28. Jahrestag des Brandanschlags in Solingen
Vollständige Aufklärung der geheimdienstlichen Unterwanderung der Nazistrukturen in Solingen und anderswo!
28. Mai 2021 17:00 Uhr Protestkonzert und Kundgebung vor dem Wuppertaler Polizeipräsidium
Keiner muss Bulle, V-Mann oder Verfassungsschützer sein!
Es hat nie aufgehört! Von Hak Pao zum NSU. Zur Rolle des Staatsschutzes und Verfassungsschutzes bei der Unterwanderung der Nazistrukturen
29. Mai 2021
11:00 Uhr Gedenken am Tatort an der Unteren Werner Straße – Solingen 1993 – Unutturmayacağız! Niemals vergessen!
12:00 Uhr Abfahrt zum Autokorso in Solingen – wenn es pandemiemäßig möglich sein wird, werden wir auch einen Bus anmieten.
Ca. 19:00 Uhr Kundgebung beim amtierenden VS-Chef Haldenwang in Wuppertal-Dönberg.
Wir sind sehr nachtragend…
10 Jahre Verfassungsschutz-Spitzel gegen die linke Szene in Wuppertal und Solingen.
Einladung zu einer Kampagne bis zur Auflösung des Verfassungsschutzes
Liebe Freund*innen und Genoss*innen,
Wir haben euch im Juni 2020 mitteilen müssen, dass Jan (Johannes) Pietsch als V-Mann des Verfassungsschutzes von Juni 1989 an bis Ende Januar 1999 auf unsere Strukturen in Wuppertal und seit dem Solinger Brandanschlag vom 29. Mai 1993 auch auf die linken Strukturen in Solingen angesetzt war. Er hat für den VS-NRW und den Wuppertaler Staatsschutz spioniert. Er hat sich 10 Jahre lang in zahlreiche politische Strukturen, persönliche Beziehungen und sogar in Familien eingeschlichen und die persönlichsten Lebensgeschichten der politisch engagierten Menschen in unserer Region in zahllosen Einzelfällen an den VS verraten. Mit wechselnden Aufträgen hat er uns als Spitzel im Auftrag des Staates willkürlich ausgekundschaftet und beschlichen, behorcht und belauert, beschattet und beschissen.
Unsere komplette Erklärung findet ihr unter: http://antifacafewuppertal.blogsport.eu/archives/1427
Diesen Angriff auf uns und unsere Strukturen wollen wir auch nach über 20 Jahren nicht unbeantwortet lassen.
Zum
einen, weil die Verantwortlichen des Geheimdiensteinsatzes gegen uns,
bisher ungestört ihre staatliche Pensionsleistungen verzehren.
Zum
anderen haben die Geheimdienstoperationen gegen die linke Szene nie
aufgehört. Gleiches gilt für die Operationen des VS zum Schutze von
Nazistrukturen.
Wir werden die verhängnisvolle Rolle von VS-Spitzel
Bernd Schmitt im Zusammenhang mit dem Solinger Brandanschlag nie
vergessen. Genauso wenig wie die zahllosen V-Männer, die das Umfeld des
NSU erfolgreich infiltriert hatten, aber keinen der Morde verhindert
haben.
Wir laden daher zu einer gemeinsamen Kampagne gegen den Verfassungsschutz ein.
Ein erster Kristallisationspunkt soll dabei der 29. Mai 2021, der 28. Jahrestag des Solinger Brandanschlags sein. Wir möchten Euch in den nächsten Monaten auf eine Zeitreise in die 90iger Jahre mitnehmen. Wir werden uns die vom VS infiltrierten und geförderten Nazistrukturen wie die NF und Hak Pao, aber auch die zahlreichen Opfer rechter Gewalt der Neunziger nochmal genauer anschauen.
Wir wollen bis zum 29. Mai 2021 die beiden Themen: Verfassungsschutz gegen die linke Szene und Verfassungsschutz als Unterstützer von Nazistrukturen bearbeiten und in einer gemeinsamen „Kampagne bis zur Auflösung des Verfassungsschutzes“ bündeln.
