Am 7. Juni 2017 legte die EU-Kommission ein Reflexionspapier mit diversen Militarisierungsszenarien vor und ließ dabei keine Zweifel daran aufkommen, dass ihre Präferenz auf der diesbezüglich ambitioniertesten Option liegt (siehe IMI-Aktuell 2017/315). Parallel dazu veröffentlichte die Kommission ebenfalls die Kommunikation Nr. 295/2017 namens „Launching the European Defence Fund“. Schon in der Rede zur Lage der Union von Kommissionpräsident Juncker am 14. September 2016 wurde die Absicht angekündigt, erstmals einen EU-Rüstungshaushalte, Verteidigungsfonds genannt, einrichten zu wollen. Das Ganze wurde dann im Verteidigungs-Aktionsplan der EU-Kommission vom 30. November 2016 präzisiert (siehe IMI-Analyse 2017/27), wobei die Kommission nun weitere Details und einen Fahrplan zur Aufstellung des Fonds vorlegte.
Wie schon im Verteidigungs-Aktionsplan erstmals vorgeschlagen, soll der Fonds auch weiterhin ab 2021 aus einem Rüstungsforschungshaushalt von 500 Mio. Euro und einem Beschaffungshaushalt von 5. Mrd. Euro bestehen. Neu ist nun, dass erstmals die genauen Beträge, die hierfür von der EU-Kommission stammen sollen, genannt werden. Dies ist insofern relevant, weil es Artikel 41(2) des EU-Vertrages – so war zumindest bislang eigentlich dessen Auslegung – verbietet, EU-Haushaltsgelder in den Rüstungssektor zu pumpen (zur Debatte siehe etwa IMI-Studie 2016/03). Das wird nun aber ignoriert, nachdem mit Großbritannien nach dem Brexit-Referendum der bisher größte und mächtigste Gegner eines EU-Rüstungshaushaltes inzwischen mehr oder weniger aus dem Spiel ist. Jedenfalls präzisierte die Kommission nun, dass aus dem EU-Haushalt die vollen 500 Mio. Euro für die Rüstungsforschung und eine Milliarde für den Beschaffungshaushalt stammen sollen, den Rest sollen die Mitgliedsstaaten beisteuern. Da der nächste Mehrjährige Finanzplan die Jahre 2021 bis 2027 umfassen wird, sprechen wir hier über insgesamt 38,5 Mrd. Euro – bei der Rüstungsindustrie dürften angesichts dieser Summe die Korken knallen!
Neu in der Kommunikation „Launching the European Defence Fund“ ist auch, dass der Start des Rüstungsfonds faktisch nach vorne verlegt wird: Ein „European Defence Industrial Development Programme“ für Rüstungsforschung und Beschaffung soll bereits 2019 und 2020 aufgelegt werden und insgesamt 2,59 Mrd. umfassen. Für die Aufsetzung dieses Fonds, legte die Kommission auch gleich noch einen Vorschlag für eine Verordnung vor, die nach Eigenaussage mit höchster Priorität behandelt und noch im Jahr 2018 von Rat und EU-Parlament verabschiedet werden soll. Wie EU-Kommissionchef Jean-Claude Juncker, der schon seit Jahren für einen massiven Ausbau des EU-Militärapparates trommelt, in seiner Rede auf der „Defence and Security Conference“ am 9. Juni 2017 in Prag sagte: „In den letzten Jahrzehnten gab es kein überzeugenderes Bündel sicherheitspolitischer Herausforderungen, wirtschaftlicher Realitäten und politischer Argumente, die weitreichendere Schritte im Bereich der europäischen Verteidigung gerechtfertigt hätten. […] Die Zeit läuft, wie lange wir in einem nur halb gebauten Haus leben können.“
Zumindest er selber und seine Kommission scheinen es damit tatsächlich ernst zu meinen, denn anders lässt sich die Penetranz, mit der von dieser Seite auf „Fortschritte“ in Richtung einer weiteren Militarisierung der Europäischen Union gedrängt wird, kaum erklären. Bereits absehbar ist jedenfalls, dass sich das EU-Parlament mit großer Mehrheit hinter die Militarisierungspläne der Kommission werfen wird. Fraglich ist allenfalls, ob nicht dem ein oder anderen Mitgliedsland der großangelegte Einstieg der Kommission in Rüstungsfragen, die eigentlich im EU-Gefüge Sache der Staaten und damit nationale Angelegenheiten sind, zu weit gehen könnte. Zumal in Kombination mit den Militarisierungsszenarien im Reflexionspapier, wo die Kommission für eine umfassende Verteidigungsunion eintritt, die faktisch eine Art Zweit-NATO darstellen würde, in der große Teile der nationalen Militärpolitik an Brüssel abgetreten würde. Hiergegen gibt es aus unterschiedlichen Gründen starke Vorbehalte bei vielen Mitgliedsländern. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich Kommission und Staaten zumindest auf einen Rüstungsfonds als – etwas – kleineren gemeinsamen Nenner werden einigen können, denn dafür gibt es in jedem Land zu viele Profiteure an einem solchen Vorhaben in Politik, Militär und Industrie.
Quelle: http://www.imi-online.de