In der Zeit bis zum 8. März und am 8. März selbst sollten wir gemeinsam so laut wie möglich “Nein!“ schreien; „Alleine geht es nicht! Nein!“ Frauen sind „gegen einen Mann allein – gemeinsam sind wir stark!“
Die Kampagne zum Referendum am 16. April 2017 fing für die Unterdrückten des Landes und besonders für die Frauen hoffnungsvoll an. Diejenigen, die behaupten, dass die schwerwiegenden Probleme des Landes, die durch die Diktatur erst geschaffen wurden, nur zu lösen wären, wenn ein Mann das Wort, die Zuständigkeit, die Entscheidungen und die Macht allesamt in seiner Hand vereine, tun sich schwer das Volk davon zu überzeugen. Diejenigen, die das Land jahrelang durch religiösen und rassistische Spaltung regiert haben, haben keine überzeugenden Argumente für den Systemwechsel. Jetzt zeigt sich, dass sich ihre Maßnahmen, die Opposition zu unterdrücken, Stück für Stück als kontraproduktiv erweisen.
Die Folgen des ausbeuterischen und unterdrückerischen Systems, das sie geschaffen haben, kommen nun durch Umfrageergebnisse ans Licht: die Erwerbslosen, Student*innen, Schüler*innen, ungelernten Arbeiter*innen, Hausfrauen; also alle, die von der religiösen, marktgläubigen Diktatur am meisten bedrängt und verspottet werden, stellen die größte „unentschlossene“ Grupe dar.
Überrascht uns das? Nein! Denn „Unentschlossene“ ist im Sprachgebrauch ein anderes Wort für Prekäre, Verunsicherte.
Die Frauen sind nicht einverstanden
Die Frauen sind damit nicht einverstanden! Diejenigen, die vom Vater, vom Ehemann abhängig gemacht werden, deren Frauenhäuser geschlossen, deren Rechte untergraben werden und die für unwürdig erklärt werden, einen anderen Beruf als den der Mutter auszuüben, die Opfer blutiger Morde werden, egal ob sie ein Kopftuch tragen oder nicht – also die aufgrund ihres Geschlechts prekarisierten und entrechteten Frauen, sie sind mit dieser Entwicklung nicht einverstanden.
Das System wollte mit einem Stein zwei Vögel erschlagen, durch das Zauberwort „Kopftuch“. Doch selbst die Schleier der Frauen reichen nicht aus, die Schande der reaktionären männlichen Allianz zu bedecken.
Die von 38% auf 42% gestiegene Arbeitslosenzahl; die Beschäftigungslage, die Zukunftsängste, die Prekarisierung der Frauen, die Gewalt, Belästigungen, Benachteiligung, die Morde an meist jungen Mädchen – das alles kann nichtmal ein Quadratmeter Kopftuch mehr bedecken.
Die Frauen vergessen nicht, vergeben nicht, gehorchen nicht. Auch die Frauen die durch ihre verschleierten Körper der männlichen Herrschaft ausgeliefert worden sind, wollen nicht, dass „ein Mann“ alleine über ihr gesamtes Leben entscheidet.
Es ist an der Zeit, dass wir Löcher reißen in diese ganze verschleierte Realität, um die Realität der Frauen herauszuschreien. Denn Frauen hören auf Frauen und wenn die Frauen „Nein“ sagen, dann sagen sie die Wahrheit.
Von Frau zu Frau reden
In Gesprächen von Frau zu Frau ist ein ehrlicher Austausch möglich.
Wenn die Frauen bei dem Referendum, das jetzt überall durchgeführt wird, erfolgreich Aktionen ausführen und eine richtungsweisende Rolle übernehmen wollen, dann muss aus diesen Zwiegesprächen der größte Nutzen gezogen werden.
In der Zeit bis zum 8. März und am 8. März selbst sollten wir gemeinsam so laut wie möglich “Nein!“ schreien; „Alleine geht es nicht! Nein!“ Frauen sind „gegen einen Mann allein – gemeinsam sind wir stark!“
Die Aktionen der „Nein-Räte“, die in allen Städten, Stadtteilen und Straßenzügen des Landes gegründet werden, die Gespräche von Frau zu Frau in Wohnungen, auf Schulhöfen und Basaren, also in allen Bereichen des täglichen Lebens, sie sind es, die dieser Kampagne ihre entscheidende Kraft verleihen können.
Diese Aktivitäten, Frauenkreise, Frauenräte und die Gespräche unter Frauen geben der Kampagne Kraft und Ausdauer. Durch die Arbeit der Frauen und ihre Projekte werden ihre Ideen zur Wirklichkeit. Vielleicht ist die Verbreitung dieser Art von alltäglichen, stillen Gesprächen unter Frauen in den kommenden zwei Monaten das wichtigste.
Aber selbstverständlich ist das allein nicht ausreichend. Dort, wo wir kollektive Möglichkeiten haben, ist es wichtig, dass wir die Rufe der Frauen, unser „Nein“ mit lauter Stimme in die Öffentlichkeit tragen.
Es reicht nicht aus „Nein“ zu sagen
Der Ruf der Frauen nach Brot und Rosen (statt Hunger und Gewalt), die Rolle der Frauen als tragende und auch führende Kräfte bei der Gestaltung der Zukunft unsere Landes, lässt sich zum 8. März am deutlichsten zum Ausdruck bringen. An diesem Tag genügt es nicht, leise „Nein!“ zu sagen.
In der Zeit bis zum 8. März und am 8. März selbst sollten wir gemeinsam so laut wie möglich “Nein!“ schreien; „Alleine geht es nicht! Nein!“ Frauen sind „gegen einen Mann allein – gemeinsam sind wir stark!“ Das Wort, die Zuständigkeit, die Entscheidung gehört den Frauen, nicht dem einen Mann allein.
Kommt, verwandeln wir den “1. Mai der Frauen“ bis zum 8. März zu einem „Frauen Sagen Nein!“, mit dem wir allen Frauen der Welt unsere Grüße senden.
Kommt, lasst uns mit dem Protest nicht bis zum Datum des Referendums warten, sondern ziehen wir mit der Hartnäckigkeit und dem Rebellinnentum der Frauen die Proteste auf den 8. März vor.
Kein Mann darf unser Brot stehlen, unsere Rose verblühen lassen: für unsere Rechte und für unser Leben ist unser Ruf am 8.März und zum Referendum am 16. April ein klares „NEIN!“
Kommt, zeigen wir es zusammen mit den Frauen der ganzen Welt am 8. März diesen (patriarchalen) Männern.
Die Geschichte schreiben nicht die Diktatoren, die unser Brot klauen und unsere Rosen verblühen lassen, sondern die Frauen, die das Brot machen und in den Teig des Brots Rosen mischen!
Übersetz für Freiesicht.org
Quelle:
http://sendika15.org/2017/02/soz-yetki-karar-tek-adama-degil-kadinlara-cigdem-cidamli/
[i] Anmerkung des Übersetzers: Im deutschen Kontext könnte dieser Titel missverständlich wirken. Die Parole „das Wort, die Zuständigkeit, die Entscheidung gehört den Frauen, nicht dem einen Mann allein“ wendet sich gegen die diktatorischen Forderungen des Regimes, des „einen Mannes“ Erdogan und zugleich gegen die patriarchale Diktatur, die in der gesamten Gesellschaft zur Zeit die Rechte und Möglichkeiten der Frauen zurückdrängt. Sie bedeutet nicht, dass Frauen die Macht für sich allein beanspruchen, sondern dass sie ihrer Entmachtung durch das Regime und die reaktionäre Ideologie entgegentreten.