Zum einen wollen wir auf Veranstaltungen, in Filmen und Podcasts berichten, was uns in den 90igern mit dem VS-Spitzel Jan Pietsch passiert ist und diskutieren, wie wir mit solchen Infiltrationen in der Zukunft umgehen können. Wir möchten Erfahrungen aus anderen Städten hören und in eine lebendige Diskussion kommen.
Zum anderen ist die Unterwanderung und Unterstützung der Nazistrukturen durch VS und Staatsschutz heute nicht ungefährlicher geworden. Die Berichte über „Einzelfälle“ reißen nicht ab. Schon lange müssen wir von Nazi-Strukturen auch in den Sicherheitsorganen ausgehen.
Wir laden daher dazu ein, in den nächsten Monaten den politischen Druck auf die Geheimdienste und ihre (polizeilichen) Unterstützer und gleichzeitig den Kontakt zu den Betroffenen faschistischer Gewalt zu suchen und die Solidarität zu verstärken. Gestartet sind wir am 13. November 2020 mit einer Gedenkaktion für Karl-Hans Rohn, der vor 29 Jahren in Wuppertal von Nazis, die in der Nationalistischen Front (NF) organisiert waren, brutal zusammengeschlagen und mit Schnaps angezündet wurde. Karl Hans Rohn starb nur wenig später beim Transport nach Venlo, wo die Mörder seine Leiche aus dem Auto warfen.
Aus unseren Recherchen wissen
wir, dass die Wuppertaler Polizei und der Staatsschutz sich
„gerichtsöffentlich“ nur wenig um die politischen Hintergründe der
Mörder gekümmert haben. Die angeblich „unpolitischen Nazis“ Andreas
Wember und Michael Senf hatten sich z.B. mit dem SS-Mörder Gottfried
Weise aus Solingen mit einem eigenen Flugblatt solidarisiert. Weise war
wegen fünffachen Mordes in Auschwitz zu lebenslänglichem Gefängnis
verurteilt worden, war aber während einer Haftverschonung in die Schweiz
geflüchtet, dort im August 1992 aber wieder verhaftet worden.
Obwohl
die beiden „Einzeltäter“ in der Nationalistischen Front organisiert
waren, eine eigenständige NF-Gruppe in Wuppertal aufgebaut hatten und
noch im August 1992 auf offener Straße einen geflüchteten Menschen aus
Togo vor dem „Flüchtlingsheim“ in der Albertstraße tätlich angegriffen
hatten, gab es keine sichtbaren Ermittlungen Richtung NF-Strukturen.
Noch eindeutiger ist der Todesfall des Duisburgers Şahin Çalışır. Am 27. Dezember 1992 hatten der Nazihooligan Klaus Evertz und Lars Schoof, der für Hak Pao an einem Ordnerdienst für eine Naziorganisation teilnahm, mit ihrem Auto auf der A 57 „Jagd auf Ausländer“ gemacht. Sie versuchten ein Auto mit türkischen Menschen zu rammen. Der Fahrer Şahin Çalışır sprang in Panik aus dem Auto und wurde von einem nachfolgendem Auto überfahren und getötet. Der Fahrer Evertz, bereits als rechter Hooligan einschlägig vorbestraft, erhielt nur 15 Monate Haft. Für den bei Hak Pao trainierenden Lars Schoof gab es nicht mal eine Anklage. Das Gericht, die Staatsanwaltschaft und die ermittelnde Polizei hatten ein rassistischen Motiv für die Tat verneint.
