Die Entscheidung der Wahlbehörde, die Wahlen in Istanbul zu wiederholen, besitzt keine rechtliche Grundlage und ist deshalb ein Verbrechen. Dieser Putsch hat erneut das faschistische Gesicht der Erdogan-Regierung offenbart.
Erdogan hat massiven Druck auf die Richter ausgeübt, sie eingeschüchtert und sie so gefügig gemacht. Trotz zahlreicher Manipulationen unterlag der Kandidat Erdogans bei der Wahl. Parteifreund den Sieg zu sichern. Auch alle Nachzählungen änderten nichts am Wahlergebnis. Die vor der Wahl bekanntgegebenen Wählerlisten waren korrekt. Alle Einsprüche wurden von der Wahlbehörde als haltlos zurückgewiesen. Der Einspruch, dass entgegen dem Wahlgesetz die eingesetzten Wahlhelfer keine Staatsbediensteten gewesen seien, wurde aber stattgegeben. Die Wahlbehörde annullierte nur die Wahl des Bürgermeisters für Istanbul und beschloss für dieses Amt eine Neuwahl am 23. Juni.
Die Argumentation für diese Entscheidung entbehrt jeglicher Logik. Die Wähler gaben bei der Wahl vier Stimmen ab: sie wählten eine Bürgermeister, ein Stadtrat, einen Bezirksbürgermeister und einen örtlichen Bürgermeister. Von den abgegebenen vier Stimmen wurden nun drei für gültig erklärt, der für das Amt des Bürgermeisters von Istanbul aber nicht. Somit würden die von der AKP-MHP Bündnis gewonnen Stimmen bei der Wahl des Stadtrats unangetastet bleiben.
Demnach müssten die Ergebnisse früherer Wahlen, bei denen Erdogan gewonnen hatte, eigentlich auch annulliert werden, denn schließlich waren die Wahlhelfer auch damals nach denselben Kriterien ausgewählt worden. Somit müsste auch die Legitimität der Wahl von Erdogan zum Präsidenten oder die Parlamentswahl angezweifelt werden.Die Wahlhelfer werden von der Wahlbehörde bestimmt. Die Widerspruchsfrist dafür lief am 2. März ab.
Die Entscheidung löste eine Welle der Empörung
Sogar langjährige Weggefährten Erdogans, die auch Gründungsmitglieder der AKP sind, haben die Entscheidung der Wahlbehörde scharf kritisiert. Den Kritikern wird nachgesagt, dass sie eine neue Partei gründen wollen. Vielleicht üben sie deshalb scharfe Kritik an der Entscheidung, die auf Druck Erdogans zustande gekommen ist.
Die wirtschafverbände, Gewerkschaften, Berufsverbände übten scharfe Kritik. Erdogan fackelte nicht lange und drohte ihnen mit Konsequenzen.
Die Bevölkerung geht jeden Abend auf die Straße um sein Wut zu zeigen.
Was nun
Falls AKP die Wahlen verlieren sollte, wird die ihre Niederlage noch verehrende sein; es seidenn, die AKP und Erdogan lassen sich etwas Neues einfallen. Zum Beispiel die Verschiebungvon Wählernaus anderen Kommunen, in der keine Wahlwiederholungstattfinden, in dasGroßstadtgebiet Istanbul.
Vor der Wahl am 31.01 2019 hatten sich tausende AKP Wähler in Istanbulin die Wahlliste eintragen lassen. Nach dem geänderten Wahlgesetz war ist es möglich, sich kurz vor denWahlen in eine anderen Bezirk bzw.Kommune anzumelden. DieFrist, um dortan der Wahl teilzunehmen, wurde so geändert, dass man nicht min. 3 Monatevorher dort angemeldet sein muss, umdort wählen zu dürfen. Vor allem wenn man überlegt, dass die Wählerlisten nicht aktualisiert werden, können Wähler, die in die Wählerliste neueingetragen wurden, obwohl sie nicht dort wohnen, zur Wahl gehen. Das ist gutes Fressen für die AKP.
Außerdemwurden viele Menschen, die bei der Wahl die Abstimmung an den Urnen kontrollierten,strafrechtlich verfolgt. Also noch mehr Einschüchterung.
AKP hat ganze Zeit auf Zeitgewinn gespielt. Ihre dreckigen Geschäfte sollten nicht ans Tageslicht kommen. Während dieser Zeit haben sie diese Geschäftezu verschleiern versucht. DieArbeit des Stadtrats wurde regelrechtblockiert, sodass nicht mal über die Finanzenein Überblick möglich war. Bis zu denNeuwahlen hat AKP die Zeit genutzt, um ihre Machenschaften zu verschleiern und für sich neue lukrative Verträge abzuschließen.
Die Bündnis von CHP/ IYI Partei und der gewählte Bürgermeister Imamoglu
Als Reaktion auf die Art, wie Erdogan den verlorenen Wahlen an sich zog, könnten neue Wähler für die CHP/IYI Parti Bündnis hinzukommen.
