Erdogan wollte alles, könnte nun aber mehr verlieren als er bekommen hätte.
Der aus Verzweiflung um den inneren Machterhalt geborene Krieg gegen die Kurden lief nicht so wie Erdogan es sich gewünscht hat. Er hat sich in eine Lage manövriert, die weder die inneren Probleme löst, noch die äußeren Beziehungen verbessert. Sein Plan die USA und die Nato mitzunehmen scheiterte, weil sich niemand gemeinsam mit einem Narren in dessen riskante Abenteuer stürzen wollte.
Interessant ist auch, dass alle von der Bedrohung der Türkei reden. Niemand aber sagt, was bzw. von wem die Türkei eigentlich bedroht wird. Die Sicherheitsbedenken der Türkei sind in aller Munde. Aber es waren Djihadisten, die in der Türkei und in Europa Bomben hochgehen ließen. Und es waren IS-Terroristen, die türkische Stellungen angegriffen haben. Lange waren diese “Freunde des Westens“, von diesem bezahlt, ausgebildet und ausgerüstet worden.
Nach Beginn der türkischen Militäroffensive wurde die türkische Seite der Grenze mit Granaten beschossen, besser gesagt kurdische Städte auf türkischem Gebiet. Die Mainstream Medien berichteten von dem Vorfall, aber keiner fragt, wer die Granaten abgefeuert hat und wieso ausgerechnet auf Städte mit kurdischer Bevölkerung? Die Granaten stammen aus türkischer Produktion, dies wurde auf zahlreichen Bildern festgehalten.
Ob Erdogan sich mit den eroberten Gebieten zufrieden gibt und ob er sie behalten darf, entscheiden jetzt andere. Es ist klar, dass er, wenn er räumen muss, verbrannte Erde zurück lassen wird.
Das einzige was er mit diesem Krieg geschafft hat, ist die Spaltung der Opposition. Aus der Abstimmung im Parlament, als alle, mit Ausnahme der HDP-Abgeordneten, dem Krieg zustimmten, ging Erdogan als siegreicher Sultan hervor. Hochmut kommt vor dem Fall, er merkte zu spät, dass er sich zu weit aus dem Fenster gelehnt hat. Trotzdem wird er den Stillstand oder möglichen Rückzug als Erfolg feiern lassen. Er hat nicht damit gerechnet, dass die YPG und das Assad Regime sich einigen würden. Jetzt könnten alte Rechnungen wieder auf den Tisch gepackt werden.
Die YPG und die Syrische Armee werden ihre neu gefundene Allianz nutzen und die Türkei auffordern sich aus syrischem Territorium zurück zu ziehen; erst Nordost-Syrien und dann Idlib und Afrin.
Erdogan muss zusehen, was er mit all den Djihadisten macht, die er mit Hilfe des Westens dorthin platziert hatte. Seine Drohung die Grenzen zu öffnen, dürfte Syrien, die YPG und Russland nicht interessieren, den Westen umso mehr. Die Reaktionen der EU sind entsprechend, nach dem Motto “Was hast du getan Erdogan“, sitzen sie nun in der Patsche. Als sie in Syrien einen Regimewechsel mit einem Fake-Arabischen Frühling herbeiführen wollten, als sie Terroristen mit Waffen und Geld unterstützten und diese als demokratische Befreier feierten, hatten sie keinen Plan B.
Nun erklären sie, Erdogan keine Waffe mehr verkaufen zu wollen. Es ist das leere Geschwätz von Regierungen, die Erdogans Machenschaften in der Türkei immer mehr oder weniger stillschweigend gebilligt haben. Nun distanzieren sie sich von ihm, um bei der eigenen Bevölkerung den Anschein zu erwecken, dass sie nichts mit dem Töten in Syrien zu tun haben. Die bereits verkauften und gelieferten Waffen reichen für mehrere Kriege aus. Alle Panzer, die Munition sowie die Dieselmotoren stammen aus Deutschland. Die Modernisierung der Leopard-Panzer war bereits genehmigt. Die Radaranlagen für Hubschrauber und Flugzeuge werden von Italien, Frankeich und den Niederlanden geliefert.
Der Westen droht zwar mit Sanktionen, aber der Militärisch-Industrielle Komplex hat schon immer Wege gefunden trotzdem Waffen in Kriegsgebiete zu liefern.
Vor der Afrin-Offensive durch die türkische Armee und die Djihadisten (damals FSA “Freie Syrische Armee“, derzeit SNA “Syrische Nationalarmee“) haben wir ähnliche Töne gehört, aber bis noch kürzlich gingen die Waffenlieferungen weiter. Und Afrin ist nach wie vor besetzt. Diese heuchlerische Haltung ist allen autoritären Regierungen bekannt, mit Waffenbestellungen kann man jede westliche Regierung kaufen.
Während die AFD es sich wahrscheinlich wünscht, können die nicht mehr großen “Volksparteien“ kurz vor den Wahlen in Thüringen nur hoffen, dass Erdogan seine Drohung die Grenzen zu öffnen nicht wahr macht. Somit ist große Vorsicht geboten, bloß nicht Erdogan ärgern und weiterhin die drei Affen spielen.
Verfasst für freiesicht.org