Wirtschaft & Soziales Stationen einer 150-jährigen Erfolgsgeschichte
Geldwäsche, Devisenmarktmanipulation, Tricksereien bei der Übernahme der Postbank, Manipulation der Zinssätze Libor und Euribor, Ramschhypotheken, Umsatzsteuerbetrug – alles Peanuts. Der sozialdemokratische Finanzminister Olaf Scholz und sein Staatssekretär Jörg Kukies, ehemaliger Juso-Chef in Rheinland-Pfalz und Ex-Deutschlandchef der Investmentbank Goldman Sachs, fordern und forcieren die Fusion der privaten Großbanken Deutsche Bank und Commerzbank.
Wer ist die Deutsche Bank? Gegründet wurde sie 1870 von Industriekapitalisten. Georg Siemens aus dem Hause Siemens war der erste Direktor der Deutschen Bank. 1870, das war das Jahr vor der deutschen Einigung unter Reichkanzler Bismarck, der Beginn der »Gründerzeit.« Das alte, baufällige Haus mit von der Deutschen Bank nur gemieteten Büros in Berlin, nahe der Straße Unter den Linden, erwies sich schon bald als zu klein. Das Industriekapital formierte sich und verlangte nach Konzentration und Expansion und dem Spitzenplatz in der Welt, der Nummer eins vor England. Die Deutsche Bank bekam Alleinmandate von der Regierung, sie finanzierte den Außenhandel und errang eine führende Position bei der Finanzierung bedeutender deutscher Industriezweige.
Bis zum Beginn des Ersten Weltkrieges war die Deutsche Bank zur größten Bank der Welt aufgestiegen. In seiner 1916 verfassten Schrift »Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus« entwickelte Lenin seine Imperialismustheorie explizit am Beispiel Deutsche Bank, die Anfang des 20. Jahrhunderts »eine der größten, wenn nicht die größte, von allen Gruppen der Großbanken« in der alten Welt geworden war. Imperialismus, schrieb Lenin, definiere sich vor allem durch die Konzentration der Produktion und des Kapitals, durch die Verschmelzung des Bankkapitals mit dem Industriekapital (Finanzkapital), durch zunehmenden Kapitalexport und durch die territoriale Aufteilung der Erde von internationalen monopolistischen Kapitalistenverbänden.
Finanzier und Profiteur von NS-Verbrechen und Apartheid
Einige Jahrzehnte und einen Weltkrieg später legte die Finanzabteilung der Militärregierung der Vereinigten Staaten für Deutschland (OMGUS) ihre »Ermittlungen gegen die Deutsche Bank« vor: Die Deutsche Bank habe als größte deutsche Geschäftsbank während des Nationalsozialismus und des Zweiten Weltkrieges »an der Durchführung der verbrecherischen Politik des Naziregimes auf wirtschaftlichem Gebiet teilgenommen«, unter anderem die Finanzierung des KZ Auschwitz und den Verkauf von Gold und Zahngold der Opfer des Faschismus im Ausland gegen Devisen. Deshalb empfahl der Untersuchungsbericht, dass: »1. die Deutsche Bank liquidiert wird, 2. die verantwortlichen Mitarbeiter der Deutschen Bank angeklagt und als Kriegsverbrecher vor Gericht gestellt werden, 3. die leitenden Mitarbeiter der Deutschen Bank von der Übernahme wichtiger oder verantwortlicher Positionen im wirtschaftlichen und politischen Leben Deutschlands ausgeschlossen werden.«
Taten folgten diesen Empfehlungen bekanntlich nicht. Eine verpasste Chance. Stattdessen durfte die Deutsche Bank ihre finanzkapitalistische Expansion und Aggressivität erneut entfalten. Verdient wurde nicht nur am Wiederaufbau im Inland. Bereits ab 1958 begann die Deutsche Bank das südafrikanische Apartheid-Regime zu finanzieren und wurde zum weltweit bedeutendsten Finanzier der Apartheid, als sich andere Banken, aufgeschreckt durch den internationalen Boykott, zurückzogen. Das Rad, das die Deutsche Bank drehte, wurde immer größer. Seit den 1970er Jahren, nach der ersten größeren Wirtschaftskrise in der Bundesrepublik, investierte sie massiv ins Auslandsgeschäft. Seit Ende der 1980er Jahre ist sie auch eine globale Investmentbank. Seit Ende des letzten Jahrhunderts ist die Deutsche Bank wieder eine der größten Banken, wenn nicht die größte Bank der Welt. 2008 feierte Josef Ackermann, damals Vorstandsvorsitzender, seinen 60. Geburtstag im Bundeskanzleramt bei Frau Merkel – auf Staatskosten.
