Wir haben die Rede des US-Autors und Friedensaktivisten Pat Elder übersetzt, die er am Juli 2018 auf dem Anti-NATO-Gipfel in Brüssel gehalten hat.
Warum wehen hier keine US-Fahnen? Wollen wir nicht die US-Streitkräfte bejubeln und uns zur US-Fahne bekennen? Nein? Um welches Imperium geht es hier eigentlich?
Die Ignoranz großer Teile der US-Bevölkerung ist der Brennstoff, der den Ofen heizt, auf dem Trump seine Art von Faschismus kocht.
Eine überwältigende Mehrheit der US-Amerikaner hält Trump zwar für einen Lügner, „der sich nicht um ihre Werte und Sorgen kümmert“, trotzdem glauben viele, dass er „etwas bewegen“ wird.
Die neoliberale Wirtschaftsordnung, die wir verabscheuen, hat es geschafft, die US-Bevölkerung so zu verblöden, dass sie sich widerstandslos dem aus dem 18. Jahrhundert stammenden ungezügelten Kapitalismus unterwirft. Die in den High Schools verwendeten Schulbücher verherrlichen den Krieg und das US-Imperium. In den Medien werden Gott, die US-Fahne, die Kirchen, das Militär, Jesus, das Vaterland, die Mama und ihr Apfelkuchen zu einem patriotischen Brei vermengt, mit dem die Massen täglich gefüttert werden.
Und sie schlucken diesen Brei. In Umfragen erhält Trump bis zu 42,5 Prozent Zustimmung
– ein bemerkenswertes Ergebnis. Unterstützt wird er von den ignorantesten US-Amerikanern (die häufig auch die ärmsten sind) und vom wohlhabendsten Teil der US-Wählerschaft, der sich eigentlich nur für den vierteljährlichen Wertzuwachs seiner Aktienpakete interessiert. Die US-Kapitalisten freuen sich über niedrigere Steuersätze und die Aufhebung von Regulierungen auf dem Finanzmarkt, die seit Roosevelt zum Ziel haben, die Menschen und die Umwelt vor den schlimmsten Verwüstungen zu schützen, die der ungezügelte Kapitalismus anrichtet.
All das ist für diejenigen wichtig, die das jetzt die USA regierende Monster verstehen wollen. Lenin soll gesagt haben: „Wer eine Lüge oft genug verbreitet, macht sie zur Wahrheit.“ Ich würde sagen, dass eine ganze Menge mit Wahrheiten vermischter Lügen die große Verwirrung gestiftet haben, die derzeit (nicht nur) in den USA herrscht. Die Leute wissen nicht mehr, was sie glauben können. Weil sie sich überfordert fühlen, haben sie ihre Hirne ausgeschaltet. Und dieses Vakuum versteht Trump sehr gut auszunutzen. Bei ausgeschalteten Hirnen und eingeschalteten Fernsehern ist es leicht, die öffentliche Meinung zu kontrollieren und zu manipulieren. Kaufen Sie dies und kaufen Sie das und vergessen Sie alles andere. Wir werden Ihnen schon erzählen, was Sie zu denken haben.
Trump versteht es hervorragend, Vorurteile der US-Amerikaner zu schüren – besonders das Vorurteil, die Europäer schuldeten den USA tonnenweise Geld für all die finanziellen Zuwendungen diverser US-Regierungen.
Über die angeblichen Schulden europäischer NATO-Staaten bei den USA hat Trump Folgendes gesagt: „Viele dieser Staaten schulden uns enorme Geldsummen, die sie uns seit Jahren vorenthalten. Das ist unfair gegenüber der US-Bevölkerung und den US-Steuerzahlern.“
Oder etwa nicht?
Trump hat auch geäußert: „Deutschland zahlt für die NATO und sein Militär viel weniger, als es eigentlich sollte. Weil das sehr schlecht für die USA ist, muss sich das ändern.“ Und gleichzeitig hat er gedroht, die USA würden „nur noch die Verbündeten unterstützen, die ihre Verpflichtungen erfüllen“.