- Die verärgerten Nichtwähler werden zugunsten Imamoglus stimmen, um diesen Wahlcircus zu beenden. Die Rechnung von Erdogan, dass die CHP Wähler in den Urlaub fahren und damit von den Wahlen fernbleiben, wird aufgehen. Bei den Wahlen davor waren die fast alle Zuhause geblieben oder am Wahltag zurückgekommen. Von der wirtschaftlichen Entwicklung geschädigte Personen können sich keinen Urlaub mehr leisten. Auch viele AKP-Wähler, die nicht mit ihrerUrlaubslust bekannt sind, könnten allein wegen ihrer verschlechterten Situation, nicht mehr AKP wählen.
- Der Verzicht der Kleine Parteien zugunsten Imamogluswird der CHP neue Stimmen bringen. Die Gespräche mit ihnen laufen auf Hochtouren. Einige Kandidaten (TKP) haben sich sofort nach dem Wahlputsch entschieden, ihre Kandidatur zurückzuziehen.
- Eine Unterstützung der CHP durch die Saadet Partei ist sehr Wahrscheinlich. Deren 130.000 Wähler könnte sie zum Alptraumfür Erdogan werden. Das erfordert viel Überzeugungsarbeit, aber größtenteils werden sie sich für Imamoglu entscheiden, falls Saadet Partei keine eigene Kandidatenaufstellt.
- Die DSP könnteihre Kandidatur zurückziehen. Das Gesprächsangebot der CHP hat sie angenommen und die Entscheidung der Wahlbehörde scharf kritisiert. Es scheint, dass die DSP seien Kandidaten zurückziehen könnte.
- Werden die Kurden Imamoglu unterstützen? Nach Aussagen der HDP soll sich nichts ändern. Volle Unterstützung der CHP Kandidaten Imamoglu. Am 2.Juni,genau nach acht Jahren,durften die Anwälte A.Öcalan besuchen. DerGesprächsinhalt wurde am selben Tag der Entscheidung der Wahlbehörde bekanntgegeben. Ist das ein Schachzug von Erdogan?Will er damit die Kurden von der Opposition trennen? Könnte sein aber ob die Kurden mitspielen, kann man bezweifeln. Für eine neue Friedensgesprächsrunde ist es zu spät. Vor einigen Wochen erklärte PKK, dass sie die Kämpfe wieder verstärkt aufnehmen will. Öcalan ruft sie zur Zurückhaltung und fragt warum die HDP keine eigenen Kandidaten für Istanbul aufstellt. In diesem Fall wäre die Unterstützung von Imamoglu nicht möglich, was der wiederum Erdogan freuen würde. Dass die Forderung von Öcalan umgesetzt wird, wurden von mehreren HDP’lern verneint.
- Nun ist von einer nationalen Versöhnung die Rede. Die Haltung von der HDP ist glassklar. Nach so vielen Repressalien in Kurdistan, vor aber auch nach den Wahlen, könnte sie sich nicht anders entscheiden. Die verweigerten Bürgermeisterurkunden und manipulierten Wahlen in Kurdistan sind nicht vergessen.
Die Zahlen, die möglicherweise Imamoglu zugute kommen könnten:
CHP Ekrem İmamoğlu 4.171.118 Stimmen
SP Necdet Gökçınar 103.300 Stimmen
DSP Muammer Aydın 30.817 Stimmen
TKP Zehra Güner Karaoğlu 10.492 Stimmen
Und die Stimmen von der HDP und etwas von der DP macht es ca. 150 tausend Stimmen
Wenn alle ihre Wähler mobilisieren können, den CHP Kandidaten zu wählen, könnte die nächste Niederlage den Untergang der AKP/ Erdogan bedeuten. Erste Gespräche zwischen o.g Gruppen haben schon angefangen.
Also die o.g. Parteien haben sowieso keine Chance die Bürgermeister zu stellen, sie könnten locker auf eine Kandidatur verzichten. Die Kommunen und Bürgerschaftsitze bleiben von den neuen Wahlen unberührt.
Falls die AKP die neu angesetzte Wahlin Istanbul verliert, wird ihre Niederlage noch verehrender sein. Es könnte das Ende seiner Karrierebedeuten. Die Zeichen stehen gut für die demokratischen Kräfte. Die Linke muss sich von den neoliberalen Demokratendistanzieren mit dem Motto“die Diktatoren gehen nicht mit Wahlen, sondern mit den Aufstand der Bevölkerung, Belagerung der Straßen“ was zuletzt in Sudan und Algerien uns lehrte.Das System der CHP und Neoliberalen nehmen Wind von den Segeln der Bevölkerung. Die Proteste werden nicht unterstützt, eher sogar ignoriert. Die Sozialisten/ Revolutionäre sind nicht in der Lage die Führung der Volksbewegung zu übernehmen. Wenn man von einem Putsch redet, sollte man nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen, um hinterher mit einem Selbstkritik von den schönen Zeiten reden.Auf bessere Chancen warten ist sinnlos.
Verfasst für Freiesicht.org