Prozessbeobachter kritisieren Verstöße gegen die Verfahrensrechte, die dem Angeklagten zustehen
London. Der Prozess gegen den Wikileaksgründer Julian Assange findet unter Protesten am königlichen Gerichtshof Woolwich statt. Prozessbeobachter und Verteidiger schildern, wie mit dem Angeklagten und dessen Unterstützern umgegangen wird. So wurde am Gericht in gestern dem derzeitigen Chefredakteur von Wikileaks Kristinn Hrafnsson zunächst ohne Angabe von Gründen verweigert. »Mir wurde mitgeteilt, das Gericht habe entschieden, mich von der Besuchertribüne zu verbannen«, zitiert »Zeit Online« den isländischen Journalisten.
Für Julian Assange, der unter den Auswirkungen der Haft in einem Hochsicherheitsgefängnis leidet, wird der Prozess nach Angaben seiner Verteidiger zusehends erschwert. Am ersten Prozesstag musste Assange fünf Mal die Gefängniszelle wechseln. Elfmal wurden ihm Handschellen angelegt und er wurde zwei Mal durchsucht. Ärzte bezeichnen den Gesundheitszustand von Assange weiterhin als fragil und gehen davon aus, Assange werde im Falle einer Auslieferung an die USA – ihm drohen dort bis zu 175 Einzelhaft – einen Weg finden, um Suizid zu begehen.
ReporterohneGrenzen ✔ @ReporterOG
Wir sind alarmiert durch die Ereignisse am zweiten Prozesstag von #JulianAssange. @wikileaks Chefredakteur wurde zunächst der Zugang zum Gericht verwehrt. Und die Verteidigung betonte die unfaire Behandlung von #Assange am Tag zuvor. #FreeAssange 213 21:14 – 25. Feb. 2020Twitter Ads Info und Datenschutz 178 Nutzer sprechen darüber
nd-Kompakt
Unser täglicher Newsletter nd-Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion – und das jeden Abend schon um 19.30 Uhr. Hier das kostenlose Abo holen.Dem Verfahren kann Assange, nicht nur aufgrund der gesundheitlichen Bedingungen, nur unter erschwerten Bedingungen folgen. So seien ihm nach dem ersten Tag Verfahrensunterlagen weggenommen worden, die er für seine Vorbereitung brauchen würde und die ihm als Beschuldigten zugänglich zu machen sind.
Ankläger leugnen Journalistenstatus
Assange wird in den USA vorgeworfen, mit den Veröffentlichungen auf der Enthüllungsplattform Wikileaks das Leben von US-Bürgern gefährdet zu haben. Durch die Vertreter der US-Regierung wurde bisher kein Beleg erbracht, wie diese Gefährdung konkret ausgesehen haben soll. Journalisten, die mit Assange zusammengearbeitet haben beschreiben unterdessen den Aufwand, den Assange gemeinsam mit mehreren namhaften Medien in Vorbereitung der Veröffentlichung betrieben hat.
Heute ist Stunde der Verteidigung von #JulianAssange Den ganzen Vormittag zerpflückt sie die angeblichen Auslieferungsgründe, wie Gefährdung von Personen durch #Wikileaks Veröffentlichung u kriminelles Handeln. Es ist offensichtlich, US-Seite hat nichts in der Hand! #FreeAssange 82 14:53 – 25. Feb. 2020Twitter Ads Info und Datenschutz 37 Nutzer sprechen darüber
Die US-Interessen wurden durch die Veröffentlichung der Irak-Afghanistan-Kriegstagebücher empfindlich gestört. Die Whistleblowerin Chelsea Manning hatte Wikileaks zahlreiche Dokumente und Videos zugespielt, die US-Kriegsverbrechen im Irak und die Kriegsführung in Afghanistan öffentlich machten. Auch Manning wurde in einem Prozess als Verräterin mit 35 Jahren Gefängnis bestraft. Obgleich sie nach sieben Jahren vorzeitig entlassen wurde, ist sie derzeit erneut in den USA inhaftiert. Der Grund: Es soll eine Aussage gegen Julian Assange erzwungen werden. Manning verweigert diese Aussage und lässt aus der Beugehaft wissen, sie würde lieber verhungern, als gegen Assange auszusagen. Auch Manning hatte während ihrer Isolationshaft in US-Gefängnissen mehrfach versucht, sich das Leben zu nehmen.
Mordkomplott gegen Assange
Die Verteidigung brachte vor, man habe Zeugen, die belegen können, dass mit der Sicherheitsfirma, die in der ecuadorianischen Botschaft eingesetzt wurde, über »extremere Maßnahmen« gegen Assange gesprochen wurde. Die Videoüberwachung der Botschaftsräume, die nicht nur in die Persönlichkeitsrechte von Assange, sondern auch in die seiner Besucher eingriff – sogar die Damentoilette soll überwacht worden sein – hatten bereits deutsche Journalisten zum Thema gemacht. »Extremere Maßnahmen« reichen bis zu einem Mordkomplott gegen Assange. Es habe den Vorschlag gegeben, eine Tür der Botschaft offen stehen zu lassen, um eine Entführung wie ein Versehen aussehen zu lassen, zitierte einer der Verteidiger Edward Fitzgerald aus der Zeugenaussage. »Ja, sogar die Möglichkeit des Vergiftens wurde besprochen«, berichtet Kai Biermann für »Zeit Online«.
Unterstützer vor Ort
Mehrere Bundestagsabgeordnete der Linksfraktion sind in London und verfolgen den Prozess und die Solidaritätsproteste für Julian Assange. »Journalismus ist kein Verbrechen, Julian Assange muss aus der Haft entlassen werden. Einen größeren Präzedenzfall der Pressefreiheit wird es in absehbarer Zeit nicht geben«, sagt Doris Achelwilm, medienpolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion Die Linke. »Die Enthüllungen auf der Plattform WikiLeaks über die Kriegsverbrechen der USA im Irak waren im öffentlichen Interesse und müssen durch die Pressefreiheit geschützt werden.«
Auch der US-Whistleblower Edward Snowden sieht in dem Verfahren gegen Julian Assange einen Präzedenzfall und weist auf die Bedrohung für den investigativen Journalismus hin, die mit dem Fall Wikileaks einher geht.
If you’re a reporter and following the Assange Espionage Act extradition case–and you should be, since it’s possibly the biggest press freedoms case in a generation–it’s worth reading this thread on the defense’s first arguments, which really blow a hole in the govt’s case. https://twitter.com/kgosztola/status/1232256047571664896 … Kevin Gosztola ✔ @kgosztola Antwort an @kgosztola Defense is going over what they claim are examples of Zakrzewski abuse, which means offenses in extradition request are false or outlined inaccurately as proffered by the prosecution #Assange 6.179 00:43 – 26. Feb. 2020Twitter Ads Info und Datenschutz 3.397 Nutzer sprechen darüber
Foto: Sevim Dagdelen