Trump behauptet, die USA kämen für 90 Prozent des NATO-Haushaltes auf. „Wir leisten gern unseren Beitrag, aber das nützt doch hauptsächlich den Europäern, denn wir sind ja weit weg!“
Und das sei doch nicht fair. Die Europäer „schmarotzten“ bei den freiheitsliebenden, fleißigen US-Amerikanern. Sie hätten sozialistische Wirtschaftsordnungen und ließen sich deren Schutz auch noch von den US-Bürgern bezahlen. Die USA liehen ihnen Geld, wenn ihre untauglichen Systeme zusammenbrächen. Warum sollten die hart arbeitenden US- Amerikaner die Europäer vor sich selbst und vor den Russen schützen? Die Europäer hätten sich schon immer bekämpft, und die USA und ihre Präsidenten hätten immer wieder Opfer gebracht, um ihnen zu helfen.
Gleichzeitig hat Trump erklärt, er habe Verständnis für die europäischen NATO-Partner die unter innenpolitischem Druck stünden. Er selbst habe ja auch „hart um die Erhöhung der US-Militärausgaben kämpfen müssen.“
Das ist Quatsch. Drei Viertel der US-Bürger schätzen das US-Militär sehr und bringen ihm großes Vertrauen entgegen.
Trump hat die NATO als „obsolet“ bezeichnet und gleichzeitig betont, dass er zu Art. 5 des NATO-Vertrages (zu der Verpflichtung zu kollektivem Beistand) stehe.
Es ist leicht, sich vorzustellen, wie solche Äußerungen auf die US-Bevölkerung wirken. Warum sollten US-Soldaten für die undankbaren Europäer kämpfen und sterben? Die Europäer müssten die Opfer der USA für ihre Freiheit und Lebensqualität doch mindestens mehr zu würdigen wissen und mehr Dankbarkeit zeigen.
Wenigstens NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat die Leistungen der USA gewürdigt: „Trumps Kritik hat gewirkt …, die europäischen Verbündeten sind jetzt bereit, mehr Geld für ihre Verteidigung auszugeben.“ Und Trump würde sich darüber freuen, wenn mehr europäisches Geld in die NATO flösse.
Da ist aber nicht der Fall, und das ist gut so.
Wenn Trump mehr Geld für (US-)Waffen und die NATO fordert und damit droht, er werde säumige NATO-Mitglieder im Stich lassen, dann wäre die richtige Antwort der Betroffenen: Dann hau doch ab, und pass auf, dass die Türklinke nicht auf deinen Hinter knallt (wenn wir die Tür hinter dir zuschlagen).
Habt ihr schon einmal darüber nachgedacht, wie hirnrissig es ist, die Rüstungsausgaben an die Wirtschaftskraft zu koppeln, also bei einer Erhöhung des BIP mehr Geld für Kriege auszugeben? Wie viel Propaganda ist nötig, um den Irrsinn dieses Vorhabens zu kaschieren?
Im Jahr 2003, als der damalige US-Kriegsminister Donald Rumsfeld damit drohte, das NATO-Hauptquartier aus Belgien zu verlegen, wenn Belgien tatsächlich ein Gesetz verabschieden würde, durch das die Strafverfolgung von US-Kriegsverbrechern möglich geworden wäre: Damals hätte die richtige Antwort Belgiens lauten müssen: „Auf Wiedersehen Donald, und vergessen Sie nicht, Ihre Mordmaschine (NATO) mitzunehmen, mit all den schlimmen Reaktionen, die sie verursacht.“
Als ein anderer Donald, der gegenwärtige „King“ der USA – eines Staates, der eigentlich nichts von Märchenprinzen hält, aber einen Wahnsinnigen mit der Machtfülle eines absoluten Monarchen ausgestattet hat – verkündete, die Tage der NATO könnten gezählt sein, spielten sich US-Liberale als Retter der NATO auf.
Und „linke“ US-Amerikaner schüren die Feindschaft mit Russland, weil sie die „Russiagate“-Story geschluckt haben und tatsächlich glauben, Putin habe Trump im Wahlkampf unterstützt. Dabei müsste die richtige Antwort heute lauten: Schafft diese NATO endlich ab!
