Die Corona-Krise hat uns offenbart, was seit Jahren im Verborgen blieb, nämlich die Krise der Linken.
Es geht nicht darum, die Krise zu überleben, sondern die Chance zu nutzen und dem Neoliberalismus die Stirn zu bieten. Sich zu organisieren, zwischen bestehenden Gruppen die Koordination zu schaffen und sie zu bündeln. Wenn mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung die Alternative zum Kapitalismus im Sozialismus sieht, ist die Zeit gekommen die Ärmel hochzukrempeln.
Jedes Mal, wenn die Krise des Kapitalismus an unsere Tür geklopft hat, hatten wir nicht mal die Kraft zu reagieren, geschweige denn, sie zu bekämpfen. Dann bleibt uns nichts anderes übrig als die Geschehnisse stillschweigend anzunehmen. Das einzige, was wir gut können in unserer Ohnmacht und Handlungsunfähigkeit, ist, monatelang zu diskutieren. Uns wird nicht klar, dass wir uns von der Bevölkerung jeden Tag mehr entfernen. Der Spalt zwischen unseren Diskussionen und der Realität wird immer größer. Wir sind nicht mehr in der Lage die Menschen zu erreichen und ihnen klar zu machen, wer für diese Misere verantwortlich ist. Der Neoliberalismus wird als neue Selbstverständlichkeit hingenommen.
Die “systemrelevanten“ Parteien oder Bewegungen betäuben die Menschen, die eigentlich im Einflussbereich der sozialistischen Linken sein sollten. Im Grunde genommen haben diese “systemrelevanten“ Parteien oder Bewegungen auch keinen direkten Zugriff auf diese Menschen, aber über die Medien schaffen sie es dennoch, die Menschen zu manipulieren. Unsere Passivität und Alternativlosigkeit treibt die Menschen zu ihnen. Wir sehen, dass sie nur bei den Wahlen von ihnen profitieren, auf die Straße um zu kämpfen werden sie nicht folgen, falls sie dazu aufgerufen werden. Diese Parteien haben durch die Krise ihre Glaubwürdigkeit schon lange verloren und suchen nach Alternativen. Interessanterweise erreicht die Reichweite dieser Betäubung irgendwann auch die sozialistische Linke, die in der Folge immer weniger Menschen um sich hat. Es wird schwer die Menschen von der Winterstarre zurück ins Leben zu holen. Die Nazis sind besser organisiert und nutzen die Gelegenheit für ihre Zwecke im Gegensatz zu den Sozialisten.
Allein die Plakate* einiger Antifa-Gruppen zeigen, dass das Regime es geschafft hat, die Gesellschaft zu polarisieren.
Die „systemrelevanten“ Parteien oder Bewegungen werden sich nie so weit aus dem Fenster lehnen, dass es dem System schadet. Sie sind ein Teil des Systems und ohne sie gäbe es das System auch nicht. Genau dieser Unterschied macht die Sozialistische Linke aus. Wenn die sozialistische Linke es schafft, den Kontakt mit den vom System benachteiligten Massen aufzunehmen, reicht unsere Theorie und Praxis, sie mit ihren Problemen für eine bessere Zukunft zu mobilisieren.
Die Pleite des realen Sozialismus verschaffte dem Kapitalismus eine vorrübergehende ideologische Vorherrschaft. Besonders nach dem Mauerfall raste diese Welle nicht ohne Spuren zu lassen an den sozialistischen Linken vorbei. Die sozialistische Linke fand keine Mittel gegen die neue Selbstverständlichkeit des Neoliberalismus. Während er sich rasant weltweit um uns herum verbreitete, krochen wir uns in unsere Ecken und schauten zu. Der Aufbau einer sozialistischen Bewegung, die sich gegen diese ideologischen und praktischen Angriffe stellen könnte, wurde fahrlässig vernachlässigt. Der Mauerfall führte zu einem Demoralisierungsprozess, von dem die Sozialisten sich nicht erholt haben. Die alten Aktionsbündnisse verschwanden und jeder versuchte sich ohne den anderen zu behaupten. Viele wollten mit den sozialistischen Bewegungen nichts mehr zu tun haben und lieferten die kommenden Generationen dem Neoliberalismus aus. Die von den Jugendlichen organisierten kleinen Gruppen bekamen nichts von den Erfahrungen der älteren Generationen mit. Jeder musste sich dieselben Erfahrungen mühsam erarbeiten.
Es ist ein offenes Geheimnis, dass auch diese Krise der Verstärkung und Neujustierung des Neoliberalismus dient. Für die Konzerne bereit gestellte Milliardenbeträge müssen irgendwann auf Kosten der Lohnabhängigen zurückgezahlt werden. Mehrere Generationen werden mit den Folgen dieser Politik leben müssen. Die auf die Almosen des Staates angewiesenen Menschen werden nicht nur zu billigen Arbeitskräften gemacht, sondern immer mehr in Arbeitslosigkeit und Elend gedrängt.
Auch hier haben die Sozialisten keine Lösung, kein Konzept dagegen. Kritik am Kapitalismus ohne Selbstkritik ist nichts anderes als brotlose Kunst. Die Massen können sich davon nichts kaufen. Konzepte müssen her und vor allem müssen diese umgesetzt werden. Die Solidarität zwischen verschiedenen Schichten muss aufgebaut und ausgedehnt werden. Niemand darf allein gelassen werden.
