Um von den wirklich Verantwortlichen abzulenken, werden die gesellschaftlichen Lager gegeneinander ausgespielt.
Weltweit nehmen die ökonomischen und ökologischen Verwerfungen zu: Umweltverschmutzung, Klimawandel, Armut, Migration, eine fortlaufend scheiternde Bildungspolitik, all dies bedroht den gesellschaftlichen Zusammenhalt sowie das Überleben der Spezies Mensch insgesamt. In allen Lagern scheint der Schuldige schnell gefunden: Es ist stets „der andere“. Doch so lassen sich die gesellschaftlichen Lager gegeneinander ausspielen und von den wirklich Schuldigen ablenken.
Die Armut in westlichen Ländern steigt rapide an, während Wenige immer reicher werden. Gleichzeitig gehen Arbeitsplätze verloren, immer mehr Menschen müssen mit prekärer Beschäftigung über die Runde kommen. Einen Schuldigen haben viele gefunden: Es ist der Ausländer, der hierher kommt, um den Deutschen die Arbeitsplätze wegzunehmen oder sich in die soziale Hängematte zu legen. Diese Argumentation wird zumeist dem rechten Lager zugeordnet und ruft dann sogleich die Empörungslinke auf den Plan. „Faschismus!“, wird da gerufen, „Antisemitismus, Rassismus.“ Um seine Haltung zu unterstreichen, fährt man zu Demonstrationen „gegen Nazis“ nach Chemnitz und feiert dort zu lautstarker Pöbelmusik eine unpolitische Party. Denn es sind diese vermeintlichen „Nazis“, die unser Land bedrohen.
Doch auch das rechte Lager hat nicht nur im Ausländer, sondern auch in jedem einen Feind gefunden, der sich „irgendwie links“ äußert. Aus ihrer Sicht zerstören Linke alles, von Kunst bis hin zur Bildung, und natürlich die „deutsche Identität“. So bekämpfen sich Rechts wie Links gegenseitig, wobei sich das rechte Lager mehr auf kulturelle Themen, das Linke mehr auf soziale Themen fokussiert Allerdings betrachten beide diese vollkommen isoliert voneinander. Es ist also auch kein Wunder, dass beide Seiten ständig aneinander vorbei reden.
Beide Lager bekämpfen den falschen Feind, werden dabei aber von den wahrhaft Schuldigen unterstützt. Heutzutage sind die neoliberalen Ideologen die größte Bedrohung. Sie haben in den letzten Jahren die Bildung durch G8 und Bologna Reformen zerstört, die Kunst okkupiert und zur reinen Ware degradiert, durch ihren enthemmten Wettbewerb und die Digitalisierung Arbeitsplätze vernichtet, durch unfaire Handelspolitik und neokoloniale Ausbeutung Millionen Menschen in die Armut und zur Flucht gedrängt und durch den Wahn des schlanken Staates und der schwarzen Null Sozialleistungen gekürzt.
Die Akteure dieser Ideologie bedienen sich dabei jedoch rechter wie linker Lager. Sie benutzen den linken Internationalismus, um für offene Grenzen und freie Fluchtwege zu werben, und auf diese Weise billige Arbeitskräfte zu erhalten, welche die heimischen verdrängen. Gleichzeitig bedienen sie sich der Rechten, damit diese eventuelle Gegenkräfte, vor allem in der extremen Linken, bekämpfen. Beide, Rechte wie Linksliberale, haben jedoch die Ideologie des freien Marktes, des Wettbewerbs und der Selbstverantwortung längst verinnerlicht. So ist sichergestellt, dass keines der beiden Lager auf die Idee kommt, die wahre Ursache zu bekämpfen. Alle versprengten Reste der wahren Systemgegner werden schnell als „Spinner“ oder gar „Terroristen“ gebrandmarkt, und die ganze Kohorte kapitalistischer Apologeten von ganz rechts bis weit ins linke Lager überbieten sich in Schmähungen.
Die gut geölte Meinungsmaschinerie macht auch vor den neuen Medien nicht halt. So verbreiten manche Internet-Kanäle die neoliberale Ideologie und hetzen gegen links. Dass diese Kanäle jedoch nur die Ideologie der Herrschenden vertreten, erkennt man beim näheren Hinsehen schnell.
Auch werden, zumindest im linken Lager, die sogenannten Antideutschen darauf getrimmt, in den eigenen Reihen auf Systemkritiker einzudreschen. Inflationär wird das Etikett „Antisemitismus“ verteilt, um allzu kritische Stimmen mundtot zu machen. Die Antideutschen werden so zur Schlägertruppe des transatlantischen Kapitals.
