Amazon hat seinen Gewinn während der Corona-Krise weltweit verdreifacht. Pünktlich vor Weihnachten rief Ver.di medienwirksam zum Streik in den Amazon-Logistikzentren in Deutschland auf. In den drei Tagen vor Heiligabend wurde an sechs der insgesamt 15 Standorte die Arbeit niedergelegt, um für eine Bezahlung nach dem Tarifvertrag des Einzelhandels zu protestieren.
Erneut sind die Beschäftigten des Online-Händlers Amazon in den Streik getreten. Weltweit ist das Unternehmen für seine arbeiter:innenfeindliche Politik bekannt. Neben der Beschäftigung auf Leiharbeit-Basis lehnt das Unternehmen den Abschluss von Tarifverträgen ab und versucht die gewerkschaftliche Organisierung zu verhindern. In Deutschland kämpfen Amazon-Arbeiter:innen seit 2011 für einen Tarifvertrag, dessen Abwesenheit neben der Arbeitsverdichtung zu Rekordprofiten während der Corona-Krise geführt hat. Zuletzt verkündete das Unternehmen Gewinne über 6,3 Milliarden US-Dollar, eine Verdreifachung im Vergleich zum Vorjahr.
Streiks in Logistikzentren – eine Ausweitung der Streiks ist notwendig
Für eine gewisse Dramatik war der Zeitpunkt der aktuellen Streiks gut gewählt: Kurz vor den Feiertagen haben die Zeitungen ausreichend Platz für kleine Berichte über große Ungerechtigkeiten. Ebenfalls existiert eine gute Grundlage, dass sich breite Teile der Bevölkerung und andere Sektoren der Arbeiter:innenklasse solidarisch mit den Amazon-Beschäftigten erklären, da Amazon während der Corona-Krise durch seine Rekordgewinne stärker in der Kritik steht. Im Gegensatz dazu ist der Startpunkt des Streits zugleich ungünstig, da ein Teil der Geschenke bereits vor dem 21. Dezember zugestellt worden sind. Für eine echte Störung des Weihnachtgeschäftes wären längere Streiks wirkungsvoller, die über mehrere Wochen hinweg andauern.
In diesen Tagen schuften 16.000 Beschäftigte in den Amazon-Logistikzentren unter großem Zeitdruck. Ver.di gab an, mit 1.700 Streikenden zu rechnen. Wie viele sich tatsächlich beteiligt haben, ist noch nicht bekannt: Die Medien beachteten die Streik-Aktion über die Ankündigung hinaus nicht. Auch Ver.di selbst zieht bislang kein öffentliches Statement dazu. Ein großer Teil der Beschäftigten werden seitens des Amazon-Managements systematisch eingeschüchtert oder werden durch Streik-Prämien dazu bewegt sich von den Gewerkschaften zu distanzieren. Dabei ist es notwendig, dass seitens der Gewerkschaften eine gesamtgesellschaftliche Perspektive aufgeworfen wird, die auf die riesigen Gewinne des Konzerns aufmerksam macht und die Beschäftigten so für die notwendigen Streiks gewinnt.
In diesem Sinne gäbe es mehr als genug Gründe für großflächige Streiks in allen Amazon-Standorten und Bereichen, denn seit der Corona-Krise, vor allem während des Lockdowns, gehen die Profite des US-Konzerns durch die Decke. Besonders im Kontext der Massenentlassungen in mehreren Einzelhandelsbetrieben wie bei Galeria-Karstadt-Kaufhof sollten die Streiks ausgeweitet werden, um gemeinsame Forderungen wie ein Entlassungsverbot, Anwendung des Flächentarifvertrags in der gesamten Branche sowie die strikte Einhaltung der Gesundheitsvorschriften, die durch die Beschäftigten kontrolliert und umgesetzt werden, zu erkämpfen. Durch eine solch breite Streikbewegung und Solidarität der Bevölkerung könnte ein massiver Druck auf Amazon aufgebaut werden.