20 Prozent Eigenkapitalrendite war das damalige Ziel. Im Nachhinein betrachtet hatte der Abstieg aber schon begonnen. 2007 war das Jahr der Immobilien- und Finanzkrise. Die Deutsche Bank hatte in den USA massenhaft Ramschhypotheken verkauft und, als die Krisenzeichen sich mehrten, gleichzeitig auf den Absturz dieser Papiere spekuliert, was die Krise zusätzlich verschärfte. Als eine der maßgeblichen Verursacherinnen der Immobilien- und Finanzkrise in den USA wurde sie 2013 zu einer Geldstrafe von 1,4 Milliarden Euro verurteilt. Für die faulen Hypothekenkredite wurden etwa 7 Milliarden Euro fällig. Insgesamt sechs Millionen Häuser waren zwangsversteigert und 20 Millionen Menschen aus ihren Häusern vertrieben worden – die Deutsche Bank hatte daran eine maßgebliche Mitschuld, urteilte das US-Justizministerium. Mit dem größten Teil der Milliardenstrafe sollte die Deutsche Bank ein »Verbraucherhilfsprogramm« auflegen, um damit Geschädigten zu helfen. Doch statt Kredite zu stunden, schwatzte die Bank den Hausbesitzer*innen neue Kredite auf. Diese »Verbraucherhilfe« senkte die Strafe vereinbarungsgemäß um bis zu 11.500 US-Dollar pro Kredit – bis am Ende von rund vier Milliarden US-Dollar Strafe nichts mehr übrig bleibt.
Seit der Finanzkrise ist die Deutsche Bank stark mit sich selbst und den Folgen ihrer kriminellen Machenschaften beschäftigt. Bei der weltweit größten bisher jemals bekannt gewordenen Geldwäsche mit einem Umfang von 200 Milliarden Euro soll die Deutsche Bank ca. 130 Milliarden Euro gewaschen haben. Die weltweiten Devisenmarktmanipulationen sollen sie eine Strafe von 5,1 Milliarden Euro kosten. Und das sind nur zwei von fast 8.000 Straftaten, die zurzeit vor Gericht verhandelt werden. Der Chefaufklärer im Aufsichtsrat der Deutschen Bank, ein bekannter Wirtschaftsjurist, wurde 2016 zurückgetreten – nach heftigen Vorwürfen, die Aufklärung behindere zu sehr die Geschäftstätigkeit der Bank. Seitdem ist der Posten unbesetzt. Der Aufsichtsrat, der Vorstand, die Wirtschaftsprüfer sitzen immer noch in ihren edlen Büros statt im Gefängnis. Und ihre Banklizenz hat die Deutsche Bank immer noch.
»Außerordentliche Unterstützung«
Seit Anfang 2019 spitzt sich die Krise bei der Deutschen Bank zu. Der Aktienkurs hatte sich halbiert. Und was schlummert jetzt noch alles an bisher nicht bekannt gewordenen Skandalen und Risiken in den Büchern? Wie sollen die geforderten höheren Eigenkapitalrenditen erwirtschaftet werden? Die Antwort gibt der oberste Bankenaufseher, der sozialdemokratische Finanzminister Olaf Scholz. Er fordert eine Fusion von Deutscher Bank und Commerzbank. Die Commerzbank wurde nach der Finanzkrise mit 18 Milliarden Euro Steuergeldern vor dem Untergang gerettet. Seitdem ist der Bund noch mit 15 Prozent beteiligt. Eine Staatsbeteiligung an dem neuen nationalen Champion ist eine hübsche Mitgift für die Deutsche Bank. Denn wo Staatsbeteiligung drauf steht, darf im Ernstfall mit Steuergeldern gerettet werden. Das nennt sich »außerordentliche Unterstützung«, und die ist nach den neuen EU-Regeln zur Bankenabwicklung erlaubt. Für diese Ausnahmeregelung hatte die Bundesregierung in Brüssel gesorgt. Nun also »verhandelt« die Deutsche Bank die Übernahme der Commerzbank. »Klar ist, dass eine Fusion den Abbau Zehntausender Arbeitsplatze zur Folge hatte. Anders lohnt sich dieser Schritt nicht,« kommentiert das Handelsblatt.
»Das letzte Wort in der Entwicklung des Bankwesens ist immer wieder das Monopol«, schrieb Lenin 1916. Heute geht es um ein Monopol privater Banken aus Deutscher Bank und Postbank, seit 2015 Tochtergesellschaft der Deutschen Bank, Commerzbank und Dresdner Bank, die 2009 von der Commerzbank einverleibt wurde.
Karl Schulz liest regelmäßig die Wirtschaftsnachrichten der »Qualitätspresse« – und manchmal Lenin.
Quelle: https://www.akweb.de/ak_s/ak648/03.htm