- Mai 2018 – DBG Demo in Hamburg – ein Typ drückt mir ein Flugblatt von DIE LINKE in die Hand. Die Überschrift lautet „Ist die Abschaffung aller Atomwaffen realistisch?“ – es geht um eine Diskussionsveranstaltung mit VertreterInnen von ICAN (Internationale Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen).
Das Flugblatt erklärt, dass „… Mit dem enormen Atomwaffenpotential die Welt mehrfach vernichtet werden kann. Etwa 15.000 Sprengköpfe existieren in den neun Atomwaffenstaaten, rund 20 davon sind …im rheinland-pfälzischen Büchel gelagert. Die USA drohen offen mit Vernichtungskrieg und beabsichtigen ihre Atomwaffen zu ‚modernisieren’….“ und weist darauf hin, dass „ICAN im Juli 2017 ein historischer Durchbruch (gelang): … in Hamburg beschloss eine Mehrheit von 122 Staaten in der UNO einen verbindlichen Atomwaffenverbotsvertrag… Die Atommächte verweigern sich dem Verbot. Mittlerweile haben aber 57 Staaten den Vertrag unterschrieben, damit ist er wirksam geworden. Das zeigt, was erreicht werden kann, wenn viele sich zusammentun…Das erhöht den Druck der Weltbevölkerung zu Abrüstung und Verständigung enorm….“
Ist ja alles richtig, was die da schreiben, eine Welt ohne Atomwaffen wäre besser. Aber trotzdem ist das nicht das Thema, was die FriedensfreundInnen vorrangig diskutieren sollten.
Die ersten beiden Diskussionspunkte lauten:
– (Warum) ist eine atomwaffenfreie Welt realistisch?
– Was muss sich ändern, damit atomare Waffen und die Doktrin der Abschreckung aus dem Leben der Völker verbannt werden?
Zum ersten Punkt – wie realistisch eine atomwaffenfreie Welt ist –gibt’s ja schon die Chemiewaffenkonvention als „Blaupause“, die trat 1997 in Kraft und sah vor, dass bis 2012 alle Chemiewaffenbestände vernichtet sein müssen. Hat bislang nicht geklappt. Russland hat schließlich im Herbst 2017 bekanntgegeben seine Bestände vollständig vernichtet zu haben und der geplante Termin der USA liegt im Jahr 2023. Bleibt also abzuwarten und zu hoffen, dass sie es sich nicht doch noch anders überlegen. Auf die angeblichen Giftgasangriffe in Syrien will ich hier mal nicht eingehen.
Nun zum zweiten Diskussionspunkt- atomare Waffen und die Doktrin der Abschreckung sollen aus dem Leben der Völker verbannt werden. Aus dem Leben welcher Völker denn bitte? Die Völker in Syrien, im Jemen, in Afghanistan, in Mali usw. können ja wohl nicht gemeint sein – dort sterben Menschen, weil sie von konventionellen Waffen getötet werden. Naja, uns interessiert‘s natürlich sehr, dass keine atomaren Waffen in unserer Nachbarschaft lagern oder uns bedrohen, also sind wir wohl damit gemeint.
Aber die Menschen in Syrien, im Jemen und überall dort wo Krieg geführt wird; oder in Mexiko, in der Türkei und überall dort wo Menschen von Unrechtsregimen unterdrückt und getötet werden, interessiert es überhaupt nicht, ob in Büchel oder sonstwo Atomwaffen lagern. Es sind die mit konventionellen Waffen geführten Kriege und die Unmengen von Kleinfeuerwaffen, die die Menschen töten.
Wenn wir hier sicher und gemütlich, in eurozentristischer Manier darüber diskutieren, ob die Abschaffung von Atomwaffen realistisch ist – und dabei geht es nur um unser Wohlergehen, es geht darum, dass wir uns sicherer fühlen – dann verhöhnt das die vielen Menschen, die mit unseren konventionellen Waffen, in den vom Westen angezettelten Kriegen getötet werden.
Für ein friedliches Leben aller Völker wäre die Abschaffung konventioneller Kriegswaffen wesentlich effektiver, als die Abschaffung von Atomwaffen. Nur ist das viel unrealistischer, schließlich braucht der Kapitalismus Kriege und zwar konventionell geführte Kriege, damit zweimal verdient werden kann – erst Waffen & Kriegsgerät und dann der lukrative Wiederaufbau.
Wer weiß, vielleicht würde eine atomare Abschreckung, wenn alle Atomwaffen haben dürfen – natürlich auch Nordkorea und der Iran (schließlich „erlauben“ wir es Pakistan und Indien auch) – ja sogar funktionieren? Keine Ahnung, wäre natürlich besser, wenn’s keine Atomwaffen geben würde, aber eine Welt ohne konventionelle Waffen/Kriegsgerät wäre noch viel besser.
Abgesehen davon, dass Kapitalismus und Frieden sich ausschließen – Krieg, Tod und Zerstörung also systembedingt sind, sollten wir für mehr Frieden und ein besseres Leben aller Völker zunächst folgendes fordern:
– NATO-Austritt und keine Auslandseinsätze der Bundeswehr
– komplettes Exportverbot von Kriegswaffen/-gerät
– Verbot des Technologie/Know-How-Transfers zur Herstellung von Waffen/Kriegsgerät
– Wiederinkraftsetzung von Paragraph § 80 StGB („Vorbereitung eines Angriffskriegs“ – wurde 2017 abgeschafft)
…und wenn all das erreicht wurde, dann können wir gern auch eine „Atomwaffenkonvention“ diskutieren.
Verfasst für Freiesicht.org