Banken in Europa im Fusionsfieber. Zusammenschlüsse in Spanien und Italien. Schweizer UBS auf Einkaufstour. Deutsche Bank als Übernahmekandidat.
In der Krise wird neu sortiert. Die Konkurrenz im Finanzsektor nimmt zu, weil weniger Geld umgesetzt wird und Kredite zu platzen drohen. Fusionen stehen auf der Tagesordnung.
Vorneweg wird die Deutsche Bank als Übernahmekandidat gehandelt. Der Vorstandsvorsitzende Christian Sewing steht unter Druck. In der Schweiz hatten Medien am 21. September berichtet, die UBS habe eine Wunschliste an Fusionspartnern, auf der auch die Deutsche Bank stehe. Das Schweizer Institut ist mit einem Börsenwert von umgerechnet rund 38 Milliarden Euro mehr als doppelt so schwer wie die Deutsche Bank, die es lediglich auf 15 Milliarden Euro bringt. Auch viele andere europäische Großbanken werden höher bewertet als Deutschlands größtes Geldhaus. Sewing suchte deshalb am vergangenen Dienstag die Öffentlichkeit. »Es ist wichtig, dass wir nicht der Juniorpartner sind«, sagte Sewing. »Das heißt, dass wir erst unsere Profitabilität nachhaltig erhöhen müssen.« Er wolle die Deutsche Bank mit einem Konzernumbau in drei Monaten fit für Fusionen machen, sagte er in einem Interview mit Bloomberg-TV. Dadurch will er die Rendite und den Aktienkurs in die Höhe treiben, um bei Fusionen eine aktive Rolle spielen zu können. Das soll auch die Bewertung der Bank in die Höhe treiben. »Dann haben wir eine andere, eine bessere Position.«
Andernorts ist die Fusionswelle bereits in vollem Gange. In Spanien haben die Geldhäuser Unicaja und Liberbank am vergangenen Montag bestätigt, in Gesprächen über einen Zusammenschluss zur fünftgrößten Bank des Landes zu sein, mit einer Bilanzsumme von mehr als 100 Milliarden Euro. Zwei Wochen zuvor hatten erst die spanischen Institute Bankia und Caixabank vereinbart, zum größten Geldhaus des Landes zu fusionieren. Nur die Institute Santander und BBVA sind für sich genommen wegen ihres umfangreichen Auslandsgeschäfts noch größer. Seit der Finanzkrise ist die Zahl der Banken in Spanien stark geschrumpft.
In Italien hat sich der italienische Zahlungsdienstleister Nexi mit dem kleineren Rivalen SIA zusammengeschlossen. Es entstehe ein Unternehmen mit einer Marktkapitalisierung von mehr als 15 Milliarden Euro und Einnahmen von rund 1,8 Milliarden Euro, teilte Nexi am 5. Oktober mit.
Regulierungen sind für die Banker Schnee von gestern. Die Lohnabhängigen können sich schon mal darauf einstellen, die nächste »systemrelevante« Bank zu retten. Credit-Suisse-Chef Thomas Gottstein sagte auf einer Onlinekonferenz am 22. September: In der Vergangenheit sei die Debatte in Europa zu stark von der Frage geprägt gewesen, welche Risiken für das Finanzsystem von großen Banken ausgehe. Mit der Coronakrise habe aber ein Umdenken eingesetzt. Aufsichtsbehörden seien nun bereit, dieses Problem neu zu bewerten. So hat auch die Europäische Zentralbank bereits signalisiert, Vorschriften zu lockern, beispielsweise eine Absenkung der Eigenkapitalquote zu gestatten.
Christian Stiefmüller von der in Brüssel ansässigen Organisation Finance Watch hat dafür eine Erklärung. Im Gespräch mit jW sagte er am Freitag: »Angesichts der in manchen Mitgliedstaaten immer noch eher kleinteiligen europäischen Bankenlandschaft ist es nicht überraschend, dass Fusionen von seiten der Finanzaufsicht positiv gesehen werden« und die Geldhäuser sogar dazu ermutigt würden. Die Behörden erwarteten, dass durch die Covid-19-Krise relativ schwere Zeiten für die Banken anbrechen werden, so Stiefmüller. »Diese Sorge ist wahrscheinlich auch nicht ganz unberechtigt. Die Frage ist nur, wie man damit umgeht.« Durch eine Großfusion würde ein marktbeherrschender oder systemrelevanter Spieler mehr geschaffen. Das Versprechen von 2008, das »Too big to fail«-Problem zu lösen, sei bis heute nicht eingelöst worden. »Eines der großen Argumente, das vom Management gegenüber den Aktionären und anderen Stakeholdern angeführt wird, ist, dass durch Übernahmen Synergien erzielt werden. Dabei handelt es sich in aller erster Linie um Kostenersparnisse, zum Beispiel wenn in einem Land zwei Banken mit großflächigem Filialnetz zusammengehen.« Demzufolge suchten Bankmanager bevorzugt nach Fusionskandidaten im eigenen Land. Die Position als marktbeherrschendes Unternehmen sei auch heute noch attraktiv. Grenzübergreifend sei eine Übernahme viel schwerer. Hierzulande stehe die Branche jedoch vor Problemen: »Wenn beispielsweise Deutsche Bank und Commerzbank zusammengehen sollten, stellt man sich die Frage, wer da wen sanieren soll«, sagte Stiefmüller.
Die Lobby scharrt hierzulande trotzdem mit den Hufen. Ein Sprecher des Bundesverbands deutscher Banken sagte gegenüber jW: »Die privaten Banken wollen mehr Europa, nicht weniger.« Als Begründung machte er ein großes Fass auf: »Offene Gesellschaften als Bollwerk gegen nationalistische Tendenzen brauchen im täglichen Erleben mehr positive Erfahrungen mit Europa. Das gilt auch für grenzüberschreitende Dienstleistungen von Banken für ihre Kunden.« Toleranz in allen Ehren, unterm Strich müsse aber das Ziel lauten, »den Finanzbinnenmarkt in Europa zu verwirklichen und es den europäischen Banken so zu ermöglichen, sich gegen wachsenden Einfluss von Playern aus den USA und China zu behaupten. Wir brauchen starke Banken in Europa und Deutschland«, erklärten die Privatbanker.
Quelle: https://www.jungewelt.de/artikel/388136.finanzhaie-konzentration-in-der-krise.html