Die USA zetteln zwar die meisten Kriege an und mischen sich in fast alle Kämpfe ein, die Mehrzahl der daraus erwachsenden Terroranschläge finden aber in Europa statt. Ist das ein guter Deal für Europa? Kriege schützen uns nicht, sie bringen uns alle in große Gefahr. Kriege verschlucken den größten Teil des Steueraufkommens, verwüsten die Umwelt, höhlen unsere Freiheit aus, zerstören ganze Kulturen und erzeugen nur Hass und neue Gewalt. Wir müssen das dafür verschwendete Geld für sinnvolle Ausgaben, für die Befriedigung der Bedürfnisse von Menschen und den Schutz der Umwelt, verwenden und uns für gewaltlose globale Beziehungen und Rechtsstaatlichkeit einsetzen. Kriegsverbrecher müssen auch dann angeklagt werden, wenn sie nicht aus Afrika stammen.
Auch in den USA setzen sich sehr viele Menschen für die Verhinderung von Kriegen ein. Und viele wüschen sich, es würde die NATO nicht mehr geben, weil sich die US-Kriegstreiber hinter ihr verstecken können, wenn sie immer neue Kriege vom Zaun brechen. Die Kriegsverbrechen der USA werden nur deshalb nicht von der Weltöffentlichkeit verurteilt, weil sie mit wechselnden Koalitionen begangen werden, mit denen eine Handvoll williger kleiner Staaten und die NATO zu Komplizen gemacht werden Und die kleinen Staaten ziehen nur mit in den Krieg, weil auch die NATO mitmacht. Die Kanadier lehnen die US-Kriege mehrheitlich ab, und sie haben nur deshalb Soldaten nach Afghanistan geschickt, weil sie der NATO angehören.
Auch die US-Kriegstreiber, die immer neue „humanitäre Kriegseinsätze“ fordern, sind auf die NATO angewiesen. Die meisten US-Amerikaner glauben heute noch, die Vereinten Nationen hätten den seit 2001 andauernden Krieg gegen Afghanistan autorisiert, weil sie den Unterschied zwischen der UNO und der NATO nicht kennen. Die glauben, wenn sich die NATO an einem Krieg beteilige, müsse er von der UNO autorisiert worden sein. Ein US-Kriegsverbrechen bleibt auch dann ein US-Kriegsverbrechen, wenn es unter NATO- Beteiligung begangen wurde. Die zerstörerischen Luftangriffe auf Libyen sind nicht weniger schlimm oder weniger illegal, weil auch andere NATO-Staaten daran beteiligt waren.
Der US-Kongress schätzt die NATO sehr, weil er glaubt, für einen unter NATO-Kommando geführten Krieg nicht verantwortlich gemacht werden zu können – auch nicht für Gräueltaten, wie sie in jedem Krieg begangen werden.
Am meisten wird die NATO aber von der Rüstungsindustrie und den Waffenhändlern geschätzt. Es gibt Pentagon-Mitarbeiter, die vor Reportern offen zugeben, dass der neue Kalte Krieg gegen Russland nur deshalb inszeniert wurde, weil die Nato wieder einen Feind brauchte, den sie nur mit neu entwickelten Waffen bekämpfen kann, die erst noch gekauft werden müssen. Aber wie kommen die US-Truppen (mit ihren neuen Waffen) in die Nähe der russischen Grenze? Sie müssen mehrere vorher neutrale Staaten durchqueren, die erst in die NATO aufgenommen werden mussten, um das zu ermöglichen. Damit wurde aber auch die Welt näher an ihren Untergang gerückt.
Wenn die Europäer in der NATO das Sagen hätten, würden sie dann auch Kolumbien zum Partner der NATO machen? (s. https://www.zdf.de/nachrichten/heute/nato-militaerbuend- nis-kolumbien-wird–globaler-partner-100.html ) Die NATO ist ein Werkzeug zur Durchsetzung der US-Weltherrschaft, und verdient es deshalb nicht, von irgendeinem Staat der Welt unterstützt zu werden. Sie muss boykottiert und durch Geldentzug ausgetrocknet werden; das US-Militär muss isoliert und jeder Unterstützung und Zusammenarbeit beraubt werden.
