Fast zwei Wochen nachdem am 20. Mai der Superzyklon “Amphan” in Westbengalen und im nördlichen Teil von Odisha wütete sind Gebiete in den zwei östlichen Küstenstaaten Indiens, insbesondere in vielen Dörfern und Slums, immer noch verwüstet. Mindestens 72 Menschen sind nach den bisherigen Angaben der Regierung in Bengalen gestorben.
Schon am ersten Tag der zuvor, am 23. März, ausgerufenen Ausgangssperre in Indien hatten Student*innen der Jadavpur-Universität in Kalkutta die Jadavpur Commune Initiative ins Leben gerufen. Sie verteilten Masken, Desinfektionsmittel sowie Rationen, Lebensmittel und Notfallmedikamente.
Anuska ist Teil der Jadavpur-Commune. Sie lebt derzeit in Kolkata,
Westbengalen, und fährt regelmäßig in verschiedene Dörfer in
Westbengalen, um die wichtigsten Mittel bereitzustellen, die Situation
zu beobachten, das prekäre Leben der Menschen dort zu verstehen und mit
den am stärksten betroffenen Menschen in dieser doppelten Gefahr der
COVID-19-Pandemie und des Zyklons zu sprechen. Susheela Mahendran sprach
mit ihr.
Anuska, Du und Dein Team waren in Harinhula,
Minakha im Distrikt North 24 Parganas in Westbengalen. Wie ist die Lage
in Harinhula, Minakha?
Ja, wir von der Jadavpur Commune
waren in den letzten zwei Tagen in Harinhula, Block Minakha, um Umfragen
durchzuführen und den dortigen Dorfbewohner*innen Hilfe zu leisten. Der
Wasserstand ist dort bis zur Brust hoch. Alle Häuser stehen unter
Wasser. Das “Baadh”, die Ziegelstruktur, um den Wasserzufluss des
Flusses „Bidyadhari“ aufzuhalten, ist vollständig durch den Zyklon
zerstört worden, und bis es repariert ist, wird der Wasserspiegel nicht
sinken. Seit zwei Tagen sind wir auf dem Wasser unterwegs und versuchen,
die Dorfbewohner mit Material zu versorgen. Das Dorf hat eine “Purba
Para” (Ostseite), eine “Paschim Para” (Westseite) und ein angrenzendes
Adivasi-Dorf. Der Paschim Para liegt direkt am Fluss und wurde am
stärksten in Mitleidenschaft gezogen. Der Wasserstand reicht hier
während des “Jowar” (Hochwasser) bis zum Kopf einer Person
durchschnittlicher Größe und während des “Bhata” (Ebbe) bis zur Brust.
Bis heute hat keine andere Partei oder Gruppe die Menschen im “Paschim
Para” erreicht.
Die BDO (Block Development Officer) des Dorfes kamen eines Tages
vorbei, um den Zustand des Dorfes zu scannen, schickten aber keine Hilfe
aus. Weder Vertreter des Staates noch der Zentralregierung sind
gekommen, um den Menschen zu helfen. Die Dorfbewohner*innen wurden in
Schulen ausgesondert, in denen sie Zuflucht gefunden haben, und sie
haben eigenständig Initiativen von Gemeinschaftsküchen ergriffen, um
sich zu ernähren. Aber sie haben nur sehr wenig wirtschaftliche
Unterstützung und müssen an den meisten Tagen ohne Nahrung auskommen.
Die Situation hier ist überwältigend.
Wie schwierig ist es jetzt, diesen Menschen zu helfen?
Es ist unmöglich, das Dorf während des Hochwassers zu befahren, da der Wasserspiegel gestiegen ist. Daher können wir nur während der Ebbe in das Dorf fahren, weil der Wasserspiegel in dieser Zeit ein wenig sinkt, was unseren Verteilungsprozess verlängert. Wir gingen bis zum Ende des Dorfes mit Wasser auf Brusthöhe hinaus und verteilten Kits in allen Häusern und Schulen des Dorfes. Die Menschen hier leben inmitten von giftigen Schlangen und durch und durch verschmutztem Wasser.
Die Tatsache, dass die Dorfbewohner*innen in Notunterkünften zusammengepfercht sind, weist einmal mehr auf die Farce der “physischen Distanzierung” hin, um die Übertragung des Virus einzudämmen. Das Fehlen jeglicher Form von sauberem Wasser, das sie daran hindert, “sich von Zeit zu Zeit die Hände mit Seife zu waschen, um Corona zu verhindern”, offenbart auf eklatante Weise, wie solche Protokolle ausschließlich für die Oberschicht, die obere Kaste, den reichen Teil der Gesellschaft gelten, die den Luxus haben, sich solche Privilegien zu leisten. Was die Armen betrifft, so sind sie ohne Nahrung, Trinkwasser, Häuser, Papiere und Ressourcen dem Tod überlassen worden. In einem der Videos sehen wir eine Dorfbewohnerin, die sagt, dass sogar die grundlegenden Utensilien in ihrem Haus, die zum Kochen von Reis gedacht waren, verloren gingen.
Was hat die Jadavpur Commune in diesen Dörfern an Hilfe geleistet?
Die Jadavpur Commune verteilte zusammen mit den Mitgliedern der Kommunistischen Liga (Vierte Internationale) und Mitgliedern von Abul Smriti Sevakendra aus dem Dorf Goaldoho (Minakha) 400 Pakete mit Trockennahrung an alle Familien in Purba Para von Harinhula, 90 Pakete an die Familien in Paschim Para und 120 Pakete an die Adivasi-Familien. Wir verteilten auch Hülsenfrüchte und Sojabohnen, während die oben erwähnten Organisationen und Gruppen Kartoffeln und Reis verteilten, die für etwa vierzehn Tage reichen sollten. Wir sind uns bewusst, dass die Hilfe, die wir schickten, angesichts des unvorstellbar bedrückenden Zustands, in dem sich die Dorfbewohner*innen befinden, belanglos ist. Die Menschen, auf deren harter Arbeit das Rückgrat der Gesellschaft ruht, sind zermalmt und niedergeschlagen. Die Bereitstellung von “Hilfe” ist ein Weg, um die Wunde vorübergehend zu verbinden, aber nicht mehr. Der Kampf für die Rechte der werktätigen Masse geht weiter, der größere Kampf muss noch geführt werden.
Ich danke Dir, Anuska, für dieses Gespräch.
# Titelbild: Anuska Paul