Am 27. Dezember 2020 waren wir zusammen mit Orhan Çalışır, einem Cousin von Şahin Çalışır und anderen Initiativen vor dem Neusser Amtsgericht, um zum ersten Mal seit der Todesnacht an Şahin Çalışır zu erinnern. Orhan Çalışır erinnerte sich auf der Gedenkkundgebung noch genau an den Strafprozess in Neuss: „Der Staatsanwalt grinste während des ganzen zweiten Verhandlungstages, als ob es hier um einen Schulstreich von pubertierenden Jugendlichen ginge und nicht um den Tod eines 20-jährigen, der aus rassistischen Gründen umgebracht wurde. In seinem Plädoyer sagte der Staatsanwalt, dass es ein unglücklicher Verkehrsunfall war und dass die Jungs – übersetzt die Neonazis – keine Typen seien, die sich ein Auto nehmen und ganz nach dem Motto „jetzt wollen wir Mal sehen, bis ein Ausländer vor dem Kühler läuft“ So wurde Şahin am 7. Oktober 1993, fast 10 Monate nach seiner Ermordung auf der Autobahn 52 noch einmal getötet. Und zwar hier in diesem Haus. Deshalb ist dieses Gerichtsgebäude ein zweiter Tatort. Diese Haltung des Staates bei rassistischen Morden ermutigte die Täter zu anderen, noch brutaleren Taten.“
Orhan Çalışır verwies aber auch auf die ungeheuerlichen Versäumnisse der Polizei: „Wenn sie damals, so das bittere Resumé von Orhan Çalışır, „direkt nach dem Tod von Şahin, in den Kreisen richtig ermittelt hätten und zwar in Solingen, direkt in Solingen, wo der Schoof herkommt, wo er trainiert mit anderen Neonazis, hätte meines Erachtens, höchstwahrscheinlich, diese Katastrophe von Solingen verhindert werden können.“ (https://vimeo.com/497312093)
Hätte sich der zuständige Wuppertaler Staatsschutz für Schoof von Hak Pao und für die neue Wuppertaler NF-Gruppe und ihren Anführer Wember wirklich interessiert, wären sie schon im Herbst 1992 auf den für die NF aufgebauten VS-Honeypot „Hak Pao“ „gestoßen“ und hätten diese gefährliche Nazistruktur unter normalen rechtsstaatlichen Verhältnissen polizeilich aufgelöst.
Passiert ist hingegen in beiden Fällen nichts, die Gründe dafür kennen wir seit der Enttarnung von Bernd Schmitt. Die Wuppertaler Staatsschützer wollten unter keinen Umständen die hochgeheime Verfassungsschutz-Operation mit Bernd Schmitt, die sie selber im April 1992 miteingefädelt hatten, stören. Ohne Rücksicht auf mögliche weitere Opfer von Nazis, die in der VS-mitfinanzierten Kampfsportschule Hak Pao ungestört rekrutiert und sozialisiert werden konnten. Bis zur Todesnacht von Solingen.
Wir rufen daher auf, am 28. Jahrestag des Solinger Brandanschlags, die Verantwortlichen dieser Geheimdienstoperation nicht aus der Verantwortung zu entlassen.
Wir organisieren am 28.5.2021 vor dem Wuppertaler Polizeipräsidium ein Protestkonzert mit anschließender Demonstration. Am Jahrestag, den 29.5.2021 werden wir um 11:00 Uhr an der Unteren Werner Straße in Solingen an die fünf ermordeten Frauen, Gürsün Inçe, Hatice Genç, Gülüstan Öztürk, Hülya Genç und Saime Genç, erinnern.
Anschließend brechen wir zu einem Auto- und Buskorso zu ausgewählten Zielen auf:
Der
Autokorso führt uns u.a. von der Haustür des V-Manns Jan Pietsch zu den
Häusern der Staatsschützer Udo Stürmer und Hans-Peter Meinecke, vor das
Haus des V-Mann-Führers „Hans“ und zu den Häusern des VS-Leiters
Fritz-Achim Baumann und des Innenministers Herbert Schnoor.
Höhepunkt
unserer ordentlich bei der Polizei angemeldeten Reise wird eine
Kundgebung beim amtierenden VS-Chef Haldenwang in Wuppertal-Dönberg
sein!
Kommt nach Wuppertal und Solingen!
Die Wahrheit wird uns nicht davon laufen!
Nichts und Niemand ist vergessen!
Autonome Antifaschist*innen aus den Neunzigern – Frühling 2021 im Bergisches Land
Für weitere Informationen und zur Kontaktaufnahme steht folgende E-Mail-Adresse zur Verfügung: carolinagross@riseup.net