Erneut will die Bundesregierung das Asylgesetz verschärfen. Wie die ZDF-Nachrichtensendung „heute“ am Sonntagabend meldete, hat das Bundesinnenministerium einen weiteren Gesetzesentwurf vorgelegt. Er sieht vor, dass immer mehr ausreisepflichtige Asylbewerber in den Erstaufnahmeeinrichtungen dauerhaft festgehalten werden.
Die Maßnahme ist Teil des sogenannten „Geordnete-Rückkehr-Gesetzes“, das laut WSWS besser „Ausländer-Raus-Gesetz“ heißen sollte. Wie Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erklärte, ist es Ziel dieses Gesetzes, eine „bessere Durchsetzung der Ausreisepflicht“ zu erreichen.
Das neuste Gesetz beziehe sich nur auf so genannte „Identitätsverweigerer“, erklärte Mathias Middelberg (CDU), innenpolitischer Sprecher der CDU/CSU-Fraktion, am Sonntagabend im Fernsehen. Wer „nicht mit den Behörden zusammenarbeitet“, der müsse konsequent in einem Lager inhaftiert und unter Kontrolle gehalten werden.
Knapp eine Viertelmillion der geflüchteten Menschen, die in Deutschland leben, sind offiziell ausreisepflichtig, und 180.000 von ihnen besitzen eine Duldung, weil sie aus unterschiedlichen Gründen nicht in ihr Herkunftsland abgeschoben werden können. Auf sie hat es die Regierung mit ihren ständig neuen Gesetzesverschärfungen abgesehen; ihre Zahl möchte sie durch Abschiebungen rasch vermindern.
Der Vorwurf der „Identitätsverweigerung“ ist dabei vorgeschoben und durchsichtig. Er ermöglicht es, Menschen zu bestrafen, bloß weil sie nicht aktiv zur eigenen Abschiebung beitragen. Auf diese Weise versucht die Regierung in der Öffentlichkeit zu rechtfertigen, dass sie Menschen, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, ohne richterliche Anordnung oder Haftgrund dauerhaft inhaftiert.
Mehr und mehr setzt die Große Koalition in der Flüchtlingspolitik die Politik der AfD um, und die Landesregierungen, unabhängig welcher politischer Zusammensetzung, tun es ihr gleich. Fast täglich hört man von neuen brutalen Abschiebungen.
Dabei geraten immer öfter auch diejenigen ins Visier der Staatsorgane, die den Flüchtlingen beistehen oder kritisieren, wie ganze Familien mit Polizeigewalt nachts aus den Betten herausgeholt und deportiert werden.
In Rheinland-Pfalz wurde gegen eine Gruppe von Grundschullehrern Anzeige erstattet, weil sie die Abschiebung einer fünfköpfigen Familie aus Armenien mit der Reichspogromnacht in Verbindung gebracht hatten. Ausgerechnet am 9. November hatte ein Polizeikommando in Boppard die Tür eingetreten, hinter der die Familie in einer Unterkunft schlief. Obwohl der Vater krank ist und erst einen Tag zuvor aus einer Klinik entlassen worden war, wurde die Familie sofort in Abschiebehaft gebracht.
Die Lehrerinnen und Lehrer der Grundschule Bad Salzig (Boppard), wo die Kinder der Familie zur Schule gingen, schrieben einen Protestbrief an die zuständige Ausländerbehörde. Sie wählten als Überschrift: „9. November 1938? – Nein, 9. November 2018!“ und schrieben in dem Brief, dass die Familie nach Frankfurt „deportiert“ worden sei.
Dies reichte aus, um den CDU-Landrat Marlon Bröhr auf die Palme zu bringen. Er stellte Strafanzeige gegen sie, und seither läuft ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Bad Kreuznach gegen die Lehrerinnen und Lehrer. Darüber hinaus hat die Aufsichtsbehörde des Landrats eine Dienstaufsichtsbeschwerde gegen sie eingeleitet.
Im gleichen Rhein-Hunsrück-Kreis geht das Land Rheinland-Pfalz auch brutal gegen Geistliche vor, die Geflüchteten Schutz bieten.