Auf der anderen Seite werden zum Beispiel mittels angeblich unabhängiger Institute rechte Kräfte gegen jene gehetzt, die sich gegen den Klimawandel und für die Umwelt einsetzen. Unter dem Deckmantel der Wissenschaftlichkeit wird hier der menschliche Einfluss auf den Klimawandel verleugnet und damit gleichzeitig jede Politik als „Ökofaschismus“ vom Tisch gefegt, welche die Umwelt mit einbezieht.
Auch lassen sich rechtsradikale Schlägerbanden gut instrumentalisieren, um linken Aktivismus nieder zu prügeln, wie es beispielsweise Aktivisten der Bewegung „Ende Gelände“ schon häufiger erlebt haben
Diese gesellschaftliche Spaltungs- und Sündenbockpolitik führt dazu, dass den tendenziell Rechten die Politik und die Medien zu links, ja geradezu schon sozialistisch agieren, während eher Linke diese als zu rechtslastig empfinden. So bekämpfen sich beide Lager gegenseitig und streiten über das Problem in Gesellschaft, Politik oder Medien: Ist es der vorgebliche Linksextremismus oder der angebliche Faschismus? Dabei übersehen sie jedoch, dass der Kapitalismus die Wurzel des Übels ist, insbesondere dessen neoliberale Spielart.
Er steigert den Druck auf den Einzelnen ins Unermessliche und vernichtet Arbeitsplätze, wobei das individuelle, materielle Wohlbefinden weiterhin von diesem Arbeitszwang abhängig bleibt. Er zwingt Menschen zur Flucht und verwertet sie in den Ankunftsländern möglichst kostengünstig, zu Lasten der Einheimischen. Da er Absatzmärkte benötigt, verursacht er Kriege und zerstört die Natur, indem er sich immer tiefer in sie hineinfrisst in seinem Bestreben, sie möglichst umfänglich für die Produktionsmaschinerie zu verwerten. Er ist es auch, der sie in eine Müllhalde verwandelt, indem er die Abfälle der Produktion und die verbrauchten, wie nicht benötigten Waren in ihr endlagert. Zudem zerstört er jede Form von Kultur, damit eine möglichst homogene, der Massenproduktion angeglichene Massengesellschaft entsteht, die möglichst viele der produzierten Waren konsumiert.
Die einzige Ideologie des Neoliberalismus ist das Wirtschaftswachstum, die fortwährende Profitsteigerung, koste es, was es wolle. Seine Akteure interessieren sich dabei nicht für die Opfer, die er fordert, oder die Zerstörung, die er anrichtet. Allerdings darf der Unmut der Opfer nicht zu groß werden, oder — sollte dies doch passieren — sich zumindest nicht auf den Kapitalismus richten. So werden rechte und linke Parteien, Lager und Kreise instrumentalisiert, sich gegenseitig zu bekämpfen, um von den wahren Ursachen abzulenken.
Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass Institute wie EIKE, die Mercer Foundation oder das Heartland Institute die Forschung zum Klimawandel torpedieren und den menschlichen Einfluss auf den Klimawandel verleugnen. Folgerichtig finanzieren neoliberale Akteure diese Institute, zum Beispiel Robert Mercer. In diesem Zusammenhang sollte man stets Steve Bannons Plan im Hinterkopf behalten, die Bevölkerung so mit Bullshit zu überziehen, dass sie nicht mehr weiß, was richtig ist und was falsch.
Die neoliberalen Akteure, welche diese Institutionen mit aufbauen sind es dann auch, die sich mit Spenden am Aufbau solcher Parteien und Politiker beteiligen, welche am menschengemachten Klimawandel zumindest öffentlich zweifeln. Auf diese Weise werden die Medien- und Politikskeptischen Teile der Bevölkerung dazu verleitet, ihre Stimmen rechten Kräften zu geben um diese zu unterstützen.Auf diese Weise schafft man sich seine Wählerklientel, um ihnen dann die entsprechende, ihren Ansichten entsprechende Partei zu liefern.
