Oberflächlich verschärft sich der Konflikt zwischen der BRD und der Türkei
Erdogan braucht Konflikte, um die Menschen von der Krise abzulenken. Die Provokationen sind nur Mittel zu diesem Zweck.
Aber was ist mit der BRD? Seitdem Schulz damit begonnen hat Merkel Passivität in der Erdogan-Frage vorzuwerfen, folgten andere aus dem SPD-Vorstand und erhöhten den Druck auf Merkel, die schließlich nachgeben musste. Nun sind auch leise Töne vonseiten der CDU zu hören. Es ist schließlich Wahlkampf – das wissen beide Parteien.
Als Merkel in kritischen Zeiten noch sofort in die Türkei fuhr, um Erdogan den Rücken zu stärken, stand die SPD voll hinter ihr, schickte sogar ihren Minister hinterher, um die Wirkung des Merkelbesuchs noch zu erhöhen.
Nur erwies sich Erdogan als ein undankbarer Partner, wollte mehr und mehr. Wie zwei Pokerspieler sitzen sie am Tisch und bluffen was das Zeug hält. Die Massen werden damit “wahlkampftechnisch bedient“. Bei diesen oberflächlichen Schlagabtauschen ist alles erlaubt, gegenseitige Drohungen werden ausgesprochen, nur um am kommenden Tag von einem anderen Politiker wieder revidiert zu werden.
In der Türkei sind ca. 6.060 deutsche Firmen bzw. Firmen mit deutscher Kapitalbeteiligung ansässig, darunter namhafte Unternehmen, wie die Zulieferer der Automobilindustrie Bosch, MAN, Siemens.
Sie haben einen erheblichen Anteil an den Exporten der Türkei und viele von ihnen arbeiten mit Unterstützung von deutschen Hermesgarantien des Bunds.
Der türkische Außenminister Cavusoglu hat noch vor einigen Tagen bekannt gegeben, dass es keine Untersuchungen gegen deutsche Firmen geben wird.
Erdogan rief vor zwei Wochen das ausländische Kapital dazu auf in der Türkei zu investieren. Er versprach
„Früher bestand auch während des Ausnahmezustands Streikgefahr. Wenn heute ein Streik droht, greifen wir im Rahmen des Ausnahmezustands ein und verhindern diesen. Im Falle jedweder Behinderung der Produktion nutzen wir die Möglichkeiten des Ausnahmezustands.“
So klare Worte an das Kapital gab es vorher noch nie. Wir erinnern uns mal an die Diskussionen in der BRD über Frau Nahles Vorhaben der Tarifunion zur Änderung des Streikrechts. Solche Probleme hat Erdogan nicht – keine Diskussion und kein Widerstand.
Ernstlich sorgen sollten sich die ausländischen Unternehmen aber bezüglich der Ernennung von Treuhändern. Seit dem angeblichen Militärputsch vom 15. Juli 2016 wurde der jeweils 3-monatige Ausnahmezustand bereits viermal verlängert. Im Rahmen des Ausnahmezustands sind 112.000 Menschen von ihren Arbeitsplätzen entfernt worden. Im selben Zeitraum wurden 1289 Treuhänder für Unternehmen, Universitäten, Gemeinden, Zeitungen, TV-Sender, Stiftungen und Vereine eingesetzt. Die Aussage von Außenminister Cavusoglu, es würde keine Untersuchungen deutscher Unternehmen geben, ist nicht verlässlich, zumal die Türkei kurz zuvor deutschen Behörden eine Liste von Firmen, die den „Terror unterstützen“ übergab, welche auch namhafte deutsche Unternehmen enthält. Erdogans Haltung ist widersprüchlich – die Devise lautet “Zuckerbrot und Peitsche“ und prompt kommt die kleine „deutsche Peitsche“ zum Einsatz – Sicherheitshinweise für Türkeireisende seitens des Auswärtigen Amts, aber keine „Reisewarnung“.
Die SPD-Abgeordnete Lale Akgün spricht in einer TV-Sendung über weitere mögliche Maßnahmen Deutschlands, politischer Druck mittels Wirtschaftssanktionen, Kürzung von Geldern, Einbeziehung der E.U. … das übliche eben. Nur eine Drohung ist bezüglich der Türkei neu – die Möglichkeit des Einfrierens von Erdogans Konten sowie der Konten, der ihm nahestehenden Personen.
Aber, um wieviel Geld handelt es sich? Und wie wirkungsvoll wäre diese Sanktion? Und wie steht es um den von Erdogan zu erwartenden Gegenschlag – das Einfrieren der Konten deutscher Unternehmen in der Türkei?
Der Bundesregierung ging es nie um die Menschenrechte in der Türkei. Seitdem die AKP die Regierung stellt, sind mehr als 20.000 Menschen bei Arbeitsunfällen ums Leben gekommen. Zahlen bezüglich schwerer Verletzungen und Arbeitsunfähigkeit aufgrund von Arbeitsunfällen sind nicht bekannt.
Solange die Geschäfte gut laufen, den global agierenden Konzernen der Standort Türkei große Gewinne einfährt, werden die Menschenrechte mit Füßen getreten.
Es ist nur Wahlkampfgerede. Bevor die Politik Sanktionen beschließt, wird erst mal der Segen des Kapitals, der Konzerne eingeholt. Und der ist in diesem Fall nicht wahrscheinlich – die Zulieferunternehmen sind nicht so schnell austauschbar und neue Investitionen in einem anderen Land mit den entsprechenden Bedingungen sind auch nicht mal eben getätigt.
Eine starke demokratische Opposition in der Türkei, die sich für Menschenrechte und eine gerechte Arbeitspolitik einsetzt, ist nicht im Interesse der neo-liberalen Politik Deutschlands.
Verfasst für freiesicht.org