Mehrere Pfarrer hatten in vier Kirchengemeinden insgesamt neun Sudanesen im Alter zwischen 19 und 32 Jahren, einige von ihnen schwer krank, durch Kirchenasyl vor der drohenden Abschiebung nach Italien bewahrt. „Einige der jungen Männer sind mit unbehandelten oder gerade ausgeheilten Krankheiten ins Kirchenasyl gekommen, die in Italien für sie lebensbedrohlich hätten werden können“, heißt es dazu in einer Mitteilung des Landeskirchenamtes in Düsseldorf.
Diese Fälle von Kirchenasyl waren Anlass für mehrere Hausdurchsuchungen und martialische Razzien der Polizei in den betreffenden Privat- und Kirchenräumen, wie die Sendung „Monitor“ am vergangenen Donnerstag berichtete. Dabei beschlagnahmte der Staatsanwalt „hochsensible Daten auch aus dem seelsorgerischen Bereich“. Georg Restle von „Monitor“ kommentierte: „Es ist ein beispielloser Angriff auf das sogenannte Kirchenasyl, der zeigt, mit welcher Härte der Staat mittlerweile selbst gegen Kirchen vorgeht, wenn es nur darum geht, Flüchtlinge aus dem Land zu schaffen.“
Abgeordnete im rheinland-pfälzischen Landtag rechtfertigten das Vorgehen gegen die Lehrer und die Pfarrer mit Hinweisen auf den sogenannten „Rechtsstaat“ und die geltende Gesetzeslage. Integrationsministerin Anne Spiegel (Die Grünen), die eine Razzia in den Kirchenräumen anfangs noch verhindert hatte, beteuerte am Ende im Mainzer Landtag, es sei ihr niemals darum gegangen, die Abschiebungen zu verhindern. Die CDU-Abgeordnete Simone Huth-Haage behauptete, der Landkreis setze lediglich „geltendes Recht“ um.
Wie weit es mit der „Rechtsstaatlichkeit“ her ist, zeigt mittlerweile der Fall Ellwangen. Ein Richter hat vor wenigen Tagen festgestellt, dass die Großrazzia, die dort vor einem Jahr stattfand, rechtswidrig durchgeführt wurde.
In Ellwangen hatten am 30. April 2018 etwa fünfzig Bewohner der baden-württembergischen Landeserstaufnahme (LEA) die Abschiebung eines jungen Mannes durch einen solidarischen, gewaltfreien Protest verhindert. Daraufhin fand drei Tage später eine Großrazzia mit mehreren Hundertschaften bewaffneter und vermummter Polizisten gegen die LEA statt, bei der mehrere Geflüchtete verhaftet wurden.
Am vergangenen Donnerstag, dem 14. März, sollten nun in dem Zusammenhang drei Flüchtlinge vor dem Ellwanger Amtsgericht vernommen werden. Überraschend stellte der zuständige Richter die Rechtmäßigkeit des gesamten Einsatzes vom Mai 2018 in Frage, weil es dafür nicht einmal einen Durchsuchungsbefehl gegeben hatte. Die Großrazzia, die vom Aalener Polizeipräsidium in Kooperation mit den Betreibern der LEA organisiert worden war, war demnach unrechtmäßig.
Die ständige Verschärfung der Asylgesetze und die immer neuen staatlichen Angriffe auf Flüchtlinge und freiwillige Flüchtlingshelfer schaffen eine Atmosphäre der Angst, in der sich rechtsradikale Elemente ermutigt und bestätigt fühlen. Obwohl der allergrößte Teil der arbeitenden Bevölkerung die Asylpolitik der Regierung ablehnt und mit Abscheu betrachtet, begünstigen die Politiker aller Parteien mit dieser AfD-Politik den systematischen Aufbau eines Staats im Staat. Dieser richtet sich letztlich nicht nur gegen Flüchtlinge, sondern gegen die ganze Arbeiterklasse.
Quelle: https://www.wsws.org/de/articles/2019/03/19/asyl-m19.html