Auch die Heinrich Böll Stiftung, die der Partei der GRÜNEN nahe steht, ist ein Beispiel einer sich links gebenden, aber fest im Neoliberalismus verankerten Stiftung. So vergöttert sie, ebenso wie die dazugehörige Partei, die Europäische Union, ein durch und durch neoliberales Projekt, ohne auf die grundsätzliche Fehlkonstruktion derselben aufmerksam zu machen. Denn die EU provoziert die zwangsweise steigende Armut und Wirtschaftskrisen. Auch hat sich die Partei der GRÜNEN beim Kosovokrieg als dem neoliberalen Kapitalismus dienstbar erwiesen. Internationalismus, Grenzenlosigkeit, Migrationsfreundlichkeit bemäntelt sich links. Das mag zwar in einer perfekten Welt auch so sein, doch spielen sie mit ihren Haltungen heutzutage nur dem Neoliberalismus in die Hände.
In diese Reihe aufgenommen werden muss auch die Bewegung „Pulse Of Europe“. Diese wurde von einer Frankfurter Anwaltskanzlei gegründet und ist eine Blüte erfolgreichen Astroturfings. Hier wird eine europafreundliche Bürgerbewegung inszeniert, um für das Europa der neoliberalen Ausprägung zu werben. Jeder Kritiker, egal ob von links oder von rechts, wird zum „Nationalisten“ abgestempelt, und damit latent in die rechte Ecke gestellt.
Die Einordnung, was rechts und was links ist, nehmen also immer die neoliberalen Akteure vor. Sie verkleben diese Etikette, und viele Menschen lassen sie sich erfreut anheften. Denn diese Etikette tragen zur eigenen Identitätsfindung und Verortung in einer zunehmend chaotischeren Welt bei. Identitätssuche wird zum bestimmenden Antrieb.
Natürlich ist nicht jede Kritik an der EU rechts oder nationalistisch, ebenso wenig, wie die EU per se humanistisch und links ist. An dem Ideal der Heimat festzuhalten, ist nicht zwangsweise rechts, denn jeder Mensch benötigt eine solche. Sie ist der Mittelpunkt des eigenen Lebens, ein Ort, an dem man sich zugehörig und verstanden fühlt. Auch ist Sozialpolitik nicht per se links. Im Gegenteil, sie hat sich als Stabilisierungsfaktor des gegenwärtigen Systems erwiesen. Wenn man die zunehmende Zahl der vom System Ausgestoßenen durch Arbeitslosengeld oder Hartz IV maskiert, wirkt das Elend weniger dramatisch, und man verhindert den Aufstand der Massen.
Der neoliberale Kapitalismus hat alle Bereiche des gesellschaftlichen Zusammenlebens für sich vereinnahmt. Die einzige Unterscheidung, die noch gemacht wird, ist jene, ob Linke oder Rechte dazu instrumentalisiert werden, den Kapitalismus zu verteidigen. So werden linke Kräfte benutzt, Internationalismus, Freizügigkeit (auch für Waren und Kapital) und systemstabilisierende Sozialleistungen zu verteidigen, während rechte Kräfte an Industrie, Autoritarismus, Krieg und Hierarchien hängen. Beide werden jedoch gleichermaßen durch das herrschende System unterdrückt und lassen sich dennoch dafür benutzen, das System zu verteidigen. Durch diese Grabenkämpfe beschäftigt sich eine ganze Gesellschaft mit sich selbst.
Der neoliberale Kapitalismus organisiert also eine sich selbst bekämpfende Gesellschaft, die durch Spaltereien, Unterstellungen und Inszenierung von Bewegungen auf systemkonformem Kurs gehalten wird. Gleichzeitig bietet er jedem ein Identifikationsmerkmal, das dieser sich in Form von Etiketten aufklebt und zum Teil seiner Identität macht. Für die einen sind es die Nation und die deutsche Kultur. Für die anderen sind es Weltoffenheit und Gendergerechtigkeit sowie der Antifaschismus. Diese Identifikationsmerkmale, einmal in die persönliche Identität integriert, werden bis aufs Blut als absolut „wahrste Wahrheit“ gegen Andersdenkende verteidigt.
Dieser inszenierte Schaukampf erinnert ein wenig an die römischen Gladiatorenkämpfe. Wie damals bekämpfen sich die heutigen Parteien lieber gegenseitig, statt ihre Sklavenhalter zu stürzen und sich die Freiheit zu erstreiten, die ihnen genommen wird. Auf diese Weise regiert der neoliberale Kapitalismus mittels einer Teile- und Herrsche-Strategie, und seine Akteure lehnen sich amüsiert zurück, während sich die Gladiatoren in der Arena gegenseitig zerfleischen.
Foto: fotogestoeber/Shutterstock.com
Quelle: https://www.rubikon.news/artikel/teile-und-herrsche-2