Die Krisenzeiten bieten nicht nur dem Kapital die Möglichkeit sich zu reorganisieren, sondern auch den Sozialisten. Währen die Neoliberalisten diese Gelegenheit für sich ausschöpfen, haben die sozialistischen Bewegungen nichts anzubieten außer meckern oder zu diskutieren. Es gibt nicht mal Aufklärungsversuche.
Es scheint so, als ob die sozialistischen Linken die ideologische Niederlage nach dem Mauerfall akzeptiert haben. Wenigsten sollte man von ihnen eine breite Solidarität unter aktiven Gruppen erwarten. Doch jeder macht sein Ding ohne von anderen unterstützt zu werden. Endlose Diskussionen führen nicht zu Aktivitäten, sondern lähmen das Ganze. Von keiner Seite kommt die Einsicht mit anderen zusammenzuarbeiten. Wenn die Linken sich nicht vertrauen, um etwas zu ändern, warum sollten die Jugendlichen ihnen vertrauen, sollte man sich fragen. Offene und direkte Diskussionen waren nie die Stärke von Linken. Um das zu überwinden, muss man zuerst gegen den Neoliberalismus am selben Strang ziehen. Jeder redet davon, aber wer macht den ersten Schritt? Niemand…
Wer den Faschismus auf Nazismus reduziert, ignoriert den weltweiten Faschismus heute.
Faschismus hat bestimmte Merkmale, aber entwickelte sich in jedem Land anders, sodass heute andere Instrumente zum Einsatz kommen. Man kann den Faschismus in Italien damals nicht mit Nazi-Deutschland vergleichen. Nur die Merkmale aller Ausführungen des Faschismus bleiben die gleichen. Faschismus braucht das Kapital, ohne Kapital könnte kein Faschismus entstehen. Wir wissen heute, dass der Aufbau des Faschismus entweder von unten, also starke Unterstützung der Massen, oder von oben nach unten, wie zum Beispiel bei einem “Militärputsch“ oder “Systemchange“ erfolgt. In beiden Fällen ist der Kapitalismus Taktgeber. Er entscheidet, in welcher Härte und wie lange er regiert. Er braucht nicht unbedingt die Unterstützung der Bevölkerung, er schafft sich durch die Manipulationen der Menschen diese Unterstützung. Eine verängstigte Bevölkerung neigt dazu, zu allem fähig zu sein. Hier wäre es die Aufgabe der Sozialisten, die Zusammenhalt und Solidarität unter der Bevölkerung zu organisieren um diese Ängste zu bekämpfen. Dabei sollte man nicht vergessen, dass die Mittelschicht die Schwachstelle der Gesellschaft ist. In allen faschistischen Regimen war es die Mittelschicht, die sofort die Hose voll hatte, ihre Privilegien zu verlieren. Die Ärmsten schlossen sich nach und nach der herrschenden Politik an.
Der Aufbau eines autoritären Regimes ist nicht nur den Drittländern vor behalten. Immer mehr so genannte “demokratische Regimes“ werden von den Demokraten in ein autoritäres Regime umgewandelt. Die freiheitlichen Rechte werden abgeschafft, von Willkür wird unser Alltag begleitet.
Wir haben Jahrzehnte vernachlässigt immer wieder zu betonen, dass der Sozialismus die Lösung der Probleme dieser Welt ist. Kapitalisten ziehen gerne die Parallelen zwischen realem Sozialismus und unserem Verständnis von Sozialismus. Wir wissen, dass es dazwischen Berge gibt, aber können diese den jüngeren Generationen nicht vermitteln. Das muss sich ändern. In den Krisenzeiten, die wir durchmachen, dürfte es uns nicht schwer fallen entsprechende Schritte zu gehen. Gerade jetzt ist die Zeit reif, sie war nie so reif wie jetzt. Wir haben bessere Argumente und Lösungen. Worauf warten wir?
Die Notwendigkeit eines gemeinsam organisierten Kampfes wird durch die Corona-Krise offensichtlich. Die Krise wird nach dem Ende der Corona-Epidemie mit der neuen Gestaltung des Neoliberalismus fortgesetzt. Und wenn wir nicht unvorbereitet in die neue Krise geraten wollen, müssen die notwendigen Schritte unternommen werden. Das beste Erbe, das wir den neuen Generationen geben können, ist, ihnen zu vermitteln, dass nur organisierter Kampf Erfolg bringen kann.
*) Bei der Demonstration gegen die Maßnahmen trugen “einige Antifa Gruppen“ Plakate wie: “Gegen Verschwörungen, Corona Leugner“ usw. Sie übernehmen die Sprüche der Mainstream- Medien ohne nachzudenken und werfen alle Kritiker mit Nazis in einen Topf. Es ist eine totale Unterwerfung dem Staat und den Leitmedien. Plötzlich werden die Opfer zum Täter. Ohne die Infragestellung des Kapitalismus/Neoliberalismus, kann es keinen Anti-Faschismus geben. Wer die “14 Merkmale des Ur-Faschismus“ von Umberto Eco gelesen hat, weiß, wovon wir hier reden.
Verfasst für Freiesicht.org