Trump war überrascht, als er erfahren hat, wie viele US-Truppen noch in Deutschland stationiert sind. Wir sollten diese Vorlage nutzen, um den Abzug der US-Truppen aus Deutschland zu fordern und uns gleichzeitige gegen ihre Verlegung nach Polen wenden (s. http://www.luftpost-kl.de/luftpost-archiv/LP_16/LP09318_020718.pdf ). Wenn US-Friedensaktivisten den US-Kongress auffordern, die Errichtung neuer US-Militärbasen abzulehnen, fragen die Kongress-Mitglieder: „Wenn ihr keine US-Truppen bei euch haben wollt, wohin sollen wir sie dann schicken?“ Die Antwort sollte dann immer lauten: „Schickt sie nirgendwo hin. Holt unsere Soldaten heim, verhelft ihnen zu einer qualifizierten Ausbildung und verschafft ihn Jobs, die dem Frieden dienen und helfen, die Welt besser zu machen.“
Wenn die USA den Iran, Russland oder Nordkorea anfeinden, muss der Rest der Welt friedliche Beziehungen zu diesen Staaten pflegen und darf sie nicht auch noch anbellen – wie der Kläffer Tony Blair das damals getan hat.
Was hat Obama daran gehindert, Syrien schon 2013 zu bombardieren? Der breite öffentliche Widerstand in den USA und in Europa und die ablehnende Haltung des britischen Parlaments. Nach den neuen von Trump angeordneten Angriffen auf Syrien fordern immer mehr Briten, eine Regelung, die in den USA schon besteht, aber ständig ignoriert wird – dass nur die gesetzgebende Körperschaft, also das Parlament, über Krieg oder Frieden entscheiden darf.
Denkt einmal darüber nach, was eine noch bessere Forderung wäre?
Die nächste Jahreskonferenz meiner Organisation World BEYOND War wird zum Internationalen Tag des Friedens am 21. und 22. September in Toronto in Kanada stattfinden, und dazu möchte ich euch alle einladen.
Am 10. November will Trump zum Gedenken an das Ende des Ersten Weltkrieges eine große Militärparade in Washington abhalten. Washington ist meine Stadt, und wir werden ihm die Freude an seiner Parade verderben.
Der Tag danach, der 11. November, ist der 100. Jahrestag des Waffenstillstandes am 11. November 1918 (der den Ersten Weltkrieg beendete). Ursprünglich wollte die US-Regierung mit diesem Feiertag eigentlich zum Frieden mahnen. Seit den 1950er Jahren wird an diesem Tag aber der Krieg verherrlicht. Veteranen-Gruppen, die für den Frieden demonstrieren wollen, dürfen in verschiedenen US-Städten nicht mehr an den Erinnerungsparaden teilnehmen. In diesem Jahr hat eine große Koalition von Friedensgruppen die Bevölkerung dazu aufgerufen, sich der Abhaltung von Militärparaden zu widersetzen.
Wir würden uns auch wüschen, dass Frankreich wenigsten auf die diesjährige Militärparade am 14. Juli in Paris verzichtet, weil Trump daran teilnehmen will.
Vom 16. bis zum 18. November werden sich im irischen Dublin Friedensfreunde aus der ganzen Welt zu einer Konferenz gegen die Militärbasen der USA und der NATO treffen und beraten, was getan werden muss, damit sie geschlossen werden.
In dieser Woche hat das irische Parlament übrigens beschlossen, einen Ausschuss für Frieden, Neutralität und Abrüstung einzurichten. Diesem Beispiel sollten alle Parlamente folgen!
Im April 2019 wird die NATO ihr 70-jähriges (nicht ihr 50-jähriges) Bestehen feiern, wenn wir das zulassen. Meine Organisation World BEYOND War möchte mit allen, die aus diesem Anlass zur Zusammenarbeit bereit sind, darauf aufmerksam machen, dass 70 Jahre NATO mehr als genug sind, und ihren 71. Geburtstag verhindern. Nein zur Nato, keine Kollaboration mit Kriegsverbrechern!
Es wird höchste Zeit, dass wir gemeinsam und gewaltfrei eine bessere Welt schaffen. Ich danke Euch.
(Wir haben die Rede komplett übersetzt und mit Ergänzungen und Links in Klammern versehen. Infos über die deutsche Sektion von World BEYOND War sind nachzulesen unter https://worldbeyondwar.org/deutschland/ und https://worldbeyondwar.org/einfuhrung- world-beyond-war-eine-welt-jenseits-von-krieg/ . Infos über Pat Elder sind unter https:// worldbeyondwar.org/patelder/ zu finden. )
Quelle: http://luftpost-kl.de/lp-16.html
https://worldbeyondwar.org/nato-needs-to-end/