Sie befeuchten ihre Lippen, sprechen mit verschlossenem Blick. Weder während sie sprechen, noch bei ihren Erklärungen zu den furchtbaren Nachrichten, zeigen sie ein Gewissen. Weil sie sich daran gewöhnt haben. Die Leichname der jungen Menschen werden zu anderen Häusern fortgebracht. Sie aber kommen in feine Kaschmirhosen gekleidet angereist und verlassen dann die blutgetränkten Bürgersteige wieder, fahren davon in Luxuslimousinen, von denen die jungen Menschen, als sie noch lebten, nicht mal geträumt hätten.
Ich weiß, dass die Jugendlichen Hasan Hüseyin (türkischer Dichter) nicht lesen. Wenn sie nur einige seiner vertonten Gedichte gelesen oder gehört hätten, würden sie sich an die von Hasan Hüseyin an Namik Kemal gerichteten Worte erinnern: “ die untere und die obere Seite der Erde sind gleich“ …
…
Wir durchleben eine Zeit in der wir unsere jungen Menschen, einen nach dem anderen und zehn nach zehn weiteren beerdigen: junge Soldaten, junge Polizisten, junge Kellner, Gymnasiasten, Studenten, junge Arbeitslose, junge Arbeiter, junge Fußballfans, junge Tänzer …
Während wir all diese Menschen der Erde übergeben, treten die “hohen Herren“ in ihren Kaschmirmänteln vor die Presse, verherrlichen vor den Kameras den heldenhaften Märtyrertod, verharmlosen das sinnlose Sterben. Nichts ist ihnen heilig.
Das Grausamste ist ihre furchtbare Aussage, dass die jungen Menschen “für ihr Vaterland“ sterben.
Interessant ist auch, dass die “hohen Herren“ in keiner Weise handeln, obwohl sie für die Toten verantwortlich sind.
Die Jungen sterben, die “hohen Herren“ in den Kaschmirmänteln kommen und halten auf den blutgetränkten Bürgersteigen großartige Reden über ihre unterbrochenen Dienstreisen. Sie befeuchten ihre Lippen, sprechen mit verschlossenem Blick. Weder während sie sprechen, noch bei ihren Erklärungen zu den furchtbaren Nachrichten, zeigen sie ein Gewissen. Weil sie sich daran gewöhnt haben. Sie alle wissen wie die Herzen der Menschen erobert werden können und wie man die Massen manipuliert.
Die Leichname der jungen Menschen werden sowieso zu den Häusern von anderen gebracht, zu Häusern die nicht einmal Putz an den Wänden haben.
Es werden die Herzen von anderen gebrochen, die Herzen von armen Menschen, die ihren Schmerz mit “Vaterlandsliebe“ zu mildern versuchen.
Sie aber kommen mit ihren Kaschmirmänteln und verlassen dann die blutgetränkten Bürgersteige wieder, fahren davon in Luxuslimousinen, von denen die jungen Menschen, als sie noch lebten, nicht mal geträumt hätten.
In Soma, im Güvenpark, in Beşiktaş,(1) in Syrien sterben die Menschen, einer nach dem anderen.
Sie haben eine Gesellschaft geschaffen, deren Hauptbeschäftigung das “Tragen von Leichen“ ist, deren Träume hoffnungslos leer sind, “sie opfern rot und lila“, “sie opfern den Sommer dem Frühling“, lassen die Menschen glauben, dass das ihr Schicksal sei. Das ist das Schlimmste.
„Sie beten zu Allah, beten den Staat an und sie beten die Schatten an“, ziehen sich beruhigt in ihre Villen zurück.
Diese Männer verarschen uns. Sie haben das Leben der jungen Menschen in Beşiktaş auf dem Gewissen, aber für Ortaköy (2) bekunden sie ihr Beileid. Sie nahmen den Menschen am 10. Oktober (3) das Leben, aber äußern ihre Trauer für das Attentat im Güvenpark (4). Sie verarschen unseren Verstand, unsere Seelen, unsere Gefühle.
Wir fallen nicht darauf rein. Aber man muss es sagen; die Freudenschreie nach den Morden am
- Oktober mischten sich mit den Freudenschreien nach dem Massaker in Beşiktaş. Und mit jedem Tod festigen die in den Kaschmirmänteln ihre Macht.
Um uns unserer Hoffnungslosigkeit nicht zu ergeben, müssen wir die auf den Flügeln der Schmetterlinge geschriebene Wahrheit auf die Straßen tragen, bleibt uns nicht anderes übrig, als Tag und Nacht, ohne zu ermüden, die Menschen auf unseren Weg der Menschlichkeit, der Zivilisation, des Lebens, des Laizismus zu führen, koste es was es wolle.
Uns bleibt nichts anderes, als bei Hasan Hüseyins Gedicht Zuflucht zu suchen „Benutz die Dunkelheit wenig/ die Schmutzigen stinken eines Tages / eines Tages steht ein Lächeln auf euren Gesichter“.
Was können wir sonst tun? Wir durchleben eine Zeit in der „wir es vermissen den Himmel ohne Blut zu sehen“.
n einem seiner Gedichte fragte Hasan Hüseyin „Kann man mit Blut (anstelle von Henna; Anmerkung des Übersetzers) die Hände färben?“. Wenn wir dieser Unmenschlichkeit nur mit Verachtung begegnen, sie nur verurteilen, dann werden die Mörder ihre Hände weiterhin mit Blut färben.
Dann wird die Zeile von Hasan Hüseyin “Diese Zuhälter bringen uns um“ zu unserer Bestimmung.
Anmerkung des Übersetzers:
1) Grubenunglück in Soma, Bombenattentat im Güvenpark, Ankara, Bombenattentat in Beşiktaş, Istanbul
2) Ortaköy (Stadtteil in Istanbul – Anschlag Club Reina)
3) Bombenattentat des IS in Ankara 10.10.2015
4) Bombenattentat der PKK-nahen TAK im Güvenpark
Übersetzt aus dem Türkischen für Freiesicht.org safo/hh
(Anmerkung des Übersetzers; einige wenige Stellen wurden weggelassen)
Quelle:
http://sendika14.org/2017/01/ne-de-cok-ozlemisiz-gokyuzune-kansiz-bakmayi-inonu-alpat/