Eine Ausweitung und Verlängerung der Streiks bei Amazon in allen Bereichen des Handels, die nicht nur eine Symbolwirkung haben, steht jedoch aktuell nicht auf der Agenda des Ver.di-Vorstandes, welcher das letzte Wort über Streikmaßnahmen spricht. Im Falle von Massenentlassungen bei Galeria-Karstadt-Kaufhof bedeutete diese Haltung, trotz der Schließung von über 50 Standorten, dass es nicht zu einem einzigen Streiktag kam. Versammlungen der Betriebsgruppen und Streikversammlungen können gute Mittel für die Arbeiter:innen darstellen, um dieser zurückhaltende Positionierung der Gewerkschaftsführung mit Druck von unten entgegenzutreten. Aus solchen Versammlungen, die auch über die einzelnen Betrieben hinaus organisiert werden, können wir als Gewerkschafter:innen und Arbeiter:innen an der Basis unsere Forderungen und Streikstrategie selber bestimmen und öffentlich alle Gewerkschaftsorgane aufrufen, diese Positionen anzunehmen und umzusetzen. Nur so kann die Stellvertreter:innenlogik der Gewerkschaftsbürokratie gebrochen werden.
Multimilliardär Jeff Bezos zur Kasse!
Obwohl die Leistung der Beschäftigten den „Erfolg“ des Unternehmens erst möglich macht, werden weder Gehaltserhöhungen noch Krisenprämien angeboten. Stattdessen müssen die Arbeiter:innen ihre Gesundheit riskieren, wie etwa beim Warten an überfüllten Shuttle-Haltestellen. So wurden im Amazon-Standort Garbsen bei Hannover 250 von 900 Arbeiter:innen positiv auf Corona getestet – der Konzern spricht von „Ursachen im privaten Bereich“. In Deutschland behauptet Amazon, die Beschäftigten hätten als Lagerkräfte keinen Anspruch auf Bezahlung nach dem Tarifvertrag des Einzelhandels. In Italien jedoch argumentiert der Konzern mit dem Gegenteil, denn die Arbeiter:innen werden als Beschäftigte des Einzelhandels eingruppiert und bezahlt. Das kommt Amazon günstiger als die Bezahlung nach italienischem Tarifvertrag für Lagerarbeiter:innen.
Der sich durch die Welt ziehende rote Faden der Amazon-Konzernpolitik ist die Ausbeutung der Arbeiter:innen – und der Kampf der Belegschaften. Im Frühjahr wurden zeitgleich Amazon-Standorte in den USA, Frankreich und Italien bestreikt. Auslöser war die krampfhafte Offenhaltung von Standorten, in denen es zu Corona-Infektionen in der Belegschaft kam. Für die Ver.di-Führung wäre die Gelegenheit günstig gewesen, zur solidarischen Teilnahme am internationalen Kampf aufzurufen.
Während es dringend Investitionen in das Gesundheitssystem zur Bekämpfung der Corona-Pandemie braucht, sitzt Jeff Bezos auf einem Vermögen von 185,2 Milliarden Dollar, das durch die Ausbeutung der Arbeiter:innen und Steuervergünstigungen wachsen konnte. Die Corona-Krise zeigt die Notwendigkeit mehr denn je, die Vermögen der Großkapitalist:innen in Frage zu stellen und diese für Investitionen in den Gesundheitssektor, sowie für die Kosten der Krise, zu enteignen. Wenn eine solche Forderung seitens der weltweiten Amazon-Beschäftigten aufgenommen wird, könnte sie Millionen von Menschen hinter sich vereinigen. Eine solche Perspektive muss natürlicherweise gegen die sozialpartnerschaftliche Gewerkschaftsbürokratie durchgesetzt werden, die nicht gerne das Vermögen und Eigentum der Kapitalist:innen in Frage stellt. Als Teil einer weltweiten kollegialen Bewegung könnten die Amazon-Kolleg:innen den Elfenbeinturm, den Konzernchef Jeff Bezos von den Früchten ihrer Arbeit errichtet hat, zum Zittern bringen.
Quelle: https://www.klassegegenklasse.org/tausende-amazon-arbeiterinnen-im-streik-make-bezos-pay/