüber dem Vorjahr erneut gestiegen. Allerdings sind nicht mehr Konflikte um den Bergbau die Hauptursache der Morde, sondern in zunehmendem Maße Konflikte mit einer expandierenden Agrarindustrie. Tödlich endeten auch der Einsatz gegen Wilderei, gegen Holzeinschlag und gegen Staudämme. Die meisten Bereiche, in denen Landrechts- und Umweltaktivisten ihr Leben aufs Spiel setzen, haben auch eine Relevanz für den Klimaschutz, etwa wenn es darum geht, indigene Territorien vor illegalem Holzeinschlag oder vor der Expansion von Monokulturen wie etwa dem Anbau von Ölpalmen oder anderen Cash Crops zu bewahren.
Drastisch verschlechtert hat sich im vergangenen Jahr die Lage auf den Philippinen. 48 Landrechts- und Umweltaktivisten sind dort ermordet worden, in über der Hälfte der Fälle wird eine Beteiligung des Militärs an den Straftaten vermutet. So attackierte das Militär eine indigene Gemeinde der Taboli-manubo auf Mindanao, die sich gegen die Ausweitung einer Kaffeeplantage auf ihrem Land ausgesprochen hatte. Acht Menschen wurden dabei getötet.
Die Ankündigung Dutertes, 1,6 Millionen Hektar Land für den agroindustriellen Anbau zur Verfügung zu stellen, lässt auch für die Zukunft nichts Gutes ahnen. Zwei Drittel der in Aussicht gestellten Flächen befinden sich auf der Insel Mindanao, für die seit Mai 2017 der Ausnahmezustand gilt. Indigene, die ihre Rechte verteidigen, laufen dort leicht Gefahr von Präsident Rodrigo Duterte als Terroristen gebrandmarkt zu werden.
Stark verschlechtert hat sich auch die Situation in Mexiko, wo im vergangenen Jahr 15 Umweltaktivisten ermordet wurden. Dort steigt das organisierte Verbrechen auch in Geschäftsfelder wie den illegalen Holzhandel ein. Die staatlichen Kräfte sind zu schwach oder zu korrupt, um Menschenrechts- und Umweltaktivisten wirksam zu schützen.
Hohe Mordraten gibt es seit Jahren in Brasilien und Kolumbien. Starke kommerzielle Interessen der Agrar- und Holzindustrie treffen dort auf schwache Institutionen und ein hohes Maß an Straflosigkeit. Michel Temer hat seine Regierungszeit bislang unter anderem dazu genutzt, Gesetze und Institutionen zum Schutz der indigenen Bevölkerung zu schwächen. Erschreckend ist nicht nur die hohe Zahl der Ermordeten – mit 57 Morden steht Brasilien an trauriger Spitze aller Länder -, sondern auch, dass 25 Tote bei Massenhinrichtungen ihr Leben verloren haben. Übergriffe werden dadurch begünstigt, dass die Behörde zum Schutz der indigenen Bevölkerung FUNAI sich aufgrund von Budgetkürzungen aus manchen Regionen zurückziehen musste.
Zwar liege es in erster Linie in der Verantwortung von Staaten, die Menschenrechte zu garantieren, so Global Witness, dennoch seien auch Handelspartner, Unternehmen und Investoren in der Pflicht. Ein wichtiger Schritt dabei, zukünftige Bedrohungen zu minimieren, sei es, Verantwortliche zur Rechenschaft zu ziehen, sowohl die Täter als auch die für die Schutz- und Straflosigkeit politisch Verantwortlichen. (Jutta Blume)
Quelle: https://www.heise.de/tp/features/Wo-der-Schutz-der-Umwelt-toedlich